Irrationales Anlegerverhalten, Teil 6 Verluste wirken doppelt so stark wie Gewinne in gleicher Höhe

Dr. Christian Kurz verantwortet als Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital die Anlagestrategie des Zürcher Unternehmens.

Dr. Christian Kurz verantwortet als Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital die Anlagestrategie des Zürcher Unternehmens. Foto: Strongbox Capital

Im abschließenden Teil der Kolumnen-Serie zum irrationalen Anlegerverhalten – Heuristiken und Verzerrungen, die Menschen beim Beurteilen von neuen Informationen anwenden – geht es um die Phänomene Verlustaversion, den Besitztumseffekt, den Status-Quo-Bias und den Dispositionseffekt.

Verlustaversion

Das menschliche Vorgehen, auf Verluste sensibler zu reagieren als auf Gewinne, wird als Verlustaversion bezeichnet. So ist empirisch zu beobachten, dass Verluste gegenüber Gewinnen gleicher Höhe stärker gewichtet werden. Erfolgt der Vergleich kleiner Gewinne mit kleinen Verlusten, so lässt sich feststellen, dass den Verlusten ein doppelt so hoher Wert beigemessen wird.

Verdeutlichen lässt sich dies an einem von Kahneman und Tversky durchgeführten Experiment. Die Teilnehmer des Experiments müssen zwei unterschiedliche Problemsituationen nacheinander lösen. Sie können hierzu jeweils aus zwei Antwortoptionen wählen.

Erste Entscheidungssituation: Die Probanden erhalten 1.000 US-Dollar vor Beginn des Experiments und müssen sich anschließend für Option A oder B entscheiden:

  • Option A: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent gewinnt der Teilnehmer 1.000 US-Dollar. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent wird nichts gewonnen
  • Option B: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent erhält der Proband 500 US-Dollar

Zweite Entscheidungssituation: Die Probanden erhalten 2.000 US-Dollar vor Beginn des Experiments und müssen sich anschließend für Option C oder D entscheiden

  • Option C: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent erleidet der Teilnehmer einen Verlust von 1.000 US-Dollar. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent wird nichts verloren.
  • Option D: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent erleidet der Teilnehmer einen sicheren Verlust von 500 US-Dollar.

Im Fall der ersten Situation hat sich die Mehrheit der Probanden für Option B entschieden, den sicheren Gewinn von 500 US-Dollar. Bei der zweiten Situation hat die Mehrheit für die Option C gewählt. Hier wurde also die Option abgelehnt, einen sicheren Verlust von 500 US-Dollar zu erleiden, und stattdessen ein möglicher höherer unsicherer Verlust bevorzugt.

Werden die unterschiedlichen Optionen miteinander verglichen, so lässt sich feststellen, dass die Optionen A und C sowie die Optionen B und D in ihren Ergebnissen jeweils identisch sind. Dennoch haben sich die Probanden bei der Beantwortung der Problemstellung bei Gewinnen anders verhalten als bei der Beurteilung der Situation mit einem möglichen Verlust. Bei positiven Erwartungen (Gewinnen) ist ein risikoaverses Verhalten zu beobachten. Sichere kleine Gewinne werden unsicheren größeren Gewinnen vorgezogen. Im Gegensatz hierzu verhalten sich die Teilnehmer des Experiments bei negativen Erwartungen (Verlusten) risikosuchend. Ein kleiner sicherer Verlust wird abgelehnt. Stattdessen wird die Option bevorzugt, einen unsicheren größeren Verlust einhergehend mit der Möglichkeit gar keinen Verlust zu erleiden.