Jenseits herkömmlicher Kriterien Welche Bewertungsmethoden bei Tech-Firmen greifen

Michael Harbisch:  „Die Ersten fühlen sich bereits an die Tech-Blase Ende der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre erinnert“.

Michael Harbisch: „Die Ersten fühlen sich bereits an die Tech-Blase Ende der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre erinnert“. Foto: TBF

Die technologische Revolution ist in vollem Gange. Alle Welt spricht von Disruption und Technologien, die sich mit rasanter Geschwindigkeit fortentwickeln. In ähnlichem Tempo sind viele Bewertungen auf entsprechend hohe Niveaus gelaufen. Die Ersten fühlen sich deshalb bereits an die Tech-Blase Ende der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre erinnert. Der auch diesmal gern bemühte Satz „Dieses Mal ist es anders!“ gemahnt zur Vorsicht, fingen doch genau so viele Krisen erst richtig an.

Der Tech-Sektor war im ersten Quartal 2019 in erster Linie getrieben durch Firmen aus den Segmenten Software und Software-as-a Service (SaaS) sowie Anbieter von Cloud-Lösungen. Die Umsatzerwartungen waren hier mit am deutlichsten ausgeprägt. Die zweite Reihe bildeten Unternehmen, die Websitehosting betreiben, aber auch FAANNG-Werte wie Netflix, Amazon und Nvidia. Ein Beispiel ist der Cloud-Computing-ETF SKYY, der sich seit 2011 mit einem Plus von 179 Prozent extrem positiv entwickelt hat. Zum Vergleich: Im Gegensatz konnte der S&P 500 „nur“ 109 Prozent zulegen.

Das Beispiel zeigt, wie sich spezielle Themen überproportional entwickeln, zugleich aber auch Risiken entstehen lassen. Diese Werte haben den Markt getrieben und zu neuen Höchstständen in den globalen und regionalen Indizes geführt. Doch obwohl mittlerweile eine konjunkturelle Abschwächung klar zu beobachten ist, sind viele Investoren nach wie vor überzeugt, dass das Wachstum ungebrochen und eine nicht allzu große Delle bei Tech-Firmen zu erwarten ist. Dies führte zu einem natürlichen Reflex, der sich in den vergangenen vier bis fünf Monaten beobachten ließ: Nach dem extrem starken Einbruch im Dezember sind viele Investoren wieder genau auf diese Werte angesprungen und haben eine schnelle und deutliche Erholung bewirkt. An der einen oder anderen Stelle macht sich also offenbar Sorglosigkeit breit, was wir für sehr voreilig halten.  

Doch wie sind Tech-Firmen nun tatsächlich zu bewerten? Reichen herkömmliche Kriterien und Bewertungsmethoden aus? Insbesondere die Subsegmente Internet und Cloud sind mit herkömmlichen Kriterien schwer zu greifen. Trotz einer Marktkapitalisierung von 1 bis 3 Milliarden US-Dollar sind gerade Cloud-Firmen etwa im Verhältnis zu Unternehmen wie Microsoft in aller Regel relativ klein. Zudem sind nicht alle miteinander vergleichbar, da sich die Dienstleistungen beziehungsweise Produkte teils deutlich unterscheiden. Zugleich richten sich einige an Privatpersonen (b2c) wie etwa Spotify und andere an Firmen (b2b), wie zum Beispiel Salesforce oder auch MongoDB, ein Datenbankanbieter für Cloud-Lösungen. Das macht die Bewertung nicht einfacher.

Dennoch haben sie etwas gemein: ein extrem starkes Umsatzwachstum, das häufig bei circa 35 Prozent im Vergleich zum S&P 500 mit 9 Prozent liegt. Losgelöst vom Umsatzwachstum wird gerne mit Multiplikatoren gearbeitet. Hierbei wird der aktuelle Börsenwert durch die jeweilige Kennzahl geteilt und so der Multiplikator errechnet. Schlussendlich werden bei einem direkten Vergleich zweier Unternehmen deren Multiplikatoren miteinander verglichen oder eben mit dem Durchschnitt des jeweiligen Segmentes.