private banking magazin: Wie hat sich die Beratung im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?
Ralf Vielhaber: Das Niveau ist etwa gleichgeblieben. Die zeitweise länderspezifische Dominanz österreichischer Anbieter hat nachgelassen, auch wenn die Marktspitze dort weiterhin sehr gut ist. Inzwischen sehen wir wieder mehr gute Leistungen in Deutschland und der Schweiz. Innovationen im Beratungsprozess, Produktangebot oder in den Anlagekonzepten sucht man allerdings vergebens.
Was erwarten Sie denn von einer guten Beratung?
Vielhaber: Gute Berater hören genau zu, versuchen, den Kunden mit seinen Bedürfnissen zu verstehen und zu erfassen, rekapitulieren sorgfältig und leiten schließlich daraus ihr Anlagekonzept ab. Das klingt banal, ist es aber nicht. Ein Kunde, der sagt, er möchte seinen Ruhestand planen, ist möglicherweise von seiner Bank enttäuscht worden. Er will vordergründig eine gute Performance, tatsächlich geht es ihm aber mehr noch darum, Vertrauen in seinen Berater haben zu können. Er will Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und eine gute Betreuung, auch dann, wenn es mal nicht gut läuft. Vertrauen kann er aber nur fassen, wenn er versteht, was mit seinem Vermögen passiert und warum die Bank den vorgeschlagenen Weg einschlagen will. Das ist wie bei einer komplexen mathematischen Berechnung. Wenn Sie nur die Ausgangsformel und das Ergebnis aufschreiben, die Zwischenschritte aber weglassen, werden immer Zweifel bleiben: Hat er das geraten oder hat er das berechnet?
Gab es Totalausfälle oder Grundregeln, die verletzt wurden?
Vielhaber: Totalausfall ist ein starkes Wort, soweit würde ich nicht gehen. Aber einige Ausfälle gab es. Auf Anfragen um einen Beratungstermin über das Kontaktformular auf der Webseite gab es auffallend häufig keine Rückmeldung. Auch telefonische Terminvereinbarungen wurden nicht eingehalten. Das hatten wir so noch nie. Möglicherweise ist Personalmangel eine Ursache, jedenfalls höre ich das immer wieder. Fiel ein Berater aus oder war terminlich verhindert, gab es keinen adäquaten Stellvertreter. Auch das erlebten wir häufiger als in Vorjahren. Der Berater eines Schweizer Instituts hatte bereits den ersten Termin für den Beauty Contest verlegt und sagte dann noch ein zweites Mal ab, weil er kurzfristig eine Stadionkarte für ein Fußballspiel der Schweizer Nationalelf bei der Europameisterschaft bekommen hatte. Einen Stellvertreter konnte er nicht benennen. Da fragt man sich als Kunde schon, wo dieses Haus und seine Berater ihre Prioritäten setzen.
„Gute Institute wachsen stetig und vermeiden eine hohe Fluktuation im Beraterstamm“
Was machen gute Institute besser als der Durchschnitt?
Vielhaber: Wir reden jetzt über die Qualität der Beratung aus Kundensicht, nicht über den Geschäftserfolg – auch wenn beides Hand in Hand gehen sollte. Gute Institute wachsen stetig und vermeiden eine hohe Fluktuation im Beraterstamm. Sie schulen ihre Mitarbeiter regelmäßig, setzen sich mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander. Sie haben eine klare Strategie, fokussieren auf bestimmte Kundengruppen, kennen deren Bedürfnisse gut, entwickeln sich und ihre Produkte beständig weiter und ruhen sich auf ihren Erfolgen nicht aus. Das sagen zwar alle von sich, die Wirklichkeit ist aber eine andere. In der Beratung setzen sie konsequent um, was ich bereits geschildert habe. Das ist nicht alles, aber wer dies beherzigt, gehört mit einiger Sicherheit ins Spitzenfeld.
Welche besonderen Entwicklungen sind Ihnen aufgefallen?
Vielhaber: In Österreich lehnten einige Institute die Beratung eines österreichischen Kunden ab, weil dieser zeitweise in den USA arbeitet. Eine Begründung dafür gab es unter der Hand, und die heißt FATCA, das US-Pendant zur europäischen Mifid. Die Banken fürchten den Aufwand und rechtliche Risiken.
Welche Rolle spielt digitale Beratung?
Vielhaber: Eine bereits große und weiterwachsende. Technisch ist das heute überhaupt kein Problem mehr. Jeder weiß, wie ein Videocall funktioniert. Es ist bequem und schont Ressourcen. Ja, es gehen auch Interaktionen verloren, aber am Ende überwiegt auf Kundenseite der Bequemlichkeitsaspekt.