Investmentchef der Schwyzer Kantonalbank Ist Deutschland zu erfolgreich?

Wünscht sich Reformen wie die der Agenda 2010 auch von Frankreich: Thomas Heller von der Schwyzer Kantonalbank

Wünscht sich Reformen wie die der Agenda 2010 auch von Frankreich: Thomas Heller von der Schwyzer Kantonalbank

Deutschland weist für 2016 einen Leistungsbilanzüberschuss von 8,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Das ist enorm viel und bedeutet, dass Deutschland aus Exporten deutlich mehr einnimmt, als es für Importe ausgibt. Und es ist ein Zeichen wirtschaftlicher Stärke.

Es ruft aber auch Kritiker auf den Plan. Sie monieren, ein Leistungsbilanzüberschuss dieses Ausmaßes bedeute, dass Deutschland seine überschüssigen Ersparnisse im Ausland ablade, weil die Inlandnachfrage zu gering ist. Das heißt, Deutschland investiert und konsumiert zu wenig beziehungsweise spart zu viel.

Allerdings verfügt Deutschland nicht über eine eigene Persönlichkeit. Konsum-, Spar- und Investitionsentscheide werden von einzelnen unabhängigen privaten und juristischen Personen gefällt. Das regelt der Markt, das kann man nicht erzwingen. Bleibt also der Staat, der selber (zum Beispiel mittels Infrastrukturinvestitionen) oder indirekt via (steuerliche) Anreize das gewünschte „nationale Verhalten“ herbeiführen kann. Mit Folgen für Budgetdefizit und Verschuldung.

Man mag über die von der deutschen Regierung angestrebte „schwarze Null“ im Staatshaushalt diskutieren. Aber der Nachweis, dass Länder mit einem größeren Haushaltsdefizit und/oder einer höheren Verschuldung erfolgreicher abschneiden, ist bislang nicht erbracht worden. Länder mit einem (großen) Leistungsbilanzdefizit sparen im Umkehrschluss zu wenig beziehungsweise konsumieren und investieren zu viel – leben also über ihre Verhältnisse.

Nach der Jahrtausendwende – nach 10 Jahren mit einem Leistungsbilanzdefizit – galt Deutschland als der „kranke Mann Europas“. Auf dem Weg zurück profitierte Deutschland natürlich vom Euro. Die D-Mark hätte sich bei einer solchen Entwicklung der Leistungsbilanz deutlich aufgewertet.

Dieser Ausgleichsmechanismus ist mit der Einheitswährung weggefallen. Deutschland den schwachen Euro anzulasten, gilt allerdings nicht. Weder Finanzminister Schäuble noch Bundesbankpräsident Weidmann stehen im Verdacht, die ultraexpansive und Euro-schwächende Geldpolitik der EZB zu befürworten.

Deutschland hat auch selber Anstrengungen unternommen und sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen. Reformen, wie sie Deutschland unter anderem mit der „Agenda 2010“ ab 2003 umgesetzt hat, würde man sich etwa von Frankreich wünschen. Deutschland seine wirtschaftliche Stärke anzulasten, schießt am Ziel vorbei. Es ist, wie wenn man Roger Federer bitten würde, die anderen auch mal gewinnen zu lassen.



Über den Autor:
Thomas Heller ist Leiter Research und Investmentchef der Schwyzer Kantonalbank.

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