private banking magazin: Herr Hörter, der Fonds EUA Strategy von Munich Re Investment Partners will weltweit einer der ersten offenen Investmentfonds sein, der es institutionellen Anlegern ermöglicht, direkt in CO2-Zertifikate der EU, also EUAs zu investieren. Wie funktioniert das genau?
Steffen Hörter: Die Anlagestrategie ist recht einfach. Sie besteht aus passivem Kaufen und Halten von Emissionsrechten, ausschließlich von EU-Emissionsrechten. Es erfolgt also kein aktives Management.
Sondern?
Hörter: Wir setzen im Wesentlichen auf den Anstieg des Preises der EU-Emissionsrechte. Wir kaufen physisch, also direkt besagte Emissionsrechte, das ist wichtig zu erwähnen. Es gibt auch Produkte im Markt, die Zugang zu EU-Emissionsrechten beispielsweise über Futures ermöglichen, für die es einen großen Markt gibt.
Was ist der Vorteil eines direkten Kaufs?
Hörter: Zum einen gibt es relativ hohe Rollkosten im Futures-Markt. Geschätzt gibt es eine Inkonvenienz von aktuell rund einem Prozent pro Jahr. Bei anders strukturierten Produkten entstehen noch weitere Kosten für Anleger, beispielsweise Handelskosten beim Kauf und Verkauf. Unterm Strich entstehen also zusätzliche versteckte Kosten, die bei uns nicht entstehen.
Warum gibt es dann einen großen Futures-Markt, welche Vorteile hat dieser?
Hörter: Über den Futures-Markt können Teilnehmer des EU-Emissionsrechtehandels, insbesondere Unternehmen oder deren beauftragte Banken täglich handelbare Positionen eingehen, beispielsweise zur Absicherung von Preisrisiken.
Was spricht zudem für Ihren Fonds?
Hörter: Er ist nach Luxemburger Recht als Alternative-Investmentfonds aufgelegt und weltweit einer der ersten Fonds dieser Art. Der Hintergrund ist regulatorischer Art. Wäre der Fonds als Ucits-Produkt aufgelegt, müsste er Anforderungen an eine Mindestdiversifikation erfüllen. Weitere Vorteile: durch den direkten Zugang zu Emissionsrechten haben wir einen deutlich niedrigeren, realisierten Tracking Error von annualisiert gut 45 Basispunkten (bps).
Andere EU Emissionsrechte Anlageprodukte, die alternative Strukturierungen wie ETC oder ETF wählen, haben nach unseren Schätzungen deutlich höhere TEs von bis zu 700-900 bps. Ihr Vorteil: sie sind meistens täglich handelbar. Unser Fonds hat eine monatliche Liquidität. Ein Investor kann Gelder monatlich investieren und wieder abziehen. Für viele professionelle Investoren, an die sich unser Fonds richtet, ist monatliche Liquidität ausreichend. Für manche nicht.
Ist der investier- und abziehbare Betrag gedeckelt?
Hörter: Der Fonds zielt ausschließlich auf sogenannte professionelle, institutionelle Kunden mit einem langfristigen Anlagehorizont. Wir haben ein angestrebtes Mindestanlagevolumen von 10 Millionen Euro definiert, was im Einzelfall verhandelt werden kann. Abziehbare Beträge sind nicht gedeckelt.
Und wie sieht es auf der Kostenseite aus?
Hörter: Mit unserem Fonds streben wir eine Zielkostenquote von 67 bps an. Wir wollten die Kosten natürlich so gering wie möglich halten, haben deshalb auch andere Modelle durchgerechnet und sehen in unserem Vehikel für einen EU-Emissionsrechtefonds den größten Kostenvorteil für Investoren.
Herr Maier, warum investieren Sie in CO2-Zertifikate?
Johannes Maier: Das liegt an den Attributen der Assetklasse. Zum einen ist das Renditepotenzial verlockend. Derzeit werden Emissions-Zertifikate mit rund 70 Euro pro Tonne CO2 gehandelt. Laut Bloomberg NEF soll der Preis bis 2030 zwischen 130 und 160 Euro liegen. Zusätzlich besteht über verschiedene Zeiträume eine geringe Korrelation zu den gängigen Assetklassen Aktien, Anleihen oder Gold , über fünf oder zehn Jahre beispielsweise.
Damit führt die Anlage in Emissionszertifikaten zu einem positiven Diversifikationseffekt im Multi-Asset Kontext. Zudem besteht ein positiver Nachhaltigkeitseffekt. Weil die gehaltenen Zertifikate das Angebot verknappen, wirken sie zusätzlich preistreibend. Das verstärkt für Unternehmen den Anreiz, ihren CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren.
Herr Hörter, was geschieht mit den Rechten, die Sie kaufen?
Hörter: Technisch gesprochen, hat der Fonds ein Konto, auf welches die EU-Emissionsrechte gebucht werden. Das ist ein Depot-Konto für Marktteilnehmer, das national, in unserem Fall bei der Luxemburger Umweltbehörde, registriert ist. Ein solches Konto aufzubauen, war auch eine der Spezialitäten bei der Struktur des Fonds. Das Prozedere ist, dass wir die Rechte beim Kauf entnehmen, und wenn wir verkaufen, kommen sie zurück auf den Markt. Unser Vorgehen ist simpel: Kaufen, warten, verkaufen. Ich teile die Aussicht von Herrn Maier, dass bis 2030 150 bis 160 Euro pro Tonne CO2 erreicht werden.
Können Sie das mit dem Konto konkretisieren?
Hörter: Die Emissionsrechte Konten der EU dienen der Zuordnung auf deren Eigentümern. Das schafft Markttransparenz und verhindert unter anderem, dass ein Emissionsrecht mehrfach verwendet wird. Der Vorteil für unsere Anleger ist, dass sie über ihren Fondsanteil auch eine Durchsicht auf die anteiligen Emissionsrechte haben.
Was macht Sie beide so zuversichtlich, dass die Assetklasse 2030 in der Spitze bei 160 Euro liegen wird – vor dem Hintergrund, dass viel von wirtschaftlichem Abschwung die Rede ist?
Maier: Es gilt zwischen kurzfristigen und langfristigen Treibern zu unterscheiden. Ein wirtschaftlicher Abschwung ist ein kurzfristiger Preistreiber. So drückt der anhaltend schwache industrielle Output in der Eurozone derzeit den CO2 Preis. Langfristig hat die Assetklasse aber Rückenwind.
Meinen Sie den politischen?
Maier: Genau. Auf lange Sicht ist der CO2 Preis politisch getrieben. Und der politische Wille in der Europäischen Union ist enorm. Den Ausstoß von CO2 finanziell unattraktiv zu machen, ist Teil des Masterplans der EU. Die Zahl der sich im Umlauf befindenden Zertifikate wird sukzessive reduziert und soll die Kosten für den Ausstoß von CO2 nach oben treiben.
Dieser Effekt ist politisch gewollt. Wir sehen in CO2 daher kein Instrument für kurzfristige Spekulationen, sondern ein strategisches Investment. Eine überschaubare Quote ist im Portfoliokontext sinnvoll.
Überschaubar heißt bei Bantleon?
Maier: Im nachhaltigen, thematischen Multi-Asset-Fonds Bantleon Changing World bewirtschaftet Bantleon die Assetklassse schon seit 2021. Die Beimischung einer strategischen Quote von bis zu 5 Prozent erachten wir als sinnvoll.
Hörter: Wir sehen das ähnlich. Man muss unterscheiden zwischen struktureller Verknappung von Emissionsrechten, die mittelfristig wirkt. Und zwischen kurzfristigen Preistreibern, die den Markt beeinflussen. Natürlich ist in den vergangenen Monaten die negative wirtschaftliche Perspektive in der EU, insbesondere in Deutschland, belastend. Dazu haben wir Effekte, die über den Energiemarkt kommen.
Welche meinen Sie?
Hörter: Der Preis von EU Emissionsrechten korrelierte im Januar und Februar mit über 90 Prozent sehr stark mit dem stark gefallenen Spot-Preis von Erdgas. Ursächlich ist hier der deutlich gestiegene Lagerbestand für Flüssiggas, unter anderem aufgrund des wärmeren Winters. Für EU-Energieversoger, die mit rund 40 Prozent einen großen Nachfrageanteil an EU-Emissionsrechten haben, ist es dann günstiger, eher Gas als Kohle zu verstromen. Da die Verstromung von Gas deutlich weniger emissionsintensiv als Kohle ist, brauchen sie weniger Emissionsrechte. Darüber hinaus gab es aufgrund der schwächeren Konjunktur weniger Strombedarf. Also drückt das auf den Preis.
Was spricht mittelfristig für den Markt?
Hörter: Der Ausblick auf eine starke strukturelle Verknappung des Angebots von Emissionsrechten seitens der EU. Sowie das erwartete Kippen des aktuellen Angebotsüberschuss in einen Nachfrageüberschuss an Emissionsrechten. Diese sollten die kurzfristigen preisbeeinflussenden Faktoren deutlich überkompensieren.
Was heißt das?
Hörter: Im Rahmen des sogenannten Fit-for-55 Programms hat die EU in 2023 beschlossen, den Budgetabbau an Emissionsrechten in den nächsten Jahren zu beschleunigen. Generell ist das Angebot von Emissionsrechten durch die EU gesetzlich gedeckelt. Über den sogenannten Linearen Reduktionsfaktor von aktuell 4,3 Prozent pro Jahr reduziert die EU jährlich die Anzahl ausgegebener Emissionsrechte. Des Weiteren wirkt der Mechanismus der Marktstabilitätsreserve, welcher eine weitere Reduktion von 24 Prozent bis 2030 erwarten lässt.
Gibt es weitere Faktoren?
Hörter: Neben der Verknappung des Angebots ist auch die Nachfrageseite zu analysieren. Neue Sektoren werden in den Emissionshandel aufgenommen, wie aktuell die Schifffahrt. Wir erwarten generell, dass die Nachfragestruktur an Emissionsrechten sich von Versorgern in Richtung Industrie bewegen wird. Hier bestehen deutlich höhere Kosten für Niedrigemissionstechnologien, was implizit wiederum für einen höheren Emissionsrechte Preis spricht.
Ansonsten besteht kein Handlungsanreiz für Industrieunternehmen, zu dekarbonisieren. Für Stahl und Chemie gibt es Schätzungen, dass der Emissionspreis auf ein Niveau von 200 bis 370 Euro bis 2030 steigen muss, damit sich Investitionen in grüne Technologien rechnen.
Diese könnten aber revidiert werden…
Hörter: Bis jetzt hat die EU einen sehr starken Willen gezeigt, den Emissionshandel als eines der wichtigsten Instrumente im Green Deal zu etablieren. Wenn die politische Mehrheit in der EU sich ändert, sind Änderungen natürlich möglich. Aber: Klimaziele und Emissionshandel der EU sind in Gesetzen hinterlegt. Bis diese geändert werden, würde viel Zeit vergehen, da das alles strukturell bereits sehr tief verankert ist. Und das ist gut.
Warum?
Hörter: Ich halte den Emissionshandel grundsätzlich für eines der stärksten und besten Instrumente, um Treibhausgase zu reduzieren. Auch aus der Überlegung heraus, dass es einen ökonomischen Impuls setzt für die Real-Ökonomie. Eben weil Marktteilnehmer immer abwägen müssen, was auf der Kostenseite mehr Sinn macht: Emissionen zu produzieren oder in grüne Technologie zu investieren? Das wird über den Markt geregelt, über den Preis und nicht als reine Politikvorgabe.
Warum ist der Handel so mächtig?
Hörter: Beim EU-Emissionshandel reden wir über aktuell 11.000 Unternehmen. Und schaut man sich die Dekarbonisierung des Marktes der vergangenen Jahre an, dann ist diese sehr beeindruckend. Wir haben in der Europäischen Union den CO2-Ausstoß von 1990 bis 2021 um rund 30 Prozent reduziert, wie das Umweltbundesamt errechnet hat. Der Markt funktioniert.
Artikel 9 und auch Artikel 8 Fonds müssen lückenlos abgesichert sein, um sich nicht angreifbar zu machen – Stichwort Greenwashing. Das ist mit Reporting-Kosten verbunden, ihr Fonds Herr Hörter ist „nur“ Artikel 8 – wie hoch sind die Gebühren und welchen Einfluss auf diese haben die Reporting-Kosten?
Hörter: Die Transparenzverordnung ist ein Schalter, den ich einschalte, und kein Gütesiegel. Das wird oft missverstanden. Es wird lediglich vorgegeben, über was berichtet werden soll. Bei Artikel 8, wie wir ihn klassifizieren, ist es die realwirtschaftliche Dekarbonisierung. Zudem berichten wir über die ESG-Qualität der EU-Mitgliedstaaten, welche die Emissionsrechte emittieren.
Und warum nicht Artikel 9, also Impact?
Hörter: Das machen wir nicht, weil es sehr schwierig ist, die Effekte des Emissionshandel auf einen individuellen Investor zurückzuführen. Da müssten wir Annahmen treffen, die uns im Zweifelsfall angreifbar machen könnten.
Wir sprachen bereits über Verwaltungskosten. Ist das Reporting, um Artikel-8-konform zu sein, so preisintensiv, dass es sich beziffern lässt?
Hörter: Das Artikel-8-Reporting erstellen wir selbst und sehen es als wichtigen Bestandteil des Produkts. Am Markt sind wir, meines Wissens nach, der einzige Anbieter eines EU-Emissionsrechtefonds, der sein Produkt als Artikel 8 klassifiziert hat. Vergleichbare Anlageprodukte sind als Artikel-6-Produkte mit rein finanziellen Eigenschaften klassifiziert.
Ist die Transparenzverordnung also doch mehr als ein Schalter, weil die Branche ein plakatives Gütesiegel braucht?
Hörter: Es ist wichtig zu verstehen: Wenn man ESG im Marktkontext, also beim Emissionshandel, diskutiert, dann handelt es sich um einen regulierten Markt, der von der Esma überwacht wird. Die Behörde schreibt Berichte im Auftrag der Kommission und bestätigt somit, dass der Markt funktioniert.
Das Instrument des EU-Emissionsrechts ist also ein nach Mifid qualifiziertes Finanzinstrument. Dieser Umstand macht den Markt überhaupt erst investierbar. In unregulierte, freiwillige CO2-Zertifikate zu investieren, die nicht über das EU-Trading-System gehandelt werden, ist mit vielen Fragezeichen behaftet.
Und das S?
Hörter: Mehr als 100 Milliarden Euro hat die EU mit dem Verkauf von Emissionsrechten in den vergangenen Jahren erzielt. Über 75 Prozent davon werden zweckgebunden eingesetzt, also in Investitionen in erneuerbare Energien. Weitere Gelder werden unter anderem für Umschulungen eingesetzt, die den strukturellen Übergang in eine Niedrigemissionswirtschaft unterstützen.
Und das E?
Hörter: Das ist die für mich relevante Dimension. Was passiert in der Real-Ökonomie? Und da sind wir dank des Emissionshandels auf einem guten Weg, Emissionen zu senken
Herr Maier, wie ordnen Sie die Transparenzverordnung ein, und was würden Sie sich vom Regulator wünschen?
Maier: Die Herausforderungen in der Sustainable-Finance-Branche sind vielfältig. Die Transparenzverordnung ist nur eine der regulatorischen Leitplanken. Die Vielzahl an ESG-Regulatorik und Veränderungen in dem Bereich gleicht mittlerweile einem Wildwuchs. Vom Regulator wünsche ich mir eine fokussierte Herangehensweise, um das übergeordnete Ziel der Lenkungswirkung nicht aus den Augen zu verlieren. Momentan steht vielmehr das Vertrauen von Investoren und Konsumenten auf der Kippe.
Haben Sie ein Beispiel, über das Sie sich geärgert haben?
Maier: Problematisch sehe ich die breite Streuung hinsichtlich der Höhe der ausgewiesenen Quoten nachhaltiger Investitionen im Markt. Die Methodenfreiheit bei der Berechnung ist Fluch und Segen zugleich. Zumindest wird deshalb die Vergleichbarkeit von Produkten geschwächt und bringt zusätzliche Unsicherheit mit sich. Dass darüber hinaus nationale Regulierungsbehörden in ihrer Auslegung bestimmter Sachverhalte ebenfalls voneinander abweichen, erschwert den stringenten Umgang mit ESG-Investmentlösungen. Eine verbesserte Harmonisierung auf europäischer Ebene wäre daher sehr begrüßenswert.
Herr Hörter, Munich Re sieht einen ausreichend hohen, sektorübergreifenden Kohlenstoffpreis – entweder durch eine Steuer oder ein Emissionshandelssystem – als das bevorzugte, technologieneutrale politische Instrument, um die globalen Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich auf netto null zu reduzieren. Wie realistisch ist das bei den herrschenden geopolitischen Verhältnissen?
Hörter: Aktuell werden weltweit gut 18 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen durch Emissionshandelssystem abgedeckt. Der EU-Markt ist mit großem Abstand führend mit einem Handelsvolumen von 751 Milliarden Euro in 2022, was 87 Prozent des weltweiten Handels entspricht. Wichtige, investierbare Emissionsmärkte außerhalb der EU sind Kalifornien, die Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI) in den USA und Großbritannien..
Wie schätzen Sie die Bestrebungen Chinas ein?
Hörter: Der chinesische Emissionshandel deckt gut 5,4 Gigatonnen oder 47 Prozent an jährlichen Emissionen Chinas ab. Als Investor Zugang zum chinesischen Emissionshandelsmarkt zu bekommen, ist meines Wissens nach aktuell nicht möglich. Man muss immer unterscheiden, ob es einen Markt gibt und ob der investierbar ist. China hat sich gut beraten lassen, schaut sich genau an, was die EU macht. Wir beobachten, was dort geschieht.
Maier: Man darf das regulatorische Risiko bei einem Investment in den Emissionsmarkt nicht unterschätzen. Wir sind derzeit ausschließlich in EU-Zertifikate investiert. Europa hat eine gewisse Vorreiterrolle beim Emissionsmarkt. Der Markt wurde als erstes gegründet, ist am breitesten gefächert und genießt die größte politische Unterstützung.
Herr Hörter, Sie waren von 2018 bis 2020 Mitglied der technischen Expertengruppe für Sustainable Finance der EU-Kommission, haben insbesondere an Mindeststandards für Klimaaktienbenchmarks mitgewirkt. Auf was sind Sie stolz, was muss noch geschehen?
Hörter: Bei dieser Diskussion sollte immer stark differenziert werden. Es gibt die regulatorische Ebene, die Ebene der Fondskonstruktion und die der realen Welt. Idealerweise sollten alle eng miteinander verknüpft sein, manchmal ist das aber sehr schwierig. Bei der technischen Expertengruppe bekamen wir Vorgaben, welche Themen aufbereitet werden sollen. Im Rahmen der Taxonomie sollte eine Art grüner Kompass herauskommen, der anzeigt, was echte und was transformative nachhaltige Aktivitäten sind. Wir haben meines Erachtens gute Klimaaktien-Standards erarbeitet, alles mit dem Ziel, privates Geld in nachhaltige Investitionen zu lenken.
Von welcher Ebene sprechen Sie noch?
Hörter: Von der Ebene, was ich als Investor bewirken kann. Welche Themen, die nah an der Realökonomie sind, kann ich motivieren? Der direkteste Weg, um Nachhaltigkeit ökonomisch aufzubauen, ist das Bepreisen von Externalitäten. Im Fall des EU-Emissionshandels von Treibhausgas-Äquivalenten. Gibt es keinen Preis für eine negative Externalität, also für etwas, was der Umwelt schadet, dann wird das Thema unzureichend bespielt. In der Ökonomie wird Nachhaltigkeit oft mit Kosten gleichgesetzt. Im Umkehrschluss hat der Unternehmer oder Investor, der nichts tut, einen relativen Vorteil.
Dieser Fakt und dieses Denken muss verschwinden. Der Emissionshandel wird mittelfristig dazu beitragen, weil derjenige belohnt wird, der etwas für einen geringeren Ausstoß an Treibhausgasen tut. Wer die Rechte nicht braucht, kann sie verkaufen. Tesla ist dafür ein gutes Beispiel, erwirtschaftet damit gute Erträge. Es gibt aber auch Energieversorger, die sich rechtzeitig eingedeckt haben, als die Rechte noch günstiger waren, wie beispielweise die RWE.
Maier: Die Jahre 2022 und 2023 haben einen Denkanstoß dafür gegeben, wie sich Nachhaltigkeit und Rendite vereinbaren lassen. Dabei geht es vor allem um strikte Ausschlusskriterien. ESG spielt eine wachsende Rolle bei der Risikobewertung einzelner Firmen. In einem sinnhaften ESG-Konzept sollte Nachhaltigkeit in jeder Asset-Klasse eine Rolle spielen und pragmatisch umgesetzt werden.
Wie kann das gelingen?
Maier: Auf der Aktienseite geht es darum, den Megatrend dieser Transformation für sich zu nutzen. 2018 wurde für jeden Euro, der in erneuerbare Energien investiert wurde, ein Euro in fossile Brennstoffe investiert. 2023 wurden für jeden Euro, der in fossile Energien investiert wurde, bereits 1,8 Euro in erneuerbare Energien investiert, zeigen Daten der International Energy Agency IEA. Obwohl der Hype für Erneuerbare-Energien-Aktien an der Börse vordergründig vorbei scheint, sind die fundamentalen Entwicklungstrends der Branche weiterhin vollkommen intakt.
Deshalb schließen wir Unternehmen aus, die keinen Transformationswillen haben. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass es fundamentale Trends gibt, auf die man aufspringen kann und soll. Auf der Anleiheseite investieren wir bevorzugt in Green Bonds, die wir als Impact-Investments ansehen. CO2-Zertifikate sind dabei nicht nur eine neue Anlageklasse, sondern auch ein Bindeglied für die Profitabilität in der Unternehmenslandschaft.
ESG und nachhaltiges investieren hat nicht nur Befürworter, ich denke da an die USA, aber auch an Deutschland...
Hörter: Sicher ist es legitim nachzuhaken, ob die erste Generation an ESG-Produkten geliefert hat, was versprochen wurde. Wichtig ist, dass verstanden wird, was realökonomisch dahintersteht und keine Portfoliokosmetik betrieben wird. Kennzahlen, wie beispielsweise die Treibhausgasintensität, kann ein Portfoliomanager immer recht leicht verbessern. Es müssen lediglich Titel und Branchen vermieden oder verkauft werden. Das ist ein legitimes Ziel. Realökonomisch ist das allerding meines Erachtens zu Hinterfragen. Ein Portfolio kann von heute auf morgen einen geringeren CO2-Ausstoß ausweisen, die Realwirtschaft nicht.
Wird der CO2-Handel Portfoliokosmetik unmöglich machen?
Hörter: So schwarzweiß kann man das nicht sagen. Nein, auch weil es Unternehmen gibt, die wir brauchen, die aber wenig Spielraum für eine Transformation haben. Wir brauchen beispielsweise Beton für Windräder. Ein Verfahren, die Herstellung wirklich sauber hinzubekommen, gibt es noch nicht. Aber es muss sich lohnen, an einem solchen Verfahren zu arbeiten.
Maier: Dem stimme ich zu. Ganz besonders dem Bereich der Energie-Infrastruktur kommt eine besondere Rolle bei der Transformation zu. Knapp 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen werden in diesem Bereich verursacht. Den Sektor gänzlich zu meiden, würde das eigentliche Ziel von nachhaltigen Investments verfehlen und den Transformationsprozess im Zweifel sogar abwürgen. Natürlich muss es aber Grenzen geben.
Wo ziehen Sie diese?
Maier: Energiegewinnung aus Kohle und Öl sehen wir kritisch und sind in dem Bereich streng, aber Unternehmen mit einem gewissen Anteil an fossiler Energie schließen wir nicht per se aus. Ein lustloses Transformationskonzept ist für uns ein No-Go. Für uns kommt es auf den Track Record eines Unternehmens an. Welche Transformationsziele konnten bislang erreicht werden? Sind die gesetzten Ziele überhaupt wichtig?
In der EU und den USA gibt es gute Beispiele für Unternehmen, die sich auf einem guten Weg befinden. Der portugiesische Versorger EDP hat sich in wenigen Jahren von einem kohlelastigen Versorger zu einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich des Ausbaus von Wind- und Solarenergie gemausert. Iberdrola und Enel sind zwei weitere Positivbeispiele.
Und dann sagte die EU auf einmal, Gas und Atom ist nachhaltig…
Hörter: Das ist ein Signal, das verarbeitet werden muss. Ich sage das jetzt extra neutral. Ich beschäftige mich seit 2010 mit nachhaltigem Investieren. Meine erste Research-Studie hatte das Thema, wie Nachhaltigkeit in eine strategische Asset Allocation eingebaut werden kann. Mein Team und ich wurden dafür belächelt. Es war einfach zu weit weg. Heute wird das regulatorisch eingefordert. Das macht Mut. Das Thema hat viel Dynamik, aber eines ist meines Erachtens klar: Man muss Werte mitbringen, auch als Investor. Zudem leben wir als Anbieter nicht im luftleeren Raum, wir müssen finanziell attraktive Produkte ins Regal stellen.
Paris 2050, in Ihren Augen heute noch realistisch?
Hörter: Wir müssen das hinbekommen. Schenkt man den Klimatologen halbwegs Glauben, dann ist dieses Endszenario noch vorstellbar. Allerdings mit zunehmen sinkender Wahrscheinlichkeit. Kippt das Klima, dann war es das. Das können wir nicht zurückdrehen, wie ein Gerät, das zu heiß geworden ist. Das ist irreversibel. Psychologisch ist das schwer zu verarbeiten. Der Mensch ist ein Optimist, weil es nicht anders geht. Ich denke, wir werden das hinbekommen, aber nur, wenn global entschlossen gehandelt wird. Das geht am besten, wenn das Thema Treibhausgase einen Preis bekommt.
Maier: Als verantwortungsbewusster Investor muss ich den Spagat zwischen Rendite und Nachhaltigkeitszielen machen. Paris 2050 bietet Möglichkeiten. Investitionen in die notwendige grüne Infrastrukturprojekte sowie die Bepreisung von CO2 starten im Herzen des Problems.
Über die Interview-Partner
Steffen Hörter ist als Geschäftsführer bei Munich Re Investment Partners zuständig für Research und Produktmanagement. Er ist Mitglied des Munich Re ESG Investment Committee.
MR Investment Partners ist auf innovative Klima-Investmentstrategien für institutionelle Investoren fokussiert. Ein Schwerpunkte sind regulierte Emissionsrechte als neue Anlageklasse.
Johannes Maier ist leitender Portfoliomanager für den nachhaltigen Infrastrukturfonds Bantleon Select Infrastructure und Teil des Investment Komitees des nachhaltigen, thematischen Multi-Asset-Fonds Bantleon Changing World.