Immobilien gelten als „unbewegliche Sachwerte“ – und doch sind sie wie kaum ein anderer Sektor von den tiefgreifenden Transformationen unserer Zeit betroffen. Der demografische Wandel, die Digitalisierung und insbesondere der Klimawandel verändern die Rahmenbedingungen für Investments und den Betrieb grundlegend. In diesem Spannungsfeld reicht es nicht mehr, auf kurzfristige Risiken zu reagieren. Es braucht langfristige Resilienz als strategisches Leitprinzip für zukunftsfähiges Handeln.
Diese Haltung spiegelt sich zunehmend auch auf politischer Ebene wider. So zählt die EU-Kommission die Stärkung wirtschaftlicher Resilienz zu den zentralen Säulen ihrer Wettbewerbsstrategie für Europa. Für Immobilieninvestoren bedeutet das: Wer heute resilient plant, schafft morgen Stabilität – und übermorgen nachhaltige Performance.
Schutz gegen Umweltrisiken ist nicht alles
Der Klimawandel hat direkte Auswirkungen auf Gebäude. Extreme Wetterereignisse verursachen bereits heute Schäden an der Bausubstanz, beeinträchtigen den laufenden Betrieb und erhöhen Versicherungsprämien oder führen sogar zum Verlust des Versicherungsschutzes.
Doch trotz dieser Entwicklungen hat internationalen Studien zufolge bislang weniger als ein Drittel der Unternehmen systematische Vorbereitungen auf physische Klimarisiken getroffen. Die daraus resultierende Kluft zwischen Wissen und Handeln gefährdet nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit – sie lässt auch das Potenzial resilienter Immobilien weitgehend ungenutzt.
Dabei ist Resilienz vielschichtig. Es geht einerseits um den Schutz vor physischen Risiken – wie Hitzewellen oder Starkregen – und andererseits um den Beitrag zur Dekarbonisierung: energieeffiziente Gebäude mit geringem CO2-Fußabdruck, die auch betriebswirtschaftlich überzeugen. Der Markt reagiert darauf zunehmend sensibel: Es zeigt sich eine steigende Zahlungsbereitschaft für nachweislich nachhaltige und klimaresiliente Gebäude.
Resilienz wirkt auf drei Ebenen
Wirkungsvolle und vorausschauende Resilienzstrategien müssen auf drei Ebenen ansetzen:
- Auf Portfolioebene helfen eine gezielte Diversifikation nach Region, Nutzungsart und Mieterstruktur sowie strategische Repositionierungen dabei, Einzelrisiken abzufedern und stabile Erträge zu sichern. Besonders gefragt sind dabei Sektoren mit geringer Konjunkturabhängigkeit, etwa Wohnen, Gesundheitsimmobilien oder Bildungseinrichtungen. Gemäß der „Inrev Investment Intentions Survey 2024“ rücken Value-Add- und opportunistische Strategien vermehrt in den Fokus institutioneller Anleger – mit dem Ziel, durch gezielte Investitionen aktiv Resilienz zu schaffen.
- Auf Objektebene spielt die ESG-Performance eine entscheidende Rolle. Energieeffizienz, CO2-Reduktion und ein intelligenter Gebäudebetrieb gewinnen angesichts steigender Energiepreise und regulatorischer Anforderungen stetig an Bedeutung. Smarte Technologien können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten – etwa durch die Reduktion von Wartungskosten und das Erkennen frühzeitiger klimabedingter Schäden. Solche Maßnahmen erhöhen die Resilienz im Betrieb und die Attraktivität der Objekte im Markt.
- Auf Lage- und Quartiersebene zeigt sich: Resilienz wird immer mehr zum Standortfaktor. Die demografischen Folgen des Klimawandels verändern urbane Räume und schaffen neue Anforderungen an Infrastruktur und Stadtentwicklung. Gebäude und Quartiere, die auf diese Dynamiken vorbereitet sind, werden zum Anziehungspunkt – auch wirtschaftlich.
ESG bleibt – auch wenn es sich verändert
Das Thema ESG wird derzeit durchaus kontrovers diskutiert – nicht zuletzt aufgrund des Rückzugs einzelner großer Finanzhäuser aus globalen Allianzen. Doch die Richtung bleibt klar: Nachhaltigkeit bleibt ein Megatrend.
ESG ist längst mehr als ein regulatorisches Muss. Es ist ein Qualitäts- und Zukunftssiegel für Immobilieninvestments. Eine „intelligente Dekarbonisierung“ durch datenbasierte, skalierbare Lösungen kann dabei nicht nur den ökologischen Fußabdruck minimieren, sondern auch neue Potenziale heben. Smarte Gebäude können langfristig effizienter, kostengünstiger und resilienter betrieben werden.
Fazit: Resilienz ist weit mehr als Widerstandsfähigkeit. Sie ist strategischer Gestaltungswille, schützt Werte – und schafft sie auch. Gerade in einer Zeit, in der Unsicherheiten zunehmen und Transformationsprozesse an Geschwindigkeit gewinnen, ist Resilienz ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wer ihre Mechanismen versteht, kann langfristig besser navigieren und aktiver Zukunft gestalten.
Über die Autorin
Isabella Chacón Troidl ist seit dem 1. Januar 2023 Chief Executive Officer (CEO) und Vorsitzende der Geschäftsführung der BNP Paribas Real Estate Investment Management (REIM) Deutschland sowie Mitglied des Europäischen Executive Boards. 2018 wurde sie als Investmentchefin (Chief Investment Officer) in die Geschäftsführung der BNP Paribas REIM Germany berufen und verantwortete neben dem paneuropäischen Transaktions- und Asset Management auch das Research und die Strategie des Unternehmens. Im Rahmen der strategischen Ausrichtung war sie für die Weiterentwicklung und Integration von ESG-Kriterien verantwortlich.
Darüber hinaus engagiert sich Isabella Chacón Troidl als Vorstand im ICG (Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V.) sowie in weiteren Verbänden und Initiativen wie dem ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.), dem ULI (Urban Land Institute) und dem Zukunftsrat Projektentwicklung der EBZ Business School.