Haben golden frittierte Pommes Donald Trump zum US-Präsidenten gemacht? Unter anderem. „Look at this guy, I’m not gonna mess with him“, sagt Trump und reicht dem angesprochenen Autofahrer eine McDonald’s-Tüte durch sein Fenster. Wenige Minuten zuvor noch stand er an der Fritteuse und machte Witze darüber, dass er jetzt schon 15 Minuten länger bei McDonald’s gearbeitet habe als seine Konkurrentin Kamala Harris.
Harris wiederum ließ kaum einen Wahlkampfauftritt vergehen, ohne zu erwähnen, dass sie sich ihr Studium teilweise durch einen Sommerjob bei der Fastfood-Kette finanziert hat. Belege dafür, dass Harris lügt und in Wahrheit nie bei McDonald’s Pommes frittiert und Burger belegt hat, braucht Trump nicht. Das Narrativ verfängt auch so. Kamala die Lügnerin, Trump der bürgernahe Fast-Food-Liebhaber. Da schadet auch Vizepräsident J.D. Vances ungeschickter Donut-Kauf nicht mehr, bei dem er sogar darum gebeten wurde, die Kamera auszuschalten.
Tim Walz, Vize-Kandidat der Demokraten, führt zwar nur eine Woche später vor, wie man sich in einem Donut-Shop verhält: „Look at me, I have no problem picking out donuts.“ Zum künftigen Vizepräsidenten machte ihn das aber trotzdem nicht.
Inflation treibt Populismus
Donuts und Pommes haben nicht nur soziale Netzwerke wie X wochenlang beschäftigt, auch renommierte Medienhäuser haben die Videoclips geteilt und kommentiert, weltweit. Wie stark sie das Wahlergebnis tatsächlich beeinflusst haben, ist Spekulation.
Sicher ist allerdings, dass die hohen Preise – nicht nur von Donuts und Pommes – Trump Stimmen gebracht haben.
„It’s the inflation, stupid!“ Das zeigt auch die Studie „Inflation Surprises and Election Outcomes“ des Instituts für Wirtschaft Kiel (IFW), für die Ökonomen 365 Wahlen in 18 Industrieländern zwischen 1948 und 2023 untersucht haben. Demnach führt ein Inflationsschock von 10 Prozentpunkten während einer Legislaturperiode, der nicht durch wachsende Löhne ausgeglichen wird, zu einem Plus von 2,8 Prozentpunkten für populistische und extremistische Parteien bei der nächsten Wahl.
„Unsere Forschung hilft, Trumps Wahlerfolg ebenso wie den Zulauf zu Populisten in Deutschland besser zu verstehen. Extreme Parteien profitieren, wenn die Preissteigerungen höher ausfallen als erwartet und Arbeitnehmer und andere Wirtschaftsakteure keine Möglichkeit hatten, sich durch angemessene Lohnerhöhungen auf die Inflation vorzubereiten“, sagt dazu Jonathan Federle, Wissenschaftler am IFW Kiel und einer der Autoren der Studie.
Trump, der Wirtschaftsprofi?
5,4 Prozent betrug die annualisierte Inflationsrate unter Bidens Präsidentschaft. Sein Vorgänger Trump verzeichnete lediglich 1,9 Prozent, ist aber durch seine lockere Fiskalpolitik nicht ganz unschuldig an den später gestiegenen Preisen.
Dass Trump der Wirtschaft so viel besser getan hat als Biden, geben aber auch die sonstigen Wirtschaftskennzahlen nicht her. Der Vergleich ist zwar aufgrund des kurzen Betrachtungszeitraums und externer Schocks wie der Covid-Pandemie wenig aussagekräftig, verdeutlicht diesen Punkt aber trotzdem.
So ist das reale Bruttoinlandsprodukt unter Biden mit einem annualisierten Plus von 3,5 Prozent sogar stärker als unter Trump gestiegen (2,7 Prozent). Auch die Staatsschulden stellen Biden ein besseres Zeugnis aus. Um 29 Prozent sind sie während seiner Amtszeit gestiegen. Trump kam auf ein Plus von 39 Prozent.
Der Arbeitsmarkt hat sowohl von Trump als auch von Biden profitiert. Dennoch konnte sich die Konsumentenstimmung während Bidens Präsidentschaft nur anfänglich vom Covid-Schock erholen, bevor sie wieder sank und trotz steigender Werte negativ blieb. Auch dies eine Folge der hohen Inflationsraten.
Börsianer setzen auf „Trump Trade“
Und auch in puncto Aktienmärkte punktet Trump. Der S&P 500 stieg während seiner ersten Amtszeit durchschnittlich 16,3 Prozent pro Jahr. Biden kommt lediglich auf ein annualisiertes Plus von 12,6 Prozent. Das Vertrauen auf eine zweite Trump-Rally könnte ein Grund für die euphorische Reaktion der Börse auf Trumps Wahlsieg sein.
„Die Einzigartigkeit der Vereinigten Staaten dürfte sich 2025 fortsetzen. Trumps America-First-Politik sollte US-Aktien durch Deregulierung und Steuersenkungen stützen“, sagt beispielsweise Evan Brown, Leiter Multi-Asset-Strategy bei UBS Asset Management.
Ein weiterer Treiber der Aktienkurse ist die künstliche Intelligenz (KI): „US-Aktien bleiben unsere strategische Präferenz, angetrieben durch solide Wachstumsaussichten im Technologiesektor, insbesondere bei der KI-Infrastruktur“, sagt Michaël Lok, Co-Vorstandsvorsitzender Asset Management bei Union Bancaire Privée.
Die zahlreichen Marktkommentare zu Trumps Wahlsieg zeigen, dass die bevorzugten Sektoren der Assetmanager Technologie, Finanzen und Energie sind, da sie am stärksten von Trumps angekündigten Deregulierungsmaßnahmen und Steuersenkungen profitieren würden.
Small Caps könnten aufholen
Ebenso wird erwartet, dass sich Small und Mid Caps dank niedrigerer Steuern und Finanzierungskosten positiv entwickeln. Hinzu kommt, dass kleine und mittlere Unternehmen stärker auf den US-Markt ausgerichtet sind als große Unternehmen. Während Trumps America-First-Politik ihnen also besonders nutzen könnte, sind sie gleichzeitig weniger durch die negativen Folgen internationaler Handels- und Währungsschwankungen betroffen, die aus Trumps restriktiver Handelspolitik resultieren könnten.
So sagt beispielsweise Werner Krämer, Volkswirt und Geschäftsführer bei Lazard Asset Management: „Bei einer America-First-Politik fällt es schwer, US-Aktien auszulassen. Ich sehe keine Basis für eine Veränderung der aktuellen Lage, das Segment wird sich weiterhin positiv entwickeln. Gerade bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen gibt es Nachholpotenzial. Außerdem spielen hier weitere Zinssenkungen eine Rolle, die für Erholung sorgen sollten.“
Einen weiteren Punkt nennt Tom Harvey, Senior-Aktienspezialist bei Abrdn: „Langfristig hinken Small Caps den Large Caps seit der globalen Finanzkrise hinterher. Diese Phase der Underperformance könnte jedoch den Boden für zukünftige überdurchschnittliche Entwicklungen bereiten, denn wir sehen Anzeichen dafür, dass Small Caps die Bewertungslücke zu Large Caps allmählich schließen.“
Warnung vor übertriebener Euphorie
„Auch wenn sich Small Caps 2024 bereits gut entwickelt hätten, gebe es immer noch Potenzial, da die Bewertungen weiterhin attraktiv seien. „Darüber hinaus bieten Small Caps durch ihre Flexibilität und Agilität Vorteile. Weniger Regulierungsdruck würde es ihnen ermöglichen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren, Innovationen voranzutreiben und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“, so Harvey.
Doch bei aller Euphorie gibt es auch warnende Stimmen vor einer Allokation in US-Aktien. „Da sich der Trump-Trade eindeutig eher am Ende als am Anfang befindet und die Untergangsstimmung in Europa wahrscheinlich übertrieben ist, halten wir es für zu spät, US-Aktien gegenüber Europa strategisch überzugewichten“, sagt Benjamin Melman, globaler Investmentchef bei Edmond de Rothschild Asset Management. „Die Daten zur Portfoliopositionierung deuten darauf hin, dass der Trump-Trade in den Portfolios der Anleger bereits weit verbreitet ist und dass die Euphorie an den US-Aktienmärkten bald ein Ende finden dürfte“, so Melman.
Auch Trump könnte an der Inflation scheitern
Aber nicht allein die gestiegenen Bewertungen der vergangenen Monate sollten Investoren vorsichtig werden lassen. Hinzu kommt, dass Trumps erratischer Regierungsstil und seine Wahlkampf-Versprechungen wie Abschiebungen, höhere Zölle und Steuersenkungen für politische und ökonomische Unsicherheit sorgen sowie die Inflation anheizen könnten. Auch wenn Trumps eigentliches Ziel Wirtschaftswachstum ist.
„Die positive Botschaft ist, dass die US-Wirtschaft derzeit auf eine weiche Landung zusteuert – ein Szenario, in dem sich die Konjunktur nur leicht abkühlt und die Inflation wieder in den Zielbereich der Notenbank rückt. Aber das ist ein äußerst fragiles Gleichgewicht“, sagt Carolin Schulze Palstring, Leiterin Strategie und Research bei Metzler Private Banking.
Für die Notenbanken werde es jetzt schwierig, die richtige Richtung einzuschlagen. Erhöht sie die Zinsen zu stark, riskiere sie Arbeitslosigkeit und Rezession. Zu niedrige Zinsen könnten zu einer Überauslastung und damit zu Inflation führen.
Auch das Timing sei entscheidend. Anders als zu Beginn von Trumps erster Präsidentschaft befinde sich die US-Wirtschaft zudem aktuell nahe ihrer Produktionsgrenze. Zusätzliches Wachstum treibe an dieser Kapazitätsgrenze in der Regel auch die Inflation, zum Beispiel durch höhere Kosten aufgrund von Überstunden und mit der Nachfrage steigenden Rohstoffpreisen.
Trump entfacht politische Störfeuer
„Und in dieser Situation kommen nun politische Störfeuer hinzu. Steuersenkungen erhöhen die Nachfrage, Einwanderungsbeschränkungen und Ausweisungen steigern den Lohndruck, und Zölle treiben die Importpreise. Zusätzlich wünscht sich Trump eine schwache Währung und niedrige Zinsen. All diese Faktoren treiben die Inflation“, so Schulze Palstring. Hinzu komme, dass die Staatsschuldenquote während seiner Präsidentschaft deutlich steigen dürfte, ein weiterer Inflationstreiber.
Auch Melman sieht die US-Notenbank in der Zwickmühle: „Die Situation im Jahr 2025 wird sich deutlich von der des Jahres 2018 unterscheiden, und die Fed kann noch nicht behaupten, den Kampf gegen die Inflation gewonnen zu haben. Hin- und hergerissen zwischen dem Risiko, die Spannungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Abschiebung von Immigranten zu verschärfen, und der Ungewissheit über die Zölle, scheint es wahrscheinlich, dass die Normalisierung der Geldpolitik der Fed eher zögerlich erfolgen wird.“
Trotzdem ist die US-Wirtschaft laut Krämer von Lazard kurzfristig der große Gewinner, während Europa als großer Verlierer dasteht. „Für einstige Globalisierungsgewinner wie Deutschland wird die Zusammenarbeit schwieriger. Ein klares Zeichen ist der Eurokurs, der zum US-Dollar seit den Wahlen 2 Prozentpunkte verloren hat“, so Krämer.
Europa wird unter Trump leiden
Diese Meinung stützt auch das 49. Ökonomen-Panel von Ifo-Institut und „FAZ“, an dem im November 180 Volkswirte teilgenommen haben. „Wie wird sich die Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten auf das Wirtschaftswachstum auswirken?“, wurden sie gefragt. Mit Blick auf die USA sind die Ökonomen gespalten: 7 Prozent antworten mit „sehr negativ“, 35 Prozent mit „eher negativ“, dafür aber 38 Prozent mit „eher positiv“ und 5 Prozent mit „sehr positiv“.
Pessimistischer sind die Befragten für Europa und Deutschland. Für Europas Wachstum sehen 11 Prozent der Ökonomen rot, drei Viertel der Volkswirte gehen davon aus, dass sich Trumps Wahlsieg „eher negativ“ auswirken wird. Für Deutschlands Wachstum befürchten sogar ein Fünftel „sehr negative“ und 69 Prozent „eher negative“ Folgen.
Nur 2 Prozent sehen „eher positive“ Auswirkungen auf Europas und Deutschlands Wachstum. Keiner der Ökonomen erwartet „sehr positive“ Folgen.
Trump nimmt in Kauf, auch den USA zu schaden
Trump riskiert Spannungen aber nicht nur mit Europa und China, sondern selbst mit seinen Nachbarn Mexiko und Kanada. Darauf weist der Forschungsdirektor für Handelspolitik am IFW Kiel, Julian Hinz, hin: „Die jüngste Ankündigung Donald Trumps, Zölle gegen Mexiko, Kanada und China zu erheben, zeigt, dass er es mit einem protektionistischen Kurs ernst meint, selbst wenn diese Politik zum Schaden auch der USA ist. Besonders alarmierend ist der Schritt gegen Mexiko und Kanada, den wichtigsten Handelspartnern der USA, mit denen Trump in seiner ersten Amtszeit noch ein Handelsabkommen abgeschlossen hatte.“
Trump hat während seiner ersten Amtszeit schon bewiesen, dass er langfristige Schäden für kurzfristige Gewinne in Kauf nimmt, gerade im Blick auf die Handelspolitik. Eine der größten Gefahren für die Märkte dürfte seine Unberechenbarkeit sein. Das macht es auch für Investoren schwer zu reagieren.
„Märkte werden sich arrangieren“
„Wir versuchen, so weit wie möglich, neutral zu bleiben. Wenn es um makroökonomische Vorhersagen geht, ist der vor uns liegende Weg bestenfalls verschwommen, weshalb wir unser Portfolio nicht auf mögliche Gewinner ausrichten wollen“, sagt stellvertretend für die Branche Andrew Smith, Portfoliomanager bei Columbia Threadneedle. Er konzentriere sich deshalb auf Unternehmen, die fast unabhängig vom makroökonomischen und politischen Umfeld florieren können.
Und auch Krämer von Lazard wagt keine deutliche Prognose, bleibt aber vorsichtig optimistisch: „Wir schauen in den Nebel – niemand weiß, was Trump konkret umsetzen wird und in welchem Tempo. Aber wir sehen viele Anzeichen, dass sich die Märkte gut arrangieren werden.“
So unsicher die Wirtschaftslage auch ist, bleibt auf eine Konstante Verlass: die stabile Nachfrage nach Pommes und Donuts.