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Interview zur Lage in den Schwellenmärkten „Der Gewinn liegt im Einkauf“

Herr Born, die Schwellenmärkte sind zuletzt teils stärker unter Druck geraten – obwohl die konjunkturelle Entwicklung weltweit eigentlich gut läuft. Was sollten Anleger wissen?

Claus Born: In den vergangenen Jahren haben die Schwellenländer eine überaus gute Performance gehabt. Die Annahme, dass ein stärkerer US-Dollar die Länder durch die Bank unter Druck setzt, wird gerne pauschalisiert. Natürlich hinterlassen ein starker US-Dollar und weitreichende Handelskonflikte in den Schwellenmärkten Spuren. Doch es zeigt sich: Bei den Exporteuren in China hat es keinen Gewinneinbruch gegeben. Stattdessen sind aufgrund der Zölle die Preise für Waschmaschinen in den USA um 16 oder 17 Prozent gestiegen. Anleger sollten vorsichtig sein mit voreiligen Schlussfolgerungen. China ist nicht zu 100 Prozent von den USA abhängig. Außerdem hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Binnenwirtschaft gut entwickelt. Und China exportiert mittlerweile seine Produkte in den gesamten asiatisch-pazifischen Raum.

Nicht zuletzt zieht die gute Konjunktur in den USA viel Investorenkapital an. Dadurch haben die Schwellenländer derzeit das Nachsehen, oder?

Born: In der Tat, das Gewinnwachstum der US-Unternehmen ist hoch. Hintergrund ist unter anderem Donald Trumps Steuerreform – die allerdings nur einen Einmaleffekt bewirkt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das diesjährige hohe Gewinnwachstum in den USA wiederholt.

Unter welchen Umständen könnte sich die Lage in den Schwellenmärkten wieder aufhellen?

Born: Die Aktienkurse in den Schwellenländern dürften sich dem guten Gewinnwachstum der dortigen Unternehmen wieder annähern. Das Gewinnwachstum ist der primäre Treiber für Kursavancen. Politische Ereignisse haben zuletzt zu hoher Volatilität in den Schwellenländern geführt, zukünftig sollte aber wieder das Gewinnwachstum, das die Unternehmen aufweisen, die Kurse bestimmen. Aber natürlich ist das globale Bild differenziert zu betrachten: Argentinien, Brasilien, Indien und die Türkei haben zuletzt gelitten.

Nach der Türkei rumorte es jüngst in Argentinien: Das Land musste den IWF um die beschleunigte Auszahlung von Geldern bitten. Warum gelingt es dem Land nach mehreren Reformjahren noch immer nicht, die eigene Wirtschaft und damit die Landeswährung Peso zu stabilisieren?

Born: Argentinien hat bis 2015 eine sehr schwierige Phase durchgemacht: Bürger und Wirtschaft wurden von einer extrem korrupten Regierung gegeißelt. Seither ist es der neuen Regierung unter dem Wirtschaftsliberalen Mauricio Macri in ihren ersten zwei Jahren noch nicht gelungen, das Staatsdefizit im erforderlichen Umfang abzubauen. Sehr viel Geld wurde am internationalen Kapitalmarkt aufgenommen, was zu einer unangemessenen Aufwertung der Währung führte. Zugleich blieb die Inflation viel zu hoch. Dieser Cocktail aus Aufwertung und hoher Inflation hat oft toxische Wirkung, in Argentinien sind die Auswirkungen jetzt zu sehen.

Der IWF hat Argentinien schnelle Hilfe zugesagt. Warum kommt der IWF, der als harter Verhandler gilt, dem Land so bereitwillig entgegen?

Born: Die Verantwortlichen beim IWF sehen die ernsthaften Reformbemühungen im Land. Die vorherige Regierung unter Cristina Fernández de Kirchner war geprägt von einer Ablehnung aller ausländischen Institutionen. Der heutige Staatschef genießt in breiten Teilen der Bevölkerung Rückhalt; deshalb ist die Bereitschaft da, das Land bei seinen Reformen und der Öffnung nach außen zu unterstützen. Nicht zuletzt gibt es auch eine politische Nähe zwischen den USA und Argentinien, das dürfte mit Blick auf den Einsatz des IWF vieles vereinfachen.