Irrationales Anlegerverhalten, Teil 5 Übermäßiges Selbstvertrauen verzerrt das Urteilsvermögen

Dr. Christian Kurz verantwortet als Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital die Anlagestrategie des Zürcher Unternehmens.

Dr. Christian Kurz verantwortet als Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital die Anlagestrategie des Zürcher Unternehmens. Foto: Strongbox Capital

Die Repräsentativitätsheuristik ist, wie auch die Verfügbarkeitsheuristik – siehe Teil 4 – und die Verankerungsheuristik, primär auf Kahneman und Tversky zurückzuführen. Darunter wird die menschliche Neigung verstanden, zu schnell in gewissen wiederkehrenden Schemata zu denken und etwas als wahr zu interpretieren, nur weil es dem Entscheider als plausibel erscheint. Hierdurch wird das Wesen der Grundgesamtheit systematisch ignoriert oder unterschätzt. Zugleich wird die Annahme getroffen, dass die Stichprobe die Grundgesamtheit angemessen repräsentiert, was häufig ein Trugschluss ist. Folglich kommt es zu einer systematischen Verzerrung beim Beurteilen von Wahrscheinlichkeiten.

Repräsentativ beschreibt hierbei die Beziehung zwischen einem Objekt und einer Objektklasse. Wie repräsentativ ein Objekt für eine Objektklasse wahrgenommen wird, wird dabei durch die Ähnlichkeit des Objekts mit typischen oder ähnlichen Vertretern der Objektklasse bestimmt. Hohe Repräsentative ist dann gegeben, wenn die Beobachtung gut in das dem Entscheider bekannte gedankliche Schema passt. Eine niedrige Repräsentativität liegt dann vor, wenn kein gedankliches Schema aktiviert oder gefunden werden kann.

Ein Beispiel von Kahneman und Tversky unterstreicht die Anwendung der Repräsentativitätsheuristik sehr gut. In einem Experiment wurden Probanden gebeten, ihnen vorgestellte Personen den Berufsgruppen Jurist oder Ingenieur zuzuordnen. Den Teilnehmern war bekannt, dass die Stichprobe in Summe aus insgesamt 70 Juristen und 30 Ingenieuren besteht. Jede zufällig ausgewählte Person wurde mit einer aussagekräftigen Beschreibung vorgestellt, die entweder dem Stereotyp des Juristen oder dem eines Ingenieurs entsprochen hat. Anschließend mussten die Probanden die beschriebene Person einer der beiden Berufsgruppe zuordnen.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Probanden bei der Beurteilung und der Zuteilung zu einer der beiden Berufsgruppen jeweils zu stark von den beschriebenen Stereotypen lenken lassen und so ihr Urteil fällen. Die Grundgesamtheit wird hierbei ignoriert und ausgeblendet. Die Beurteilung erfolgt anhand aussagekräftiger Beschreibungen. Die Probanden halten es in der Folge für wahrscheinlicher, dass die vorgestellte Person dem Berufsbild des Ingenieurs entspricht, wenn dieser mit den Attributen eines Ingenieurs beschrieben worden ist. Hierbei vernachlässigten die Teilnehmer des Experiments die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der vorgestellten Person auch um einen Juristen handeln kann – insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Gesamtheit der vorgestellten Persönlichkeiten mehr Juristen (70 Prozent) als Ingenieure (nur 30 Prozent) vorhanden sind.

Weiter zeigt sich, dass Spieler im Kasino dazu neigen, beim Roulette nach wiederholtem Auftreten ein und derselben Farbe, etwa zehnmal schwarz, im darauffolgenden Spiel die Wahrscheinlichkeit für eine rote Zahl höher gewichten als für eine schwarze. Es ist zu beobachten, dass die Spieler verstärkt auf eine rote Zahl wetten. Das Gleiche erfolgt im umkehrten Fall. Hierbei wird deutlich, dass Menschen entgegen der Wahrscheinlichkeitstheorie agieren.

Unter der Annahme, dass das Spiel unter fairen Bedingungen stattfindet, beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine rote oder eine schwarze Zahl nämlich jeweils 50/50, unabhängig vom vorhergehenden Verlauf. Die Kugel hat kein Gedächtnis. Diese Verzerrung der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung wird als Gamblers fallacy bezeichnet.

Letztlich geht es hierbei um das menschliche Verhalten, dass beim Wissen über die langfristige Wahrscheinlichkeitsverteilung – in diesem Fall 50/50 – kurzen Sequenzen meist ein zu hohes Gewicht eingeräumt wird. Es werden somit Ereignisse bevorzugt, die die langfristige Wahrscheinlichkeitsdistribution wiederherstellen, wodurch es zu entsprechenden Verzerrungen in der Informationsverarbeitung kommt.