Investitionsangst Warum erholt sich die Welt nicht von der Finanzkrise?

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Fragwürdige Patentrezepte

Die meisten Ökonomen erscheinen etwas ratlos, wenn sie danach gefragt werden, wie denn nun die allgemeine Investitionsschwäche zu bekämpfen sei. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die zwei üblicherweise aus der Mainstream-Wirtschaftswissenschaft abgeleiteten Lösungsvorschläge derzeit alles andere als unproblematisch sind:
  1. Soll die Geldpolitik noch lockerer werden, um über niedrige Zinsen die Investitionen anzukurbeln?

  2. Oder befinden wir uns in einer Situation der Unterkonsumption, in welcher der Wirtschaftskreislauf durch mehr Staatsausgaben – wie zum Beispiel mit Investitionsprogrammen – wieder angekurbelt werden muss?
Beide Vorschläge haben einen fragwürdigen Nutzen und negative Nebenwirkungen. Denn reine Geldpolitik kann nur die Zinsen, aber nicht das grundsätzliche Vertrauen in die Zukunft beeinflussen. Solange dies nicht wieder da ist, werden höchstens Ersatzinvestitionen vorgenommen, egal wie günstig der Zins ist.

Zudem würden kreditfinanzierte Investitionen die Schuldenspirale wieder ankurbeln, die uns erst in die Finanzkrise geführt hat. Genau das gleiche gilt für staatliche Ausgabenprogramme, die durch Kreditaufnahme finanziert würden. Die Knackpunkte, warum weder leichte Geldpolitik noch schuldenfinanzierte Staatsausgaben so richtig vertrauenserweckend sind, liegen im Wesentlichen in zwei Punkten begründet:
  • Sie lösen nicht das allgemeine Problem politischer Unsicherheit, was sich durch immer kompliziertere Regulierungen und steigende geopolitische Konflikte ergibt.

  • Beide zielen letztlich darauf ab, die Wirtschaft durch eine Erhöhung der Verschuldung anzukurbeln, sie es indirekt im privaten Sektor wie bei der Geldpolitik oder direkt im Staatsbereich wie bei Ausgabeprogrammen. Nach einer Finanzkrise durch zu hohe Schulden sollte aber ein Abbau der Gesamtverschuldung oberste Priorität sein, nicht eine erneute Aufblähung.
Bedauerlicherweise hat auch der vor ein paar Tagen zu Ende gegangene G20-Gipfel wenig Hoffnung gemacht. Zwar wurde vollmundig eine deutliche Ankurbelung des globalen Wachstums versprochen und eine Reihe von neuen Ideen hierzu präsentiert. Bei näherer Betrachtung stellen sich die brillanten Neuvorschläge jedoch als recht einseitig heraus. So soll jetzt verstärkt das Verstecken von Gewinnen in Steuerparadiesen bekämpft werden. Weiterhin sollen sich jetzt private Anleger verstärkt an öffentlichen Infrastrukturinvestitionen beteiligen dürfen.

Mit dem Titel „Planwirtschaft trifft Größenwahn“ beschrieb Spiegel Online recht zutreffend diesen Politikansatz. Denn die angebliche Wachstumsförderung ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel. So notwendig einige der angestrebten Maßnahmen auch sein mögen, primär geht es darum, private Gelder zur Stopfung von Haushaltslöchern umzuleiten. Konsequenz ist damit nicht die Förderung privater Investitionen, sondern ihre Substitution durch staatliche Programme.

Das Offensichtliche wird ignoriert

Auf die relativ offensichtliche Idee, dass man das Klima für private Investitionen verbessern könnte, indem man Regulierungen vereinfacht und die Eigenkapitalbildung steuerlich begünstigt, scheinen derzeit weder Ökonomen oder Spitzenpolitiker zu kommen.

Während bei Ökonomen diese Einfallslosigkeit relativ erstaunlich ist, hat sie in der Politik damit zu tun, dass solche Maßnahmen nicht nur die Steuereinnahmen vermindern würden, sondern ebenfalls viele Wählerstimmen kosten könnten. Denn die aktuelle Diskussion um eine wachsende soziale Ungleichheit in den westlichen Gesellschaften hat die fatale Konsequenz gehabt, dass das alte Feindbild vom bösen Kapitalisten in Form der Figur des Superreichen wiederbelebt wurde. Maßnahmen zur Förderung der Kapitalbildung werden allgemein abgelehnt, weil sie ja die verhassten Superreichen begünstigen könnten.

Dies ist extrem kurzsichtig. Denn:
  1. mit zunehmender Eigenkapitalbasis steigt auch wieder die Fähigkeit zur Verschuldung, was die Wirksamkeit der traditionellen Geldpolitik wieder verbessern könnte.

  2. der sozialen Ungleichheit könnte man zum Beispiel durch Förderung der Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand entgegen wirken (warum sind eigentlich Mitarbeiteraktien so aus der Mode?).

  3. man könnte gezielt Start-ups oder den Mittelstand fördern, die in der Regel mit ihren Investitionen besonders viel Wachstum und Arbeitsplätze schaffen sowie die Gewinne hinterher nicht in Steuerparadiese verschieben.

  4. selbst wenn ein Superreicher durch die von seinen Investitionen geschaffene Wertschöpfung überproportional profitiert, so ist dies für die Gesamtwirtschaft immer noch besser, als wenn er überhaupt nichts macht. Vor allem in Asien nimmt man daher wachsende soziale Ungleichheit gerne in Kauf, solange im Ergebnis die Wirtschaft an sich vorankommt. Dies ist einer der Gründe für die anhaltende wirtschaftliche Dynamik in dieser Region.