Verlangen nach hohem Selbstwert
Kommen wir zum dritten Beispiel: Menschen streben grundsätzlich nach positiven emotionalen Zuständen. Das Erleben von geringem Selbstwert wird als emotional negativ betrachtet und vermieden. Menschen besitzen in der Folge das Verlangen, ihren Selbstwert zu steigern. Unter Selbstwert ist das Ausmaß zu verstehen, mit dem wir uns selbst als gut, anständig oder kompetent betrachten können. Ein Beispiel aus dem Alltag: Gerne setzen wir uns niedrigere Ziele, um von vorne herein sicherzustellen, dass wir diese erreichen und so unser Selbstwert erhalten bleibt.
Dies ist von besonderer Relevanz, wenn es um die Zuordnung von Ursachen für Ergebnisse geht. Das Verlangen unseren Selbstwert zu steigern sorgt dafür, dass Menschen unbewusst und systematisch ihre Wahrnehmung verzerren, ganz unabhängig von den kognitiven Beschränkungen des Gehirns.
Unsere Handlungen können aus verschiedenen Gründen zu positiven oder zu negativen Ergebnissen führen. So können gute Ergebnisse eine Folge von Können oder aber auch von Glück sein. Schlechte Resultate hingegen können entweder durch die persönliche Unfähigkeit oder Pech verursacht werden. Bedingt durch unser Verlangen nach erhöhtem Selbstwert, kann es bei der Ursachenzuteilung von persönlichen Ergebnissen zu systematischen Verzerrungen kommen. Gerne urteilen wir so, dass der eigene Selbstwert möglichst hoch ist.
So machen wir viel lieber unser eigenes Können für gute Ergebnisse verantwortlich als pures Glück. Bei negativen Ergebnissen machen wir lieber das Pech als die eigene Unfähigkeit verantwortlich. Wir sind also getrieben von unserem eigenen Selbstwert. Wie wäre es also, wenn wir wichtige Entscheidungen wie zum Beispiel Anlageentscheidungen rationalen und regelbasierten Modellen überlassen, die nicht getrieben nach einem möglichst hohen Selbstwert sind?
Teil 1: Das Einmaleins der Behavioral Finance
Über den Autor:
Dr. Christian Kurz ist Managing Partner und Investmentchef von Strongbox Capital mit Sitz in Zürich und verantwortet die Anlagestrategie. Er promovierte an der Technischen Universität Ilmenau in Finanzwissenschaften und verfügt über zehn Jahre Berufserfahrung im Asset-Management-Umfeld. Des Weiteren ist Kurz als Dozent für die Fächer Portfoliomanagement und Alternative Investments tätig.