SAA-Serie, Teil 2 Jede strategische Vermögensallokation ist anders

Vater und Sohn bei einer Werksbesichtigung des eigenen Familienunternehmens

Vater und Sohn bei einer Werksbesichtigung des eigenen Familienunternehmens: Da, wo die jüngere Generation nicht die Nachfolge antreten will, kann es zum Unternehmensverkauf kommen. Was tun mit dem Geld? Foto: imago images/Westend61

Es sind diese Geschichten aus der Fläche Deutschlands: Ein Macher und Lenker hat sein Pharma-Unternehmen mit einem eigenen Patent außerordentlich erfolgreich etabliert und großgemacht. Leider findet sich in der Familie keine Unternehmensnachfolge und so beschließt der Unternehmer, die erfolgreiche Gesellschaft zu verkaufen. Ein Konzern bietet einen hohen dreistelligen Millionenbetrag und der Unternehmer verkauft. Was nun?

Ein anderer Unternehmer ist bereits in der dritten Generation sehr erfolgreich und investiert gemeinsam mit seinen beiden Söhnen in deutsche Einzelhandelsimmobilien. Nicht nur die Dotcom-Blase und die Folgen der Lehmann-Pleite haben die Familie gelehrt, dass es doch von Vorteil sein kann, wenn das Vermögen ausreichend diversifiziert ist und man mit einer breiten Streuung über diverse Anlageklassen weniger Risiko tragen würde.

Dies sind nur zwei Beispiele, wie heterogen vermögende Familien in der Regel aufgestellt und damit nur schwer zu vergleichen sind. Hinzu kommt, dass es bei gewachsenen Strukturen über mehrere Generationen sehr schnell sehr emotional beim Thema Vermögen werden kann. Das Vermögen der Familie ist in der Regel der wirtschaftliche Grundstock und bedeutet Verpflichtung und Unabhängigkeit zugleich.

Wenn man mit vermögenden Familien zusammenarbeitet, sollte im ersten Schritt herausgefunden werden, was die Familie treibt. Was soll mit einer erfolgreichen Bewirtschaftung des Vermögens erzielt werden? Welchen Grundstock gibt es, und was sind die Ziele? So sind zunächst folgende Punkte zu hinterfragen:

  • Dient das Vermögen eher als langfristige Wertsicherung oder soll davon der Lebensunterhalt finanziert werden?
  • Wieviel Prozent des Vermögens dienen persönlichen Anliegen oder philanthropischen Zwecken?
  • Gibt es neben dem Finanzvermögen auch andere Investments wie Immobilien oder Private Equity, welche in der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden müssen?

Sind diese Ziele erst einmal klar definiert, gilt es vor allem, das Risikoprofil zu festzulegen. Häufig liegen Selbsteinschätzung zum Tragen eines Risikos und die tatsächliche Risikobereitschaft weit auseinander. So gibt es Familien oder einzelne Familienmitglieder, die kaum risikobereit sind, aber doch ein höheres Risiko tragen könnten und andersherum.

Letzteres ist sicherlich kritischer zu betrachten. Um sich dem Thema Risikobereitschaft zu nähern, kann beispielsweise eruiert werden, was der Familie Geld bedeutet. Ist es ein Mittel, um sich zu schützen, um Erträge zu erwirtschaften, um zu investieren und Gewinne zu erzielen oder um zu spekulieren?

Neben der Risikobereitschaft spielt die Risikofähigkeit als nächstes Element eine wichtige Rolle. Hier wird anhand von objektiven Faktoren gemessen, wie viel Risiko getragen werden kann. Grundsätzlich sind bei diesem Punkt der Anlagehorizont und somit indirekt auch das Alter des Investors, die Höhe der finanziellen Verpflichtungen und Fixkosten sowie andere vorhersehbare oder geplante Mittelflüsse zu berücksichtigen.

Wenn nun alles in allem betrachtet wird, ergibt sich daraus das Rendite-Risiko-Profil der gesamten Familie, aber insbesondere auch von den einzelnen Familienmitgliedern. Denn das Risikoprofil ist stark von der Risikobereitschaft abhängig, und diese ist sehr individuell.

Ärmel hoch oder runter

Nachdem man die Ziele festgelegt und das Rendite-Risiko-Profil ermittelt hat, ist noch zu klären, wie tief die Familie selbst in die Strukturierung des Vermögens und in den Prozess der Umsetzung der Strategie involviert sein möchte. Dies ist zum einen eine Vertrauenssache und zum anderen eine Frage des vorhandenen Kapitalmarktverständnisses und Know-hows, welches in der Familie vorhanden ist.

Vor allem muss hier auch die Ausgangslage genau betrachtet werden. Der Unternehmer, der seine Firma an den Pharma-Konzern verkauft hat, sollte beispielsweise aktiv im Private-Equity-Bereich und in der Pharma-Branche sein. Die Familie, die seit Generationen Immobilien bewirtschaftet, sollte in diesem Bereich auch weiter strategisch aktiv bleiben.

Sind diese Themen hinreichend geklärt – erfahrungsgemäß kann dies einige Zeit in Anspruch nehmen –, kann die strategische Vermögensallokation (Strategic Asset Allocation, SAA) in Angriff genommen werden. Die aktuelle makroökonomische Lage und deren Wirkung auf die bereits bestehende Vermögensanlage müssen am Anfang genau geprüft werden. Wie an dem Beispiel der Familie zu sehen, ist ein Bestand an Einzelhandelsimmobilien in Zeiten der Pandemie sicherlich schwierig.

Das derzeit hochkomplexe Kapitalmarktumfeld ist außerdem nach wie vor geprägt von hohen Staatsschulden und einer sehr ausgeprägten Zentralbankpolitik. Lange Zeit galten beispielsweise Anleihen als stabilisierender Faktor in einem Portfolio. Sie konnten vielfach die Schwankungen beziehungsweise Kursrücksetzer von Aktien dämpfen und bei Marktkorrekturen schützen. Erst im vergangenen Jahr wurde vielen Anlegern bewusst, dass diese Annahme nur noch eingeschränkt gültig ist. Viele Portfolios haben im März im Corona-Crash auch bei den Obligationen erhebliche Verluste verzeichnet.