Irrationales Anlegerverhalten, Teil 5 Übermäßiges Selbstvertrauen verzerrt das Urteilsvermögen

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Overconfidence Bias

Der Overconfidence Bias, oder auch übermäßiges Selbstvertrauen, beschreibt die Tatsache, wonach Entscheidungsträger ihre eigenen Fähigkeiten systematisch überschätzen und übermäßig selbstbewusst sind. Dadurch wird die Erwartungsbildung und das Urteilsvermögen des Entscheiders beeinflusst und verzerrt. Entscheider überschätzen den eigenen Kenntnisstand sowie die Fähigkeit, Entscheidungen eigenständig und richtig zu fällen. Es existiert letztlich ein übermäßiges Vertrauen in die eigenen kognitiven Fähigkeiten.

Die Genauigkeit der getroffenen Entscheidung wird häufig zu hoch eingeschätzt, als dies durch eine rationale und objektive Sichtweise der Fall wäre, wodurch die Erwartungen falsch kalibriert werden und es letztlich zu Verzerrungen in der Entscheidungsbildung kommt. Weiter wird die Gefahr des Verlustrisikos oder die Dauer von Trendphasen insbesondere an den Finanzmärkten regelmäßig infolge von Overconfidence unterschätzt und somit falsch beurteilt.

Wie stark ausgeprägt der Overconfidence Bias jeweils ist, hängt hierbei von mehreren Faktoren ab. So hängt das Auftreten des Phänomens von der Komplexität der zu lösenden Aufgabe ab. Je komplexer eine Situation ist, desto eher kommt es zum Auftreten von Overconfidence, bei einfachen Aufgaben hingegen zu einer Art Underconfidence. Zudem kann das Geschlecht einen Einfluss auf die Ausprägung von Overconfidence haben. So scheinen Männer sich insbesondere bei maskulinen Themen überkonfident zu verhalten.

Erklärt werden kann der Overconfidence Bias mit einer Vielzahl anderer Verzerrungen und Heuristiken, die wohl mehr oder weniger gemeinsamen wirken, wobei Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Erklärungsansätzen und Effekten bestehen. Mögliche Erklärungsansätze zum Auftreten von Overconfidence liefern hierbei die Repräsentativitätsheuristik, die Verankerungs- und Verfügbarkeitsheuristik sowie der Confirmation Bias, der Hindsight Bias, die Kontrollillusion und das Streben nach Dissonanz-Freiheit. Die Summe der unterschiedlichen Ansätze fungiert als mögliche Erklärung für Overconfidence und hat Einfluss auf das Zustandekommen sowie auf die jeweilige Ausprägungsstärke.

In diversen empirischen Untersuchen konnte die Existenz des Overconfidence Bias nachgewiesen werden. Dabei gilt, dass die Existenz des Overconfidence Bias nicht nur auf Laien begrenzt ist. Gerade bei Spezialisten ist der Overconfidence Bias besonders stark ausgeprägt.

 

Teil 1: Das Einmaleins der Behavioral Finance
Teil 2: Wie persönliche Faktoren unsere Entscheidungen beeinflussen
Teil 3: Welche Effekte unsere Wahrnehmung beeinflussen
Teil 4: Mentale Buchführung und ihre Folgen für die Asset Allocation

Über den Autor:
Dr. Christian Kurz ist Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital mit Sitz in Zürich und verantwortet die Anlagestrategie. Er promovierte an der Technischen Universität Ilmenau in Finanzwissenschaften und verfügt über zehn Jahre Berufserfahrung im Asset-Management-Umfeld. Des Weiteren ist Kurz als Dozent für die Fächer Portfoliomanagement und Alternative Investments tätig.

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