Jahreskonferenz von Edmond de Rothschild Das Ende der Liquiditätsschwemme

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Ein Jahr der Besonderheiten 

Nach der Begrüßung der Gäste durch Markus Schuwerack, Executive Director Third Party Distribution in Deutschland und Österreich, erläuterte Benjamin Melman die Erwartungen, die Edmond de Rothschild an das neue Jahr hat. Melman ist Leiter Asset Allocation und Sovereign Debt sowie des Staatsanleihen-Teams. Er bezeichnete das ausklingende Jahr für Vermögensverwalter als schwierig: Quer durch die Bank verzeichneten die wichtigsten Anlageklassen Verluste.

Wenn Aktien und Anleihen gleichzeitig unter Druck stehen, kommen traditionellen Risikomanagement-Konzepte, die auf der Streuung der Anlagen aufsetzen, an ihre Grenzen, warnte Melman. „Was wir derzeit sehen, ist nicht das Ergebnis einer anstehenden Konjunkturabschwächung, der Grund für die Kursverluste liegt vielmehr an der veränderten Notenbankpolitik“, erläuterte der Experte mit Blick auf den Kurs der US-Notenbank, die ihre in den vergangenen Jahren durch Anleihenkäufe aufgeblähte Bilanzsumme nun wieder schrumpfen möchte. Der Abbau der Anleihebestände belastet nicht nur die Rentenmärkte in den USA, er wirkt sich auch auf Aktien aus. Als Investor müsse man die Notenbankpolitik der Fed ebenso wachsam beobachten wie die Pläne der Europäischen Zentralbank und der japanischen Notenbank. Auch sie seien bestrebt, ihre aufgeblähten Bilanzen perspektivisch zu verschlanken.

In seinem Vortrag wies Benjamin Melman darauf hin, dass die Unsicherheit für Investoren derzeit besonders groß sei. Gründe dafür sind neben den auslaufenden Anleihekäufen der Notenbanken vor allem der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China, die Haushaltspläne der italienischen Regierung sowie der im April 2019 anstehende Brexit. „Wenn jemand sagt, er wüsste, was in den nächsten Wochen in London passiert, dann lügt er“, zitierte Melman einen anonymen Marktteilnehmer und gibt diesem Recht. Auch in Italien mangele es sehr stark an Visibilität, so der Leiter Asset Allocation bei Edmond de Rothschild. Rothschild investiert in italienische Staatsanleihen, zieht aber bei der Duration bei zwei Jahren eine Obergrenze. Denn die Zeit danach sei einfach zu intransparent. Melmans Fazit: Eine Rezession steht zunächst nicht an, eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums dagegen schon.

Für 2019 erwartet Edmond de Rothschild beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Europa gegenüber 2018 einen Rückgang von 1,8 auf 1,5 Prozent. In den USA dürfte die Wirtschaftsleistung von 2,9 auf 2,7 Prozent zurückfallen, während in China nur eine marginale Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 6,6 Prozent absehbar ist. Melman erläuterte den angereisten Vermögensverwaltern und Consultants, dass er derzeit vor allem in europäischen Aktien Kurspotenzial sieht – und auch bei ausgewählten Schwellenländern.

Diesem Fazit schloss sich Jean-Jaques Durand an. Der Portfoliomanager für Anleihen und Währungen der Schwellenländer hatte eine anschauliche Grafik mit nach Frankfurt gebracht. Darauf war die Entwicklung des vielbeachteten Emerging-Market-Index EMBI im Zeitablauf zu sehen. Der Chartverlauf im Jahr 2018 zeigt laut Durand einen einzigartig langsam vonstattengehenden Crash. In der Vergangenheit liefen schwere Kursrücksetzer dagegen meist binnen weniger Monate ab. Und noch etwas ist diesmal anders: In der Statistik der Schwellenländeranleihen gab es nie zwei Verlustjahre in Folge. Das könnte diesmal anders sein, warnte Durand, der in seinem Vortrag auch die zuletzt stark gestiegene Verschuldung der chinesischen Mittelschicht analysierte.

Der Marktkonsens geht seinen Ausführungen zufolge davon aus, dass die Chinesen mit der Schuldenlast umgehen können. Kurzfristig muss man sich dennoch Sorgen machen: Auf China entfallen derzeit enorme 38 Prozent der kurzfristig fälligen Schulden unter sämtlichen Schwellenländern – eine Last, die vor allem auf den Schultern von Staatspräsident Xi Jinping lastet, wie Durand sagte, der im Gegensatz zur Volksrepublik China die Türkei aus Anlegerperspektive interessant findet. Die öffentliche Verschuldung am Bosporus sei niedrig, daher habe die Türkei beispielsweise Spielraum in der Fiskalpolitik. Und auch die Unternehmen des Landes seien mit Liquidität ausgestattet, um ihren Zahlungen an ausländische Geldgeber auch nach der starken Ab- und zuletzt wieder Aufwertung der Lira nachzukommen. Auch jenseits des Atlantiks finden Anleger heute Gelegenheiten. Argentinien etwa sei heute ein „Investment case“, ergänzte Durand.

Den abschließenden Fachvortrag der Jahreskonferenz von Edmond de Rothschild hielt Xiadong Bao, Experte für chinesische Aktien. Er griff die Vorträge seiner Kollegen auf und er skizzierte, dass die Lage in China heute vor allem von den Plänen geprägt sei, die Schuldenlast zu reduzieren. Der Schuldenabbau belastet nach seiner Einschätzung neben der heimischen Wirtschaft auf die der Zulieferstaaten, wie etwa Taiwan.

Und aufgrund des Handelskonflikts mit den USA ergibt sich kurzfristig eine weitere Belastung für die chinesische Volkswirtschaft: Aus Unsicherheit über die realwirtschaftlichen Auswirkungen halten sich viele Unternehmen mit größeren Bestellungen zurück und verschieben diese ins nächste Jahr. Das dämpft die Wirtschaft zusätzlich. Positiv entwickelt sich derzeit vor allem Lateinamerika, erläuterte Bao. Der zuletzt stark gesunkene Ölpreis sei wiederum gut für die indische Volkswirtschaft. Insofern gibt es mit Blick auf 2019 und am Ende der Liquiditätsschwemme durchaus Chancen – und nicht nur Risiken.

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