Irrationales Anlegerverhalten, Teil 6 Verluste wirken doppelt so stark wie Gewinne in gleicher Höhe

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Mithilfe der kognitiven Dissonanz und dem menschlichen Bedürfnis nach Dissonanz-Freiheit kann das Auftreten von Verlustaversion erklärt werden. Gewinne werden grundsätzlich vom Entscheidungsträger als positiv und Verluste als negativ empfunden. Führt eine getroffene Entscheidung zu einem Gewinn, also zu einem positiven Ergebnis, so wird der Wunsch nach Dissonanz-Freiheit erfüllt. Bei Verlust kann es allerdings leicht zu kognitiver Dissonanz kommen. Die Rechtfertigung der Verluste gegenüber sich selbst tritt ein und psychologische Kosten entstehen. Es kommt zu einer asymmetrischen Behandlung von Gewinnen und Verlusten, denn die Rechtfertigung und die Kosten entstehen nur im Verlustbereich.

Die Stärke der vorherrschenden Verlustaversion wird entscheidend durch die Höhe des vorliegenden Einsatzes beeinflusst: Mit zunehmender Verpflichtung steigt die Höhe der empfundenen Verlustaversion, da das Gefühl der Verantwortung gegenüber der Entscheidung zunimmt. Es kommt zu einem stärkeren Grad von Verlustaversion.

Weiter beeinflusst die Stärke der Verpflichtung: Je größer diese gegenüber einer Entscheidung ist, desto stärker werden die Wahrscheinlichkeiten für gute Ergebnisse (Gewinne) gewichtet. Handelt es sich allerdings um Zufallsgewinne, so wird diesen weniger Gewicht zugeschrieben als Gewinnen, für die sich der Entscheidungsträger selbst verantwortlich fühlt. Dies wird im Englischen als Pride Effect bezeichnet.

Besitztumeffekt, Status-Quo Bias & Dispositionseffekt

Der Besitztumseffekt, auch häufig Endowment Effect genannt, geht zurück auf Nobelpreisträger Thaler. Er beschreibt den Effekt, wonach Gegenstände, die sich im persönlichen Besitz einer Person befinden, subjektiv an Wert gewinnen. Der persönlich wahrgenommene Schaden, der durch die Aufgabe oder den Verkauf von Dingen, die sich bereits im persönlichen Besitz befinden, wird als größer empfunden als der Nutzen, der durch den Kauf ein und desselben Gegenstands entsteht. Der subjektiv wahrgenommene Wertverlust durch die Aufgabe eines Gegenstands wiegt folglich größer als der Nutzen durch den Erhalt desselben.

Eine Untersuchung von Knetsch und Sinden macht den Besitztumseffekt deutlich. Die Probanden werden in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhält ein Lotterielos im Wert von zwei US-Dollar. Im späteren Verlauf wird ihnen die Möglichkeit angeboten, das Los gegen zwei US-Dollar Bargeld zu tauschen. Den Teilnehmern von Gruppe 2 wird im Gegenzug direkt zwei US-Dollar Bargeld gegeben, mit der späteren Möglichkeit, diese in ein Lotterielos zu wandeln.

Aus den Ergebnissen zeigt sich, dass nur wenige Teilnehmer an einem Tauschgeschäft interessiert sind. Insbesondere die Mitglieder von Gruppe 1, die Besitzer des Loses, wollte dieses nicht gegen zwei US-Dollar abgegeben. Sie waren nur gegen Zahlung eines höheren Preises bereit, das Los gegen Bargeld zu tauschen. Dem Los wird folglich ein höherer Wert beigemessen, wenn es sich im eigenen Besitz befindet, als wenn dies nicht der Fall ist. Der negative Nutzen durch das Weggeben des Loses wird als gewichtiger empfunden als der Nutzen, der durch den Kauf des Gegenstands entsteht.