Irrationales Anlegerverhalten, Teil 3 Welche Effekte unsere Wahrnehmung beeinflussen

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Neben dem Primat-Effekt unterliegen Menschen auch noch dem sogenannten Priming-Effekt. Dieser besagt, dass später wahrgenommen Informationen von den zuerst genannten Informationen beeinflusst werden. Zumindest solange, wie diese im gleichen Kontext stehen. Das kann durch das oben genannte Beispiel verdeutlicht werden.

Zwei unabhängigen Gruppen wurden unterschiedliche Eigenschaftswörter vorgetragen, die sie sich merken sollten. Während Gruppe A die positiven Adjektive unternehmungslustig, selbstsicher, selbstständig und beharrlich vorgetragen wurden, hörte Gruppe B hingegen die negativen Adjektive leichtsinnig, eingebildet, eigenbrötlerisch und stur. Anschließend mussten beide Gruppen unabhängig voneinander eine hypothetische Person beurteilen, die Fallschirmspringen betreibt und von seinen oder ihren Stärken überzeugt ist. Während Gruppe A das Hobby Fallschirmspringen im direkten Vergleich überproportional häufig als unternehmungslustig klassifizierte, beurteilte Gruppe B dies eher als leichtsinnig.

Ähnliches wurde für die Charaktereigenschaft, von seinen oder ihren Stärken überzeugt zu sein, beobachtet. Während Gruppe B dies als eingebildet einstufte, beschrieb Gruppe A es als selbstsicher. Dieses Experiment zeigt deutlich, dass die jeweils zuerst verfügbaren Informationen die später wahrgenommen Informationen stark überlagern.

Der Kontexteffekt, der den Primat- und den Priming-Effekt beschreibt, beeinflusst uns demnach in unserer Informationsverarbeitung. Während er uns dabei hilft, die Komplexität unserer Umgebung zu bewältigen, hält er uns vor allem auch davon ab, Informationen rational zu verarbeiten.

Selektive Wahrnehmung

Unter der selektiven Wahrnehmung ist das Phänomen zu verstehen, wonach Entscheidungsträger nicht sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen im Entscheidungsprozess beachten und berücksichtigen. Stattdessen werden Informationen lediglich partiell (selektiv) wahrgenommen. 

Welche Informationen jeweils Berücksichtigung finden, hängt hierbei insbesondere von den jeweiligen persönlichen Vorstellungen, vorgefertigten Meinungen, Bedürfnissen und Erwartungen ab. Verfügen wir über stark ausgeprägte Erwartungen, so wird eine besonders hohe Anzahl von neuen Informationen benötigt, um die bereits bestehenden Erwartungen zu ändern oder sogar zu widerlegen. In einer Welt voll inhomogener Erwartungen und Bedürfnisse führt dies letztlich dazu, dass trotz gleicher Informationsgrundlage gleiche Informationen von verschiedenen Personen jeweils unterschiedlich wahrgenommen werden.

Sind die vorherrschenden Informationen im Einklang mit den individuellen Erwartungen und den existierenden Meinungen, so werden diese eher wahrgenommen, als dies für widersprüchliche Informationen der Fall ist. Bei ungenügender Informationslage werden vom Entscheider häufig selbstständig Informationen hinzugenommen, um ein schlüssiges Gesamtbild zu ermitteln. Weicht eine Information allerdings zu stark vom existierenden Meinungsbild ab, so wird diese ignoriert, verdrängt oder gar nicht erst wahrgenommen. 

Nach einer getroffenen Entscheidung neigen Menschen dazu nur jene Informationen (meist unbewusst) wahrzunehmen, die im Einklang mit der getroffenen Entscheidung stehen beziehungsweise die getroffene Entscheidung bestätigen. Hierbei wird vom Confirmation Bias gesprochen. Menschen sind grundsätzlich gewillt, richtige Entscheidungen zu treffen. Entpuppt sich eine getroffene Entscheidung allerdings als Misserfolg, so versucht der Mensch, die getroffene Entscheidung mithilfe neuer Informationen zu rechtfertigen.

Erklären lässt sich dieses Phänomen beispielsweise anhand eines Aktieninvestments. Nach dem getätigten Kauf einer bestimmten Aktie wird in der Folge aktiv nach Informationen gesucht, die die getroffene Entscheidung bestätigen. Meldungen oder Berichterstattungen, die ein konträres Bild zeichnen, werden bewusst ignoriert und ausgeblendet. All dies passiert, um die getroffene Entscheidung zu bestätigen.