Investmentsteuerreform, Teil 3 Auf Cum-Ex folgt Cum-Cum

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Der Anleger A erzielt Einnahmen in Höhe von 96 Euro (erhaltener Veräußerungspreis 1.000 Euro - gezahlter Kaufpreis 904 Euro), die nicht mit deutscher Quellensteuern belastet sind und zudem auch nicht im Rahmen einer eventuellen Veranlagung dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen. Denn die von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen weisen das Besteuerungsrecht von Veräußerungsgewinnen regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Veräußernden zu.

Die neue Regelung in der Fassung des Regierungsentwurfs

Um die kurzfristigen An- und Verkäufe um den Dividendenstichtag und den daraus resultierenden Entzug des deutschen Besteuerungssubstrats zukünftig zu verhindern, sieht der Regierungsentwurf Mindesthaltefristen vor, bei deren Unterschreiten die Anrechnung der Kapitalertragsteuer beim deutschen Anleger (das heißt dem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger) ausgeschlossen sein soll.

Die Mindesthaltefrist ist nur dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige in einem Zeitraum von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach Fälligkeit der Kapitalerträge (insgesamt 91 Tage) mindestens 45 Tage wirtschaftlicher und zivilrechtlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine war.

Soweit kein Steuerabzug vorgenommen wurde oder selbiger bereits erstattet worden ist und der Steuerpflichtige die Mindesthaltedauer nicht einhält, hat der Steuerpflichtige dies beim Finanzamt zu melden, woraus eine entsprechende Zahlungsverpflichtung gegenüber den Finanzbehörden resultiert. Mit der Nachzahlungsverpflichtung möchte der Gesetzgeber insbesondere Investmentfonds erfassen, die Dividenden aufgrund einer Nichtveranlagungsbescheinigung grundsätzlich ohne Steuerabzug erhalten.

Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass die Fonds deshalb gezielt als Instrument für Steuergestaltungen zur Umgehung einer Dividendenbesteuerung eingesetzt werden.

Die neue geplante Regelung setzt für eine Steueranrechnung außerdem voraus, dass der Steuerpflichtige ein Wertverlustrisiko in Höhe von mindestens 30 Prozent bemessen am gemeinen Wert der Aktie trägt. Der Gesetzgeber möchte damit vermeiden, dass aufgrund von Optionen oder Future-Kontrakten das wirtschaftliche Wertrisiko von einem anderen als dem Inhaber der Wertpapiere selbst getragen wird.

Selbiges soll auch für Wertpapierleihgeschäfte gelten, bei denen das wirtschaftliche Risiko letztlich beim Verleiher der Aktien verbleibt. Die Tage, an denen die Höhe des Wertverlustrisikos von mindestens 30 Prozent während der Haltefrist unterschritten wird, bleiben bei der Berechnung der Mindesthaltedauer unberücksichtigt.

Die Beschränkung der Steueranrechnung soll unter anderem dann keine Anwendung finden, wenn die Gesamtsumme der Kapitalerträge des Steuerpflichtigen 20.000 Euro in einem Jahr nicht überschreitet. Damit sollen Kleinanleger von dem Nachweis der Mindesthaltedauer entlastet werden. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird zudem angeführt, dass andernfalls der administrative und finanzielle Aufwand für die Vermeidung von Steuergestaltungen überschritten werde.

Erstmalige Anwendung und die Reaktionen auf die Gesetzesänderung

Die geplante Verschärfung hinsichtlich der Steueranrechnung beziehungsweise -erstattung soll bereits rückwirkend zum 01. Januar 2016 gelten. Die rückwirkende Ausgestaltung von Gesetzesänderungen zu Lasten des Steuerpflichtigen ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten allerdings nur sehr eingeschränkt möglich, so dass abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber an der rückwirkenden Einführung festhalten wird.

Die Gesetzesänderung wird insgesamt eher kritisch als wohlwollend betrachtet. Denn es ist durchaus diskussionswürdig, ob Cum-Cum-Geschäfte überhaupt dem Missbrauchsverdacht unterliegen. Der deutsche Gesetzgeber regelte den Kapitalertragsteuereinbehalt bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen gegenüber Steuerausländern aufgrund der abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen bislang bewusst unterschiedlich.

Auch ist es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes durchaus legitim eine gesetzlich mögliche Gestaltung zu wählen, die für den Steuerpflichtigen die geringste steuerliche Belastung nach sich zieht. Da der Gesetzgeber die Ausübung dieses Wahlrechts durch den Steuerausländer nicht in seinem Sinne beeinflussen kann, verlegt er sich nunmehr auf den „mitwirkenden“ Steuerinländer, schießt dabei aber über das Ziel hinaus.

Denn er bestraft mit der geplanten Neuregelung schlussendlich Steuerinländer, indem er diesen ebenfalls in bestimmten Fällen die Anrechnung von Kapitalertragsteuer untersagt. Diese Verschärfung der Steueranrechnung greift vom Wortlaut her künftig auch in reinen Inlandsfällen, also auch dann, wenn gar kein Kapitalertragsteuer-Arbitrage-Geschäft vorliegt, sondern eines der vielfältigen und auch von der Finanzverwaltung nicht weiter zu beanstandenden Refinanzierungs- oder Absicherungsgeschäften mit Aktien und Wertpapierleihen.

Den ersten Teil „Bundeskabinett verabschiedet Reform des Investmentsteuergesetzes“ finden Sie hier.

Den zweiten Teil „Was sich bei Spezial-Investmentfonds ändert“ finden Sie hier.


Über die Autorinnen:
Dr. Claudia Klümpen-Neusel, Rechtsanwältin und Steuerberaterin, und Juliette Gill, Rechtsanwältin, sind im Bereich Private Finance bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton tätig. Sie betreuen überwiegend Privatpersonen, Unternehmer und Sportler in wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen.

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