private banking magazin: Die SEB hat sich hierzulande schon vor Jahren von ihrem Privatkundengeschäft getrennt. Jetzt leiten Sie das Segment Private Wealth Management & Family Office. Wie passt das zusammen?
Thilo Zimmermann: Das Geschäft mit vermögenden Privatkunden, auf dem diese neue Division jetzt aufbaut, gab es schon vorher. Aber es stand nie ganz im Fokus und verteilte sich über die Bank. So ganz passte diese Zuordnung nicht: Die Bank hat in den nordischen Ländern UHNW-Kunden im Private Banking und Privatkundenbereich betreut, Family Offices als solche eher im Corporate Banking. Aber es gab und gibt eben auch Fragestellungen, die im Corporate Banking nicht beantwortet werden können: Generationswechsel, Unternehmen in Familienhand. Deswegen soll die neue Division konzernweit als Sammelpunkt für diese Fragestellungen dienen.
Private Wealth Management & Family Office beschreibt allerdings eine sehr weite Zielgruppe ...
Zimmermann: Das liegt auch an der Historie der Bank. Schweden und die Familie Wallenberg sind die Keimzelle der Bank, also beraten wir dort vom „einfachen“ Millionär bis zum Multi-Milliarden-Family-Office natürlich die ganze Bandbreite an Kunden. In Dänemark betreuen wir einige Family Offices und sind auch im Private Banking über eine Kooperation tätig, in Finnland ist Private Banking dagegen das Hauptgeschäftsfeld und in Norwegen überwiegt der Austausch mit Family Offices.
Und in Deutschland?
Zimmermann: ... hatten wir nach unserem Ausstieg aus dem Retail- und Individualkundengeschäft schon ein kleines, aber sehr feines Portfolio an Family Offices. Dieses Portfolio soll wachsen.
In welche Richtung?
Zimmermann: Wir haben die Treppe bisher von oben nach unten gekehrt. Das liegt auch an der Ausrichtung der SEB hierzulande. Solch große Kunden kaufen bei uns hauptsächlich Finanzierungen für neue Akquisitionen innerhalb existierender Geschäftsbereiche oder für die Schaffung neuer Geschäftsbereiche und machen über uns die Take-outs an den Kapitalmärkten. Dazu kommen Währungstransaktionen außerhalb des Euroraumes oder Cash-Management-Aufgaben.
Das Segment im Konzern heißt Private Wealth Management & Family Office. Spielt der erste Teil und damit das Private Wealth Management hierzulande auch eine Rolle?
Zimmermann: Dieses Kundesegment decken wir hierzulande noch nicht ab.
Soll sich das ändern?
Zimmermann: Das ist eine ständige Diskussion. Es liegt dazu aber nichts auf dem Tisch, im Gegenteil. Die Organisation, wie wir sie heute in Deutschland haben, ist bewusst und mit großer Absicht aktuell nicht darauf ausgelegt, Privatkunden und auch vermögende Privatkunden zu betreuen. Diesen bewussten strategischen Schritt müssten wir eher langfristig gehen, während wir den Kontakt zu Family Offices bereits haben.
„Der Konzern hat sich sehr lange und zu Recht damit beschäftigt, die richtige Plattform für Deutschland zu entwickeln“
Nur: Warum wurde dieses offenbar schon bestehende Geschäft in Deutschland jetzt erst forciert?
Zimmermann: Der Konzern hat sich sehr lange und zu Recht, wie wir ja heute sehen, damit beschäftigt, die richtige Plattform für Deutschland zu entwickeln. Aus einer Bank mit Retail-Fokus, Filialen und einer Belegschaft von 4500 Mitarbeitenden sind 220 und eine fokussierte Corporate-Bank geworden. Mit dem Unterschied: Wir sind relativ und absolut deutlich profitabler als zuvor. Nun zum entscheidenden Punkt: Nach der Finanzkrise startete weltweit eine Vermögensakkumulation – die wir in den nordischen Ländern schon begleiten konnten. Weil aber das Thema so spezifische Anforderungen hat, entstand daraus jetzt eine eigene Division. Und in Deutschland haben wir jetzt die Plattform, um solch ein Wachstum bedienen zu können.
Warum können Sie auf Ihrer Plattform Family Offices jetzt schon beraten?
Zimmermann: Wenn meine Kolleginnen und Kollegen aus der Investmentbank einen syndizierten Kredit für ein Unternehmen strukturieren oder für eine Investment-Holding, unterscheidet sich das in Feinheiten. Die Ressource ist aber die gleiche. Wir können deshalb inzwischen mit wenig Personalaufwand das Geschäft skalieren. Die Fokussierung auf Unternehmen in den vergangenen Jahren war die absolut richtige Entscheidung. Jetzt haben wir die Stärke und auch die Kapazitäten und die Produkte, um auch das Geschäft im Segment Private Wealth Management & Family Office erfolgreich aufzubauen.
Mit wem müssen Sie sich dabei messen?
Zimmermann: Mit einer Menge Anbietern: mit den großen US-Häusern, der Deutschen Bank, Schweizer Häusern wie die UBS, aber auch klassischen deutschen Privatbanken bei einzelnen Mandaten. Und auch mit Multi Family Offices: Teilweise laden sie uns ein für unsere Produkte, teilweise sprechen sie mit vermögenden Kunden, die sie genauso gerne als Mandanten hätten wie wir. Der Wettbewerb ist also definitiv noch größer als im Corporate-Segment. Meine Schlussfolgerung ist: Wir dürfen uns nicht verzetteln. Geografisch fokussiert, produktseitig und bilanziell können wir überzeugen. Für Kunden, die auf der Anlageseite in den nordischen Ländern investieren wollen oder die eine Fremdfinanzierung wünschen, sind wir vielleicht nicht die einzige, aber einige von wenigen Möglichkeiten. So können wir einen Unterschied machen.
Welche Dienstleistungen sind also perspektivisch umsetzbar?
Zimmermann: Während wir hierzulande die M&A-Beratung, (Immobilien-)Finanzierungen und die Anlageseite schon abbilden können, sind wir in Schweden schon einen Schritt weiter: Dort beraten wir auch bei der strategischen Asset Allocation, der Nachfolge oder Kunstinvestitionen, setzen diskretionäre Mandate in Luxemburg und Schweden um und haben in Skandinavien das ausgedehnteste Netzwerk an Unternehmerfamilien überhaupt. Diese Palette wollen wir auch auf Deutschland ausweiten, auch wenn beispielsweise ein Netzwerk im ersten Schritt keine Erträge abwirft. Aber: Die Themen sind bei vielen Familien die gleichen. Den Austausch über unsere Plattform erachte ich als eines unserer Ziele, auch illiquide Anlagen könnten in Zukunft für uns interessant werden. Geld müssen wir am Ende natürlich auch verdienen.
Bis wann wollen Sie profitabel werden?
Zimmermann: Wir sind eine der profitabelsten Corporate- und Investmentbanken in Europa. Dieses Ertragslevel will ich natürlich nicht verwässern. Eher im Gegenteil: Das Geschäft mit Family Offices ist im Allgemeinen sogar rentabler als das im Corporate-Investment-Segment. Auf Basis dieser rentablen Plattform wollen wir die Rentabilität noch erhöhen. Dass die Bank jetzt erst einmal investieren muss, ist klar. Mein Anspruch ist, von Anfang an profitabel zu werden. Und so, wie es im Augenblick aussieht, wird das auch gelingen.
Wie viele Mitarbeitende brauchen Sie dafür?
Zimmermann: In Deutschland betreut derzeit ein Team von fünf Personen unsere Kunden, diese Zahl wollen wir über Zeit verdoppeln. Für alles andere nutzen wir die existierende Bank und arbeiten gemeinsam mit den 220 anderen Kolleginnen und Kollegen hier vor Ort.
„Ich unterscheide zwischen zwei Family-Office-Typen: Investmentmanagement-Holdings und Investmentholding-Unternehmen“
Reicht ein solch kleines Team aus?
Zimmermann: Ja. Schließlich hängt das auch mit unserer Kundengruppe zusammen. Ich unterscheide zwischen zwei Family-Office-Typen: Investmentmanagement-Holdings und Investmentholding-Unternehmen. Letztere agieren eher wie Unternehmen und benötigen Beratung in Finanzierungsfragen, die Investment-Management-Einheiten verwalten dagegen das Vermögen, suchen Asset Manager oder einzelne Anlageklassen. Das sind zwei sehr unterschiedliche Anforderungen, trotzdem sind beides Family Offices, die wir auch bis zu einem gewissen Grad beraten können – solange eine Familie dahintersteht und sie als juristische Person agieren.
Spielt das verwaltete Vermögen auch eine Rolle?
Zimmermann: Um uns an Bord zu holen, macht es Sinn, mindestens 100 Millionen Euro Vermögen zu verwalten. Da wir die Treppe in der Vergangenheit von oben gekehrt haben, hatten unsere kleinsten Family-Office-Kunden bisher ein Vermögen von mindestens 500 Millionen Euro. Wobei die Höhe des Vermögens nichts darüber verrät, ob wir zu einem Family Office passen oder nicht – schließlich gibt es Family Offices, die auf eine Anlage ausgerichtet sind und vielleicht gar nicht in Skandinavien investieren möchten.
In Schweden dürfte alleine das Netzwerk der Familie Wallenberg bei der Akquise hilfreich sein. Wie wollen Sie ihr Netzwerk im deutschsprachigen Raum ausbauen?
Zimmermann: Mit dem Hintergrund der Eigentümerstruktur – also der Familie Wallenberg als Anker-Aktionär – versteht der Markt sofort die Logik. Wir haben eine gewisse Kompetenz, große Familienvermögen zu betreuen. Unsere ersten Kunden sind aber natürlich die Familien, die hinter den Unternehmen stehen, die wir im Corporate-Bereich betreuen. Deswegen sprechen wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Corporate-Bank, vereinbaren Termine, lernen die Familien kennen. Aber klar: Der wichtigste Punkt ist gerade im UHNW-Geschäft die Mundpropaganda. Dieses Geschäft funktioniert anders als im Firmenkundenbereich – deshalb planen wir Veranstaltungen oder Trips nach Stockholm, wo wir die Familien mit unserem skandinavischen Netzwerk verknüpfen können.
Wie soll das im hiesigen Geschäft weiterhelfen?
Zimmermann: Ich habe dazu eine These: Innerhalb des eigenen Landes sind Deutschlands vermögendste Familien sehr gut vernetzt. Sobald sie allerdings die Grenzen überqueren, sinkt die Zahl der Kontakte, abgesehen von ein paar Ausnahmen. Deswegen erleben wir sehr großes Interesse an solchen Veranstaltungen.
Über den Interviewten:
Thilo Zimmermann leitet seit Spätsommer 2022 das Segment Private Wealth Management & Family Office in Deutschland. Davor verantwortete Zimmermann für die SEB die Niederlassung in Shanghai, wo große Firmenkunden aus den SEB-Heimatmärkten in China betreut werden. Zimmermann begann seine Karriere bei der schwedischen Großbank im Jahr 2003.