Interviews zu Gehältern, Jobprofilen, Teamwechseln Headhunter analysieren den Personalmarkt im Private Wealth Management
Die Zusammenfassung und die Gehaltstabellen zu Fixgehältern und Boni finden Sie hier.
Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit um die Private-Wealth-Branche in Deutschland?
Thomas Vogl: Das private Geldvermögen ist gestiegen, das Investoreninteresse an deutschen Bank- und Wertpapierinstituten ist unverändert hoch und einige Marktteilnehmer haben erheblich vom hohen Zinsniveau profitiert. Insgesamt würde ich daher unverändert die Aussage treffen, dass es der Branche weiterhin sehr gut geht. Allerdings zeigt sich immer mehr eine Abschwächung der Wechselbereitschaft von erfahrenen Kundenberatern und -beraterinnen und versierten Fachleuten, sodass die Personalgewinnung weiter an Bedeutung, die bereits sehr hoch ist, gewinnen wird. Ein signifikantes Wachstum aus eigener Kraft, selbst durch deutlich überdurchschnittliche Gehälter, die wechselwilligen Beraterinnen und Beratern bezahlt werden, lässt sich von keinem Marktteilnehmer erzielen.
Inwiefern macht sich die Zinswende in der Branche bemerkbar?
Vogl: Die Aussicht auf eine weitgehend risikolose Rendite hat normalerweise Auswirkungen auf das Anlageverhalten von privaten und professionellen Investoren. Da aber tatsächlich enorme liquide Finanzmittel im In- und Ausland für Investitionen vorhanden sind, nehme ich persönlich keine spürbaren Auswirkungen wahr, außer den positiven Effekten, die das hohe Zinsniveau für die Geschäftszahlen einzelner Marktteilnehmer haben. Möglicherweise wird dadurch die Situation von einzelnen Unternehmen vom Markt und den eigenen Mitarbeitern positiver wahrgenommen als sie tatsächlich ist.
Welche akuten und welche langfristigen Auswirkungen hat die wirtschaftliche Stagnation/Rezession derzeit auf den Personalmarkt?
Vogl: Noch sind keine spürbaren Auswirkungen festzustellen, denn im Private Wealth Management gibt es bisher keine Stagnation oder Rezession, aber dafür machen sich immer mehr der demografische Wandel und insbesondere die abnehmende Wechselbereitschaft der jungen Babyboomer bemerkbar, die kein unkalkulierbares Wechselrisiko einzugehen wollen. Veränderungen führen immer zu Verunsicherung und das hat unmittelbar Einfluss auf den Bewerbermarkt, denn viele Bankmitarbeiter, Beratungsfachkräfte und Investmentexperten warten lieber ab, vielleicht aus Sorge oder in der Hoffnung auf Verbesserungen und wegen der Aussicht auf eine Abfindung, die möglicherweise erheblich ausfallen dürfte. Eine allgemein negativ empfundene Stimmung und Zukunftsängste, aber auch eine gewisse Saturierung und Abgeklärtheit von Bankmitarbeitern führen in Summe zu einer reduzierten Bewerberbewegung, obwohl es der Private-Wealth-Branche insgesamt hervorragend geht.
Jobprofil: Welche Fähigkeiten sollten Bewerber mitbringen und wie haben sich die Anforderungen im Vergleich zu den Vorjahren verändert?
Vogl: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, aber offensichtlich ist, dass Unternehmen, die Expertenstellen zu besetzen haben, entsprechende Fachkenntnisse und Erfahrungen voraussetzen. Die Bereitschaft auf Unternehmensseite, Quereinsteiger oder unerfahrene Kandidatinnen und Kandidaten bei Stellenbesetzungen zu berücksichtigen, ist nicht besonders hoch und hat meiner Meinung nach in den letzten Jahren abgenommen. Dies steht möglicherweise im Zusammenhang mit den steigenden Gehältern, die von den Unternehmen, nicht nur in der Kundenberatung, bezahlt werden müssen.
Insgesamt sehe ich keine Veränderungen der Anforderungen, mit Ausnahme bei Stellenbesetzungen in der Kundenberatung und damit im Vertrieb. In aller Regel spielten hier bisher belastbare Kundenverbindungen und aktive Kontaktnetzwerke eine wesentliche Rolle. Doch einige Marktteilnehmer haben zwischenzeitlich erkannt, dass sie auf der Suche nach Einhörnern sind, um die sich alle bemühen, die jedoch sehr selten sind und wählerisch sind. Deshalb suchen wir immer häufiger für Mandanten jüngere motivierte Beraterinnen und Berater, die durch ihre Persönlichkeit und besondere Fähigkeiten zu überzeugen wissen, bereits erste Erfahrungen gesammelt und eine gute Ausbildung absolviert haben.
Der Zwang zum Generationswechsel zeigt sich mehr als deutlich und gerade die Unternehmen, die sich dieser Herausforderung aktiv und zielgerichtet stellen, bereit für ein Umdenken sind und bewusst junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, vielleicht auch mit Unterstützung von Investoren, werden langfristig weitaus erfolgreicher sein als andere.
Welche Wechseltendenzen lassen sich derzeit bei den Arbeitnehmern in der Branche feststellen? (Abkehr von Banken, Digitalisierung, Fintechs etc.?)
Vogl: Die Wahrnehmung einer ausgeprägten Wechselaktivität ist sehr subjektiv und lässt sich kaum objektiv belegen, das heißt eine bundesweit spürbare Abkehr von Banken ist nicht festzustellen. Nachdem einige Fintechs nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt haben, der erste Hype vorbei ist und es außerdem auch bei modernen Geschäftsmodellen am Ende immer um ein „echtes“ Finanzgewerbe mit Bankprozessen geht, dürfte hier die Sogwirkung auf Fachkräfte unterschiedlichster Bereiche bestenfalls gleichgeblieben sein, vermutlich hat sie sogar abgenommen. Die Unternehmenstransaktionen in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren, aber insbesondere die laufenden Übernahmeprojekte ABN Amro und Hauck Aufhäuser Lampe sowie BNP Paribas und HSBC und die sich abzeichnende mögliche Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit lassen potenziell wechselbereite Personen abwarten. Insgesamt wird aktuell das Wechselrisiko vielleicht so hoch wie noch nie in den zurückliegenden 25 Jahren eingeschätzt.
Welche Anreize müssen Arbeitgeber den Kandidaten in der Branche bieten, um sie von einem Wechsel zu überzeugen?
Vogl: Zunächst geht es darum, wie mögliche Kandidaten angesprochen und welche Themen dabei kommuniziert werden. Wir hören sehr oft von Bewerberinnen und Bewerbern, dass hier bereits die ersten Fehler gemacht werden, da offensichtlich nicht haltbare Angebote unterbreitet werden oder der tatsächliche Grund für eine Bewerbersuche nicht ehrlich kommuniziert wird. Die meisten Kandidaten, die vielleicht für die Besetzung einer Stelle infrage kommen könnten, suchen nicht aktiv oder verspüren keinen erheblichen Druck ihren Arbeitgeber zu wechseln, daher muss eine Alternative in den für die betreffenden (möglichen) Kandidaten relevanten Bereichen geboten werden. Sicherheit ist zum Beispiel aktuell aufgrund der verschiedenen Transaktionen und laufenden sowie „drohenden“ Übernahmen das große Branchenthema. Wenn ein Unternehmen, egal welcher Größe und aus welchem Branchenbereich, sich klar für die Zukunft positioniert und die Eigenständigkeit als einen zentralen Wert definiert, kann das ausschlaggebend sein.
Gehaltstransparenz und ein wertschätzender Umgang über alle Ebenen sind genauso wichtig, wie tatsächlich flexible Arbeitszeiten oder eine wirkliche Diversität in der Belegschaft. Es lohnt sich bestimmt, über Lebensarbeitszeit- und Urlaubsmodelle nachzudenken oder konsequent in allen Hierarchieebenen Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen. Eine angemessene, nachvollziehbare und faire Entlohnung ist von grundlegender Bedeutung. In vielen Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern, die ich führe, geht es darum, dass sich meine Gesprächspartner ungerecht bezahlt und nicht wertschätzend behandelt fühlen. Langjährig loyale Beraterinnen und Berater ärgern sich maßlos über die Gehälter, die neu eingestellte Kollegen erhalten, die sie durch ihre eigene Arbeit mitfinanzieren, aber auch darüber, dass die Geschäftsleitung annimmt, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht von diesen hohen Gehältern wüssten.
Das Topmanagement von Banken unterschätzt diesen Punkt in sträflicher Weise und ist vielleicht auch ein wenig naiv in der Annahme, dass sich Mitarbeiter intern nicht austauschen und oftmals eine weitaus größere Gehaltstransparenz besteht, als man vielleicht annehmen möchte. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie dann ihren Arbeitgeber tatsächlich verlassen, werden beim Weggang kaum noch ein hohes Maß an Loyalität verspüren und bestimmt nicht gut über ihren ehemaligen Arbeitgeber sprechen, was eine zukünftige Mitarbeitergewinnung weiter erschweren wird.
Employer Branding, mit dem wir uns zunehmend beschäftigen, bedeutet nicht nur für Bewerber attraktiv zu sein, sondern auch für die vorhandenen Mitarbeiter, die an das Unternehmen gebunden werden und als Botschafter fungieren sollen. Gelingt dies nicht, schädigt sich das Unternehmen nachhaltig selbst.
In welchen Abteilungen und Bereichen wird verstärkt eingestellt?
Vogl: Wir haben natürlich, wie alle anderen Personalexperten auch, einen subjektiven Blick auf den Markt. Aber trotzdem können wir feststellen, dass unverändert eine enorm hohe Nachfrage nach Kundenberaterinnen und -beratern vorherrscht, die kaum „befriedigt“ werden kann und dies trotz Gehaltsangeboten, die betriebswirtschaftlich kaum mehr als sinnvoll und von Dauer angesehen werden können.
Der Einstellungsdruck ist jedoch ebenfalls in vielen anderen Bereichen, insbesondere im Backoffice wie in der Wertpapierabwicklung, im Zahlungsverkehr oder der Kundenverwaltung hoch und steigt in den rechtlichen und regulatorischen Bereichen aufgrund zunehmender regulatorischer Anforderungen.
Ich glaube zu erkennen, dass die Anzahl von Führungspositionen sukzessive abnimmt und die offenen Stellen im Portfoliomanagement weniger geworden sind, was in beiden Fällen mit branchenweiten Veränderungen und Umstrukturierungen zusammenhängt.
Wie haben sich die Gehälter im Private Wealth Management in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?
Vogl: Hier muss man ganz klar zwischen Bestandsarbeitsverhältnissen und neuen Arbeitsverhältnissen unterscheiden, bei welchen sich die gezahlten Gehälter stark unterscheiden und dies nicht mehr nur in der Kundenberatung und dem Vertrieb.
In vielen Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern, die lange bei ihrem Arbeitgeber tätig sind, ist dies oftmals die entscheidende Ursache für einen ausgeprägten Wechselwunsch, wie ich bereits zuvor erläutert habe.
Damit zeigt sich ein Umstand, der aus Unternehmens- und Eigentümersicht sehr problematisch ist, denn werden unternehmensweit Gehälter angehoben, sinken die Deckungsbeiträge und damit letztendlich die Umsatz- und Eigenkapitalrenditen.
Auf der anderen Seite verliert man langjährige wichtige Mitarbeiter, mit Erfahrung, umfangreichen Kenntnissen und bestimmt mit hervorragenden Kundenkontakten. Diese Mitarbeiter lassen sich kaum mehr, sehr schwer oder nur zu deutlich schlechteren Konditionen, also mit höheren Gehältern, ersetzen.
Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Bestandsgehälter nicht spürbar gestiegen sind und erfolgsabhängige Gehaltskomponenten branchenweit keine neuen Höchststände erreicht haben. Gestiegen sind jedoch die Gehaltsvorstellungen potenziell wechselwilliger Bewerber*innen, in einem zum Teil absurden und völlig unrealistischen Maß, was ebenfalls negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat.
Wie entwickeln sich Themen wie New Work, Homeoffice oder Workation aktuell und zukünftig? (Banken kippen Homeoffice-Regeln, neue Büros etc.)
Vogl: Natürlich ist die aktuelle Situation für Unternehmen der Finanzbranche nicht leicht und die Rahmenbedingungen stellen sich zunehmend herausfordernd dar, obwohl die Zinsentwicklung vielleicht dem einen oder anderem Marktteilnehmer eine kleine Verschnaufpause verschafft hat, aber wann war das nicht so in den zurückliegenden 25 Jahren?
Lassen Sie uns daher vielleicht kurz über Produktionsfaktoren sprechen, also eigentlich nur über zwei, nämlich über Arbeit und Kapital. Außerdem sollte man über Wertschöpfung nachdenken und wie diese erzielt wird.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmen die richtigen Mitarbeiter beschäftigen, binden und suchen sollten. Das hört sich sehr theoretisch an, bedeutet aber nichts anderes als anzuerkennen, dass Mitarbeiter, egal in welchem Bereich eines Bank- oder Wertpapierinstitutes sie tätig sind, der mit Abstand wichtigste Produktionsfaktor sind, trotz der voranschreitenden Automatisierung und Digitalisierung.
Natürlich gibt es Sonderfaktoren oder Ausnahmesituationen, aber was ist für das eingesetzte Kapital langfristig rentierlicher als ein Unternehmen erfolgreich zu führen, zu entwickeln, auf die Zukunft auszurichten und der nächsten Generation zu übergeben?
Ich bin der Meinung, dass diese Punkte weitaus mehr Bedeutung haben und Beachtung finden sollten als kurzfristige Rendite- und Wachstumsziele. Es geht um Vertrauen, um ein positives und werthaltiges Image, um Attraktivität für Kunden und insbesondere für Mitarbeiter, also insgesamt um Zukunftssicherheit, wovon am Ende alle profitieren werden, also Unternehmenseigentümer, Mitarbeiter und Kunden.
Ich beantworte die Frage also damit, wenn ein Unternehmen die richtigen, leistungsfähigen und loyalen Mitarbeiter hat, und viele haben diese, halte ich es für einen nachhaltigen Fehler Veränderungen – ob bei Homeoffice-Regelungen, Bürostandorte oder Straffung von Vertriebsregionen – vorzunehmen, die das Verhältnis der Mitarbeiter zum eigenen Arbeitgeber dauerhaft belasten und das Vertrauen in das Management nachhaltig stören.
Daher empfiehlt es sich Mitarbeiter bei geplanten und oftmals notwendigen Veränderungen einzubeziehen, um gemeinsam flexible Lösungen zu finden, die „belastbar“ und für beide Seiten von Vorteil sind.