Stefan Rädler von Deutsche Oppenheim FO „Wir müssen der Rezession ihren negativen Beigeschmack nehmen“

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Also müssen Sie sich im Portfoliomanagement auf ein Umfeld mit Inflation und Rezession einstellen?

Rädler: Das ist durchaus möglich. Aber: Wir müssen der Rezession ihren negativen Beigeschmack nehmen. In einem Wirtschaftszyklus ist sie eine wichtige und notwendige Phase. Nicht-profitable Unternehmen verschwinden vom Markt. Diese Firmen sind nicht-profitabel, weil sie eine Ware oder Dienstleistung anbieten, die der Markt oder die Volkswirtschaft nicht braucht – und dafür werden Ressourcen wie Rohstoffe oder Arbeitskraft verschwendet. Die Freisetzung dieser Ressourcen ist ein wichtiger Prozess, der durch die Notenbanken und auch die Staaten mehr oder weniger unterbunden wurde.

Auch weil eine Rezession vermieden werden sollte, um etwa südeuropäische Länder zu schützen. Sind sie nicht zu vulnerabel?

Rädler: Die im Moment von einer Rezession besonders gefährdeten Länder sind eher die, die abhängig von russischer Energie sind: Deutschland und Italien. Wenn ein Gas-Lieferstopp kommt, ist eine Rezession nicht nur unvermeidbar, sondern sie wird auch heftig ausfallen.

„Für die direkt Betroffenen ist eine Rezession kurzfristig natürlich nie positiv, ihr volkswirtschaftlicher, langfristiger Effekt aber schon.“

Ist sie dann noch positiv?

Rädler: Für die direkt Betroffenen ist eine Rezession kurzfristig natürlich nie positiv, ihr volkswirtschaftlicher, langfristiger Effekt aber schon. Wenn Unternehmen vom Markt verschwinden, sinkt die Nachfrage nach Krediten und das gesunkene Zinsniveau ermöglicht Innovation. Aus Innovation und Fortbildung speist sich dann der nächste Aufschwung.

Wie bereiten Sie die Portfolios auf die kommenden Jahre vor?

Rädler: Die historischen Korrelationen helfen einem jedenfalls nicht unbedingt weiter. Mittelfristig gewichten wir inflationsgeschützte Anleihen im Portfolio über, Staatsanleihen zählen nach dem Zinsanstieg wieder zur strategischen Asset Allocation. Credits sind – auf dem Level aus dem Juni –attraktiv. Im Aktienbereich setzen wir auf Unternehmen mit einer besseren Bilanzqualität und einer höheren Preissetzungsmacht. Ein klassisches Beispiel sind Luxusgüterhersteller. Inzwischen können wir auch wieder mit konservativeren Allokationen Renditen erzielen – während solche Allokationen in den vergangenen Jahren renditelose Risiken waren.

 

Klingt so, als wäre der Werkzeugkasten wieder gefüllt. 

Rädler: Das ist er in der Tat.

Auch mit alternativen Anlageklassen?

Rädler: In den vergangenen Jahren gab es eine regelrechte Flucht in Immobilien und die Private Markets. Diese Bewegung wird nun vielleicht stagnieren. Ich bin gespannt, wie sich die illiquiden Anlageklassen im Umfeld höherer Inflation und Zinsen schlagen können. Aber: Neben Immobilien und Private Equity gibt es ja auch Werte wie Infrastruktur oder Oldtimer. Und die lassen sich ganz sicher nicht über einen Kamm scheren. 

Was erwarten Ihre Kunden denn eigentlich von Ihnen?

Rädler: Unseren Kunden ist realer Kapitalerhalt wichtiger als Kapitalvermehrung. Das war für Stiftungen, Unternehmer und Erben größer Vermögen in den vergangenen zehn Jahren ziemlich einfach, wird in den kommenden zehn Jahren aber deutlich schwieriger. Auch Liquidität ist für sie sehr wichtig. Durch die Regulierung der Banken sind allerdings die Geld-Brief-Spannen bei Anleihen in Krisenzeiten so breit, dass es wenig Sinn ergibt, im Anleihesektor überhaupt zu handeln – mal abgesehen von Staatsanleihen.