Jörg Plesse zur Nachfolgeplanung „Sie müssen ein virtuelles Massensterben in der Familie auslösen“

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Das sind ja unglaubliche Fehler.

Plesse: Das sind besonders krasse Beispiele, aber eine Statistik von Allensbach behauptet, dass rund 80 Prozent der Testamente in Deutschland mangelhaft sind. Das entspricht auch meiner Praxiserfahrung. Sie sind entweder handwerklich schlecht gemacht, so wird selbst in manchen notariellen Testamenten nicht mal richtig zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer unterschieden. Oder sie waren einmal gut, aber passen einfach nicht mehr zur aktuellen Lebenssituation.

Brauchen wir einen Testaments-Tüv?

Plesse: Das ist eine gute Idee, aber schlecht umsetzbar. Darum muss sich jeder selbst kümmern. Deshalb empfehle ich jedem, einmal im Jahr einen festen Termin zu machen, in dem man alle wichtigen Dokumente, also unter anderem Testament, Ehevertrag, Gesellschaftsverträge, Vollmachten und Patientenverfügung in Ruhe durchliest.

Dabei sollte man sich die folgenden drei Fragen stellen und beantworten: 1. Passt das noch zu unserer Lebenssituation? 2. Ist das noch das was ich will? 3. Verstehe ich das auch alles noch? Bei dreimal Ja setzen Sie einen neuen Termin in einem Jahr fest. Zweifeln Sie auch nur an einer Antwort, brauchen Sie eine neue Beratung.

Etwa alle fünf Jahre ist es sinnvoll, auch einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Bei der Erstellung würde ich immer zwei unabhängige Berater hinzuziehen.

Berater müssen aber doch bei diesem Themen darauf achten, das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht zu verletzen. Wie ist das in der Praxis?

Plesse: Das ist ein Riesenproblem. Individuelle Rechtsberatung ist verboten, das dürfen nur Rechtsanwälte und Notare. Hier müssen Berater sehr aufpassen, Grenzen definieren und sie nicht überschreiten. Sie sollten in einem Netzwerk mit Steuerberater, Rechtsanwalt und Notar arbeiten und diese frühzeitig mit einbinden. Leider ist die Qualität der Nachfrageberatung hierzulande eher mäßig. Viele Berater, das gilt zum Teil auch für Rechtsanwälte und Notare, haben ganz andere Schwerpunkte und sind einfach nicht darauf spezialisiert.

Gibt es Trends in der Nachfolgeberatung?

Plesse: Es wird immer größeres Vermögen vererbt. Häufig soll großes Immobilienvermögen an mehrere Kinder übertragen oder vererbt werden. Dabei gestaltet sich die Aufteilung häufig schwierig. Die Lösung heißt dann oft Familiengesellschaft. Das ist ein sehr aufwändiger Prozess, der ein Jahr dauern kann. Meist sind es mehr als eine Handvoll Betroffene und die Familie braucht Zeit sich zu einigen. So muss unter anderem die Rechtsform entschieden werden, wie der Gesellschaftsvertrag aussehen soll und es muss darauf geachtet werden, dass keine Grunderwerbssteuer anfällt. Hier liegt ein sehr hoher Abstimmungsbedarf.

Begüterte Familien, die ein Family Office haben, können sich aber darauf verlassen, dass das Family Office all diese Fragen regelt?

Plesse: Nein, meistens nicht. Die meisten Multi Family Offices kümmern sich nach meiner Erfahrung nur sehr rudimentär bis gar nicht um das Feld der Nachfolgeplanung. Bisweilen beschränkt sich das auf die Frage, ob schon ein Testament vorliegt. Family Offices werden hier zu hoch eingeschätzt. Das ist aber auch kein Wunder, denn die meisten Mitarbeiter der Multi Family Offices haben einen Hintergrund aus dem Private Banking oder Wealth Management einer Bank, das heißt sie fühlen sich nur im Wertpapiergeschäft zu Hause. Die beraten dann ja meist auch nur das liquide Vermögen.


Über den Autor:
Jörg Plesse ist Erb- und Stiftungsmanager mit mehr als 15 Jahren Berufspraxis. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor.

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