private banking magazin: Herr Lehmann, Sie verwalten ein Stiftungskapital von gut 4,1 Milliarden Euro. Welche Ziele verfolgen Sie?
Dieter Lehmann:Die Stiftung fördert Wissenschaft und Technik. Dies gilt für Forschung und Lehre. Die Förderung umfasst alle Bereiche: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Medizin. Das Stiftungskapital bringt Erträge. Diese kommen aus drei Quellen: Zinsen, Dividenden und Mieteinnahmen. Von diesen Erträgen werden die laufenden Kosten abgezogen. Ein Teil wird gesetzlich erlaubt zurückgelegt. Der Rest steht für neue Förderungen zur Verfügung.
Wie kann man sich Ihre Stiftungsarbeit vorstellen?
Lehmann: Wir sind zwar eine große Stiftung, aber im Vergleich zu anderen Förderern haben wir natürlich begrenzte finanzielle Mittel. Wir wollen Impulse setzen. Unterm Strich versuchen wir über verschiedene Förderinitiativen Schwerpunkte zu setzen, die nach unserem Verständnis vielleicht etwas zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Gelingt das, schaffen wir es unter Umständen auch, andere Geldgeber zusätzlich zu aktivieren. Dann ziehen wir uns wieder heraus und gehen andere Schwerpunkte an.
Was wäre ein solches, unterrepräsentiertes Thema?
Lehmann: In der Vergangenheit hatten wir eine Forschungsinitiative im subsaharischen Afrika, welche über mehrere Jahre lief. Dabei ging es um konkrete Vorhaben, etwa im Bereich der Medizinforschung, aber auch darum, jungen afrikanischen Nachwuchswissenschaftlern über die Verbesserung wissenschaftlicher Infrastruktur Anreize zu schaffen, in ihren Heimatländern zu arbeiten und zu forschen beziehungsweise auch dabei zu helfen, den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden.Unser Ziel ist es, nachhaltig zu wirken und nicht nur kurzfristig Geld zu geben.
Wie hoch ist die Summe der Fördermittel, die Sie jährlich bewilligen können?
Lehmann: Bis zur Reform des Stiftungsrechts war eindeutig geklärt, dass Stiftungen nur ordentliche Erträge, die Fruchtziehung wie es früher hieß, verwenden dürfen. Der Kapitalstamm sollte nicht beschädigt werden. Daran halten wir unverändert fest, obwohl es seit 2023 möglich ist, realisierte Kursgewinne aus der Umschichtungsrücklage zu entnehmen und für die Verwirklichung des Stiftungszwecks einzusetzen. Bei uns ist es im Übrigen so, dass wir zwei Fördertöpfe haben. Der eine Topf bedient das sogenannte Programm „Zukunft Niedersachsen“. Das ist in der Gründungshistorie der Volkswagen Stiftung begründet.
Das müssen Sie mir genauer erklären?
Lehmann: Wir sind keine Unternehmensstiftung im klassischen Sinne. Die Stiftung entstand aus der Privatisierung des Volkswagenwerkes. Der Bund und das Land Niedersachsen waren die Rechtsnachfolger nach dem Krieg. In diesem Zuge wurde das Werk von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 60 Prozent der daraus gewonnen Aktien wurden verkauft.
Aus dem Erlös wurde die Stiftung gegründet. Das Gründungskapital in den 60er-Jahren betrug rund eine Milliarde D-Mark. Jeweils 20 Prozent behielten zunächst der Bund und das Land Niedersachsen. Der Bund verkaufte seine Anteile in den 80er-Jahren. Der Erlös von 808 Millionen D-Mark ging dann ebenfalls an die Stiftung.
Und das Land Niedersachsen?
Lehmann: Das hält seinen Anteil, der noch immer bei 20 Prozent liegt. Um den Anteil konstant zu halten, nahm das Land im Laufe der Jahre an Kapitalerhöhungen teil. Finanziert wurde dies aus Steuermitteln.
Warum ist dem Land daran gelegen, den Anteil bei 20 Prozent zu halten?
Lehmann: Das ist verbunden mit einem besonderen Stimmrecht für das Land, welches im Zuge der Privatisierung des Werkes so festgelegt wurde und dem Land schon bei diesem Anteil ein Vetorecht bei wichtigen zu treffenden Beschlüssen einräumt. Hätte das Land an den Kapitalerhöhungen nicht teilgenommen, läge sein Anteil an der Volkswagen AGnur noch bei etwa 10 Prozent. Das ist aber wiederum genau der Anteil, der auch heute noch mit der Gründungshistorie der Volkswagen Stiftung in Verbindung zu bringen ist.
Was passiert mit dem Gewinn, den die Anteile generieren?
Lehmann: Die Gewinnansprüche aus den mit der Volkswagen Stiftung in Verbindung stehenden Anteilen, in der Regel handelt es sich dabei um die Dividendenzahlungen, müssen an die Stiftung abgeführt werden. Die Stiftung betrachtet diese wirtschaftlich gesehen als einen durchlaufenden Posten. Das Geld wird dem Land Niedersachsen wieder zur Verfügung gestellt, wenn es belegen kann, dass es für Projekte im Sinne des Stiftungszwecks im Rahmen des Programms „Zukunft Niedersachsen“ eingesetzt wird. Hier haben wir als Stiftung eine Art Aufsichtsfunktion inne.
Sie sprachen von zwei Fördertöpfen …
Lehmann: Die ordentlichen Erträge, die wir aus dem eigentlichen Stiftungskapital erwirtschaften, fließen dem zweiten Topf zu, der Allgemeinen Förderung, die also nicht nur auf das Land Niedersachsen beschränkt ist. Es gibt in Deutschland keine gesetzliche Vorgabe darüber, wie viel eine Stiftung ausschütten muss. Es gibt jedoch das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Das beinhaltet, dass ordentliche Erträge spätestens zwei Jahre nach dem Jahr des Zuflusses dem Stiftungszweck zugeführt werden müssen.
In den USA ist es anders. Dort müssen Stiftungen jährlich ausschütten …
Lehmann: In den USA müssen jährlich 5 Prozent des Stiftungsvermögens für satzungsgemäße Zwecke, inklusive der laufenden Geschäftskosten, ausgeschüttet werden. Im Gegenzug gibt es in den USA keine gesetzlichen Vorgaben bei der Kapitalerhaltung.
Das klingt logisch …
Lehmann: Das eine würde zu dem anderen nicht passen. Wenn vorgegeben wird, dass ein bestimmter Betrag unabhängig von Inflationsrate und jeweiligen Bedingungen an den Kapitalmärkten ausgeschüttet werden muss, kann auf der anderen Seite kein realer Kapitalerhalt erwartet werden. Wir haben uns in der Volkswagen Stiftung ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Vorgaben dennoch im Jahr 2005 eine Zielsetzung gestellt für die Summe der Neubewilligungen für unsere Allgemeine Förderung. Dieselag bei50 bis 60 Millionen Euro pro Jahr. Diese Bandbreite wird seitdem fortgeschrieben mithilfe einer speziellen Inflationsrate, die wir auch zur Berechnung unserer realen Kapitalerhaltung benutzen. Dadurch wuchs im Jahr 2024 das Zielvolumen auf eine Bandbreite von 74 bis 88,8 Millionen Euro an.
In den vergangenen Jahren lagen wir für diesen Fördertopf immer über der Obergrenze. Im vergangenen Jahr lagen wir ziemlich genau bei 100 Millionen Euro. Dazu möchte ich sagen, dass alle Projekte, die wir bewilligen, durchfinanziert sind. Verantwortliche eines Projekts, das beispielsweise drei Jahre Zeit in Anspruch nimmt, können sich darauf verlassen, dass die bewilligten Mittel bis zum Ende der Projektlaufzeit zur Verfügung stehen.
Sie konnten in den vergangenen Jahren mehr Fördermittel als geplant bewilligen. Wie ist das vor dem Hintergrund von Corona, Russland-Krieg, diversen weiteren geopolitischen Spannungen, Zinswende und der einhergehenden Inflation möglich?
Lehmann: Dafür muss man zurückschauen auf die Zeit rund um die Jahrtausendwende und auf das Jahr 2005, in dem wir unsere Förderziele definiert haben. Unser zweites großes Ziel ist die reale Kapitalerhaltung. In Deutschland besteht die Möglichkeit nach Paragraf 62 der Abgabenordnung, ein Drittel des Überschusses aus Vermögensbewirtschaftung dem Kapital zuzuführen zum Zwecke der realen Kapitalerhaltung. Der Überschuss aus Vermögensbewirtschaftung setzt sich aus den ordentlichen Erträgen abzüglich der Kosten für die Vermögensbewirtschaftung zusammen.
Das Zinsniveau war bis vor wenigen Jahren niedrig bis negativ …
Lehmann: Und die Rücklage, die wir bis dahin immer komplett ausgeschöpft hatten, hat viele ordentliche Erträge gebunden. Wir mussten feststellen, dass die Rücklage auf den ersten Blick hoch war, aber auch in Zeiten einer niedrigen Inflation nicht ausreichend ist, um das Kapital real zu erhalten. Dafür muss auf Sachwerte gesetzt werden, beispielsweise auf Aktien und Immobilien. Also auf Anlagen, die keine Endfälligkeit haben und bei denen man somit von einem langfristigen Wertzuwachs profitieren kann. Verzinste Wertpapiere können natürlich auch Kursschwankungen haben, werden bei Fälligkeit aber zu 100 Prozent zurückbezahlt, so die Bonität des Emittenten ausreichend ist.
Bei Rententiteln entstehen manchmal Kursgewinne. Diese müssten durch Verkauf realisiert werden. Dabei verliert man aber die höhere laufende Verzinsung. Wartet man bis zur Endfälligkeit, sind die Kursgewinne wieder weg. Deshalb änderten wir unsere Anlagestrategie. Wir verringerten den Anteil an verzinslichen Wertpapieren. Stattdessen investierten wir mehr in Aktien.
Wie schlägt sich das in Ihrem Portfolio nieder?
Lehmann: 1998 hatten wir eine Aktienquote von 26 Prozent, während unsere Immobilienquote seit jeher zwischen 10 und 15 Prozent liegt, damals lag sie bei 11 Prozent. Der Rest, also etwa 63 Prozent, war in verzinsten Wertpapieren angelegt. Aktuell liegen wir bei 49,5 Prozent Aktien im Portfolio, 10 Prozent Immobilien und rund 37 Prozent Rentenpapiere plus circa 3 Prozent Liquidität und 0,5 Prozent in alternativen Investments. Vor der Zinswende lagen wir deutlich über 50 Prozent bei Aktien.
Wie soll sich Ihr Portfolio weiter entwickeln?
Lehmann: Zugunsten der Liquidität reduzierten wir den Aktienbestand zuletzt etwas, da es im kurzfristigen Bereich wieder eine ansprechende Verzinsung gibt. Ab dem Jahr 2012 ging es in diesem Bereich gegen Null und später sogar in den negativen Bereich, weshalb wir keine Liquidität mehr vorhielten, um Strafverzinsungen zu vermeiden. Nun liegen wir wieder bei knapp 3 Prozent, was ungefähr 120 bis 150 Millionen Euro entspricht, die in Termingeldern und Wertpapieren mit einer Laufzeit bis maximal zwei Jahre angelegt sind.
In der Aufzählung vermisse ich ein bisschen Private Equity und Private Debt …
Lehmann: Wir zählen Immobilien nicht zu den Alternatives, weshalb unsere Anlagen in alternativen Investments derzeit bei rund 0,5 Prozent liegen. Wir waren ab 2005 durchaus mit nennenswerten Beträgen in Private Equity und Hedgefonds investiert. Das hat aber alles nicht funktioniert und führte zu wenig erfreulichen Resultaten.
Können Sie das genauer erklären?
Lehmann: Unsere beiden Private-Equity-Mandate, eines mit dem Schwerpunkt US-Buy-outs, eines mit European Secondaries, erzielten über die Jahre eine Performance von 2 Prozent pro Jahr. Das war natürlich viel weniger, als uns zuvor in Aussicht gestellt wurde. Das lag jedoch vielleicht auch daran, dass wir eine hundertprozentige Ergebnistransparenz hatten. Denn wir legtenüber die jeweiligen Commitment-Summen Zertifikate auf. Das stimmten wir zuvor ab, mittels verbindlicher Auskunftmit dem für uns zuständigen Finanzamt.
Wie viel Geld haben Sie investiert?
Lehmann: Es waren 60 Millionen Euro pro Fonds. Den Betrag nutzten wir, um das Zertifikat zu kaufen. So gelangte das Geld, wenn Sie so wollen, hinter die Zertifikatskulisse. Ab dann oblag es den Managern, das benötigte Geld je nach Abruf in die zuvor ausgewählten Private-Equity-Fonds zu investieren und die nicht abgerufenen Mittel anderweitig vernünftig anzulegen.
Die Gesamtperformance des so verwalteten Geldes ließ sich sehr sauber und transparent in der Wertentwicklung der beiden Zertifikate ablesen. Im Ergebnis konnten keine versteckten Kosten und Gebühren verschleiert werden. Unter dem Strich stand nach zwölf und fast 20 Jahren pro Fonds ein ernüchterndes Ergebnis von jeweils nur 2 Prozent pro Jahr, trotz der unterschiedlich gewählten Investment-Schwerpunkte. Das hat uns nicht gereicht, wir sind ausgestiegen.
Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an professionelle Investoren. Bitte melden Sie sich daher einmal kurz an und machen einige berufliche Angaben. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
private banking magazin: Herr Lehmann, Sie verwalten ein Stiftungskapital von gut 4,1 Milliarden Euro. Welche Ziele verfolgen Sie?
Dieter Lehmann: Die Stiftung fördert Wissenschaft und Technik. Dies gilt für Forschung und Lehre. Die Förderung umfasst alle Bereiche: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Medizin. Das Stiftungskapital bringt Erträge. Diese kommen aus drei Quellen: Zinsen, Dividenden und Mieteinnahmen. Von diesen Erträgen werden die laufenden Kosten abgezogen. Ein Teil wird gesetzlich erlaubt zurückgelegt. Der Rest steht für neue Förderungen zur Verfügung.
Wie kann man sich Ihre Stiftungsarbeit vorstellen?
Lehmann: Wir sind zwar eine große Stiftung, aber im Vergleich zu anderen Förderern haben wir natürlich begrenzte finanzielle Mittel. Wir wollen Impulse setzen. Unterm Strich versuchen wir über verschiedene Förderinitiativen Schwerpunkte zu setzen, die nach unserem Verständnis vielleicht etwas zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Gelingt das, schaffen wir es unter Umständen auch, andere Geldgeber zusätzlich zu aktivieren. Dann ziehen wir uns wieder heraus und gehen andere Schwerpunkte an.
Was wäre ein solches, unterrepräsentiertes Thema?
Lehmann: In der Vergangenheit hatten wir eine Forschungsinitiative im subsaharischen Afrika, welche über mehrere Jahre lief. Dabei ging es um konkrete Vorhaben, etwa im Bereich der Medizinforschung, aber auch darum, jungen afrikanischen Nachwuchswissenschaftlern über die Verbesserung wissenschaftlicher Infrastruktur Anreize zu schaffen, in ihren Heimatländern zu arbeiten und zu forschen beziehungsweise auch dabei zu helfen, den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. Unser Ziel ist es, nachhaltig zu wirken und nicht nur kurzfristig Geld zu geben.
Wie hoch ist die Summe der Fördermittel, die Sie jährlich bewilligen können?
Lehmann: Bis zur Reform des Stiftungsrechts war eindeutig geklärt, dass Stiftungen nur ordentliche Erträge, die Fruchtziehung wie es früher hieß, verwenden dürfen. Der Kapitalstamm sollte nicht beschädigt werden. Daran halten wir unverändert fest, obwohl es seit 2023 möglich ist, realisierte Kursgewinne aus der Umschichtungsrücklage zu entnehmen und für die Verwirklichung des Stiftungszwecks einzusetzen. Bei uns ist es im Übrigen so, dass wir zwei Fördertöpfe haben. Der eine Topf bedient das sogenannte Programm „Zukunft Niedersachsen“. Das ist in der Gründungshistorie der Volkswagen Stiftung begründet.
Das müssen Sie mir genauer erklären?
Lehmann: Wir sind keine Unternehmensstiftung im klassischen Sinne. Die Stiftung entstand aus der Privatisierung des Volkswagenwerkes. Der Bund und das Land Niedersachsen waren die Rechtsnachfolger nach dem Krieg. In diesem Zuge wurde das Werk von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 60 Prozent der daraus gewonnen Aktien wurden verkauft.
Aus dem Erlös wurde die Stiftung gegründet. Das Gründungskapital in den 60er-Jahren betrug rund eine Milliarde D-Mark. Jeweils 20 Prozent behielten zunächst der Bund und das Land Niedersachsen. Der Bund verkaufte seine Anteile in den 80er-Jahren. Der Erlös von 808 Millionen D-Mark ging dann ebenfalls an die Stiftung.
Und das Land Niedersachsen?
Lehmann: Das hält seinen Anteil, der noch immer bei 20 Prozent liegt. Um den Anteil konstant zu halten, nahm das Land im Laufe der Jahre an Kapitalerhöhungen teil. Finanziert wurde dies aus Steuermitteln.
Warum ist dem Land daran gelegen, den Anteil bei 20 Prozent zu halten?
Lehmann: Das ist verbunden mit einem besonderen Stimmrecht für das Land, welches im Zuge der Privatisierung des Werkes so festgelegt wurde und dem Land schon bei diesem Anteil ein Vetorecht bei wichtigen zu treffenden Beschlüssen einräumt. Hätte das Land an den Kapitalerhöhungen nicht teilgenommen, läge sein Anteil an der Volkswagen AG nur noch bei etwa 10 Prozent. Das ist aber wiederum genau der Anteil, der auch heute noch mit der Gründungshistorie der Volkswagen Stiftung in Verbindung zu bringen ist.
Was passiert mit dem Gewinn, den die Anteile generieren?
Lehmann: Die Gewinnansprüche aus den mit der Volkswagen Stiftung in Verbindung stehenden Anteilen, in der Regel handelt es sich dabei um die Dividendenzahlungen, müssen an die Stiftung abgeführt werden. Die Stiftung betrachtet diese wirtschaftlich gesehen als einen durchlaufenden Posten. Das Geld wird dem Land Niedersachsen wieder zur Verfügung gestellt, wenn es belegen kann, dass es für Projekte im Sinne des Stiftungszwecks im Rahmen des Programms „Zukunft Niedersachsen“ eingesetzt wird. Hier haben wir als Stiftung eine Art Aufsichtsfunktion inne.
Sie sprachen von zwei Fördertöpfen …
Lehmann: Die ordentlichen Erträge, die wir aus dem eigentlichen Stiftungskapital erwirtschaften, fließen dem zweiten Topf zu, der Allgemeinen Förderung, die also nicht nur auf das Land Niedersachsen beschränkt ist. Es gibt in Deutschland keine gesetzliche Vorgabe darüber, wie viel eine Stiftung ausschütten muss. Es gibt jedoch das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Das beinhaltet, dass ordentliche Erträge spätestens zwei Jahre nach dem Jahr des Zuflusses dem Stiftungszweck zugeführt werden müssen.
In den USA ist es anders. Dort müssen Stiftungen jährlich ausschütten …
Lehmann: In den USA müssen jährlich 5 Prozent des Stiftungsvermögens für satzungsgemäße Zwecke, inklusive der laufenden Geschäftskosten, ausgeschüttet werden. Im Gegenzug gibt es in den USA keine gesetzlichen Vorgaben bei der Kapitalerhaltung.
Das klingt logisch …
Lehmann: Das eine würde zu dem anderen nicht passen. Wenn vorgegeben wird, dass ein bestimmter Betrag unabhängig von Inflationsrate und jeweiligen Bedingungen an den Kapitalmärkten ausgeschüttet werden muss, kann auf der anderen Seite kein realer Kapitalerhalt erwartet werden. Wir haben uns in der Volkswagen Stiftung ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Vorgaben dennoch im Jahr 2005 eine Zielsetzung gestellt für die Summe der Neubewilligungen für unsere Allgemeine Förderung. Diese lag bei 50 bis 60 Millionen Euro pro Jahr. Diese Bandbreite wird seitdem fortgeschrieben mithilfe einer speziellen Inflationsrate, die wir auch zur Berechnung unserer realen Kapitalerhaltung benutzen. Dadurch wuchs im Jahr 2024 das Zielvolumen auf eine Bandbreite von 74 bis 88,8 Millionen Euro an.
In den vergangenen Jahren lagen wir für diesen Fördertopf immer über der Obergrenze. Im vergangenen Jahr lagen wir ziemlich genau bei 100 Millionen Euro. Dazu möchte ich sagen, dass alle Projekte, die wir bewilligen, durchfinanziert sind. Verantwortliche eines Projekts, das beispielsweise drei Jahre Zeit in Anspruch nimmt, können sich darauf verlassen, dass die bewilligten Mittel bis zum Ende der Projektlaufzeit zur Verfügung stehen.
Sie konnten in den vergangenen Jahren mehr Fördermittel als geplant bewilligen. Wie ist das vor dem Hintergrund von Corona, Russland-Krieg, diversen weiteren geopolitischen Spannungen, Zinswende und der einhergehenden Inflation möglich?
Lehmann: Dafür muss man zurückschauen auf die Zeit rund um die Jahrtausendwende und auf das Jahr 2005, in dem wir unsere Förderziele definiert haben. Unser zweites großes Ziel ist die reale Kapitalerhaltung. In Deutschland besteht die Möglichkeit nach Paragraf 62 der Abgabenordnung, ein Drittel des Überschusses aus Vermögensbewirtschaftung dem Kapital zuzuführen zum Zwecke der realen Kapitalerhaltung. Der Überschuss aus Vermögensbewirtschaftung setzt sich aus den ordentlichen Erträgen abzüglich der Kosten für die Vermögensbewirtschaftung zusammen.
Das Zinsniveau war bis vor wenigen Jahren niedrig bis negativ …
Lehmann: Und die Rücklage, die wir bis dahin immer komplett ausgeschöpft hatten, hat viele ordentliche Erträge gebunden. Wir mussten feststellen, dass die Rücklage auf den ersten Blick hoch war, aber auch in Zeiten einer niedrigen Inflation nicht ausreichend ist, um das Kapital real zu erhalten. Dafür muss auf Sachwerte gesetzt werden, beispielsweise auf Aktien und Immobilien. Also auf Anlagen, die keine Endfälligkeit haben und bei denen man somit von einem langfristigen Wertzuwachs profitieren kann. Verzinste Wertpapiere können natürlich auch Kursschwankungen haben, werden bei Fälligkeit aber zu 100 Prozent zurückbezahlt, so die Bonität des Emittenten ausreichend ist.
Bei Rententiteln entstehen manchmal Kursgewinne. Diese müssten durch Verkauf realisiert werden. Dabei verliert man aber die höhere laufende Verzinsung. Wartet man bis zur Endfälligkeit, sind die Kursgewinne wieder weg. Deshalb änderten wir unsere Anlagestrategie. Wir verringerten den Anteil an verzinslichen Wertpapieren. Stattdessen investierten wir mehr in Aktien.
Wie schlägt sich das in Ihrem Portfolio nieder?
Lehmann: 1998 hatten wir eine Aktienquote von 26 Prozent, während unsere Immobilienquote seit jeher zwischen 10 und 15 Prozent liegt, damals lag sie bei 11 Prozent. Der Rest, also etwa 63 Prozent, war in verzinsten Wertpapieren angelegt. Aktuell liegen wir bei 49,5 Prozent Aktien im Portfolio, 10 Prozent Immobilien und rund 37 Prozent Rentenpapiere plus circa 3 Prozent Liquidität und 0,5 Prozent in alternativen Investments. Vor der Zinswende lagen wir deutlich über 50 Prozent bei Aktien.
Wie soll sich Ihr Portfolio weiter entwickeln?
Lehmann: Zugunsten der Liquidität reduzierten wir den Aktienbestand zuletzt etwas, da es im kurzfristigen Bereich wieder eine ansprechende Verzinsung gibt. Ab dem Jahr 2012 ging es in diesem Bereich gegen Null und später sogar in den negativen Bereich, weshalb wir keine Liquidität mehr vorhielten, um Strafverzinsungen zu vermeiden. Nun liegen wir wieder bei knapp 3 Prozent, was ungefähr 120 bis 150 Millionen Euro entspricht, die in Termingeldern und Wertpapieren mit einer Laufzeit bis maximal zwei Jahre angelegt sind.
In der Aufzählung vermisse ich ein bisschen Private Equity und Private Debt …
Lehmann: Wir zählen Immobilien nicht zu den Alternatives, weshalb unsere Anlagen in alternativen Investments derzeit bei rund 0,5 Prozent liegen. Wir waren ab 2005 durchaus mit nennenswerten Beträgen in Private Equity und Hedgefonds investiert. Das hat aber alles nicht funktioniert und führte zu wenig erfreulichen Resultaten.
Können Sie das genauer erklären?
Lehmann: Unsere beiden Private-Equity-Mandate, eines mit dem Schwerpunkt US-Buy-outs, eines mit European Secondaries, erzielten über die Jahre eine Performance von 2 Prozent pro Jahr. Das war natürlich viel weniger, als uns zuvor in Aussicht gestellt wurde. Das lag jedoch vielleicht auch daran, dass wir eine hundertprozentige Ergebnistransparenz hatten. Denn wir legten über die jeweiligen Commitment-Summen Zertifikate auf. Das stimmten wir zuvor ab, mittels verbindlicher Auskunft mit dem für uns zuständigen Finanzamt.
Wie viel Geld haben Sie investiert?
Lehmann: Es waren 60 Millionen Euro pro Fonds. Den Betrag nutzten wir, um das Zertifikat zu kaufen. So gelangte das Geld, wenn Sie so wollen, hinter die Zertifikatskulisse. Ab dann oblag es den Managern, das benötigte Geld je nach Abruf in die zuvor ausgewählten Private-Equity-Fonds zu investieren und die nicht abgerufenen Mittel anderweitig vernünftig anzulegen.
Die Gesamtperformance des so verwalteten Geldes ließ sich sehr sauber und transparent in der Wertentwicklung der beiden Zertifikate ablesen. Im Ergebnis konnten keine versteckten Kosten und Gebühren verschleiert werden. Unter dem Strich stand nach zwölf und fast 20 Jahren pro Fonds ein ernüchterndes Ergebnis von jeweils nur 2 Prozent pro Jahr, trotz der unterschiedlich gewählten Investment-Schwerpunkte. Das hat uns nicht gereicht, wir sind ausgestiegen.
Was haben Sie dann gemacht?
Lehmann: Während der Corona-Zeit beschäftigten wir uns noch einmal intensiv mit Venture Capital und Private Equity. Wir spielten andere Wege durch, beispielsweise über Direktbeteiligungen oder über die Gründung einer eigenen Tochter. Wir haben alles verworfen.
Aus welchen Gründen?
Lehmann: Zum einen dürfen wir nach der noch geltenden Vorgabe des für uns zuständigen Finanzamtes maximal nur 10 Prozent unseres Vermögens in alternative Anlagen investieren. Es handelt sich dabei um eine harte Grenze, entwickelt sich die Beteiligung positiv und wird diese Obergrenze dadurch überschritten, kämen wir recht schnell in die Position, Teile verkaufen zu müssen. Das ist schwierig und kostspielig in diesem Bereich.

Zum anderen ist der hausinterne Personalaufwand, wenn man ernsthaft und damit langfristig in Alternatives investieren will, hoch. Entgegen den Versprechungen der externen Manager hatten wir einen erheblichen Aufwand in der Begleitung unserer Anlagen, um die besagten Transparenzen herzustellen. Wir wollen nicht den gleichen Fehler zweimal machen, hätten also extra Personal aufbauen müssen.
0,5 Prozent Ihres Portfolios sind aber noch in Alternatives angelegt…
Lehmann: Vor mehr als zehn Jahren bauten wir ein Portfolio von Listed-Private-Equity auf. Zudem hängten wir an ein bestehendes Aktien-Mandat ein Sub-Portfolio mit Micro Caps an. Diese tragen in unseren Augen viele Ideen der Start-up-Branche in sich, sind dabei aber einen Schritt weiter, nämlich bereits börsennotiert. Das erhöht die Transparenz und mindert damit den eigenen Personalaufwand.
Böse Zungen könnten jetzt behaupten, Sie steigen ein, wenn die größte Gewinnphase bereits vorbei ist …
Lehmann: Das wird gerne behauptet. Über das richtige Timing lässt sich bei allen Anlageentscheidungen immer wieder trefflich streiten. Was Alternatives angeht, glaube ich vieles von dem nicht mehr, was mir in den vergangenen zwei Jahrzehnten erklärt und gezeigt wurde – ich bin ein Stück weit auf dem Boden der Realität angekommen und das ist ein sehr wertvoller Erfahrungsschatz.
2020 sagten Sie im Interview mit dem private banking magazin, Diversifikation und Disziplin seien der Schlüssel zum Erfolg. Kann Diversifikation ohne Alternatives ausreichend gelingen?
Lehmann: Wir wissen, dass wir mit unserer Haltung was Alternatives betrifft, ein gutes Stück weit gegen den Strom schwimmen. Und ja, ich bin nach wie vor ein großer Fürsprecher von Diversifikation. Wir brauchen dazu aber keine alternativen Anlagen. Wir sind weltweit investiert und überall, wo wir außerhalb der Euro-Zone investiert sind, haben wir auch die jeweiligen Lokal-Währungen. Wir haben diese nicht abgesichert, weder US-Dollar, britische Pfund oder beispielsweise lokale Währungen aus Südostasien. All diese Währungen haben wir im Bestand und diese machen einen wichtigen Anteil unserer Diversifikation aus.
Warum dienen Währungen der Diversifikation?
Lehmann: Fremdwährungen sind in meinen Augen aktiv nicht erfolgreich zu managen. Es gibt dafür einfach zu viele Irrationalitäten. Allein bei der Entwicklung von Euro zum US-Dollar gibt es für jede auch noch so kleine Bewegung gute Argumente dafür und dagegen. Das findet sich bei allen Währungen und genau das ist der Grund, warum sie als Diversifikator perfekt sind.
Als eine Art Overlay?
Lehmann: Genau, Währungen sind unser Overlay, um die Volatilität insgesamt nach unten zu bringen. Das funktioniert, wenn man es durchhalten kann. In einer breiten Diversifikation muss Ruhe bewahrt werden, wenn ein Bereich schlecht läuft.
Wird sofort abgesichert, verlässt man die Strategie. Es muss immer positive und negative Teilergebnisse geben, ohne diese haben Sie keine Diversifikation. Viele Marktteilnehmer halten das nicht aus, zum Beispiel weil sie meist mit auf Volatilitäten basierende Risikobudgets und Absicherungsstrategien arbeiten. Im Übrigen gibt es in puncto Diversifikation eine interessante Entwicklung.
Die da wäre?
Lehmann: In der jüngeren Vergangenheit, ausschließlich auf den Diversifikationsgedanken gerichtet, schnitten Small, Mid und Micro Caps deutlich schlechter ab als Bluechips. In den USA ist das durch die Tech-Werte getrieben, aber beispielsweise auch der DAX schlug europäische und deutsche Micro Caps. Das bringt mich zu der Überlegung, ob ich in den vergangenen zwei Jahren wirklich Private Equity und Venture Capital im Portfolio gebraucht hätte. Am Ende des Tages geht es doch immer nur um eines: Was sind die Ziele meiner Vermögensanlage? Erfülle ich diese Ziele so komfortabel, dass ich auch in schwierigen Jahren, wie beispielsweise 2022, als Anleihen und Aktien nach unten gingen, darüber hinwegkomme?
Wenn dem so ist und zwar insbesondere über einen langen Zeitraum von mindestens einem Jahrzehnt, besser noch länger, war und ist meine Anlagestrategie erfolgreich und es gibt keinen Anlass, laufend irgendetwas zu verändern oder anzupassen. Jahre, in denen Diversifikation nicht gut funktioniert, wird es immer wieder geben. Wir als Stiftung sind auf Ewigkeit ausgerichtet. Wir müssen langfristig planen und Reserven bereithalten.
Welches Renditeziel müssen Sie erfüllen, um alle Verpflichtungen zu erfüllen?
Lehmann: Einzelne Jahre dürfen uns nicht allzu sehr beeindrucken. Seit 1990 errechnen wir im Haus unsere Performance. Seitdem liegt diese bei rund 6 Prozent pro Jahr. Derzeit bewilligen wir pro Jahr rund 100 Millionen Euro an Fördermitteln, das sind 2,5 Prozent. Die laufenden Geschäftskosten liegen bei weit unter einem Prozent. Für den realen Kapitalerhalt bleiben, vor dem Hintergrund der wechselhaften Inflationsrate, also über 3 Prozent übrig.
6 Prozent klingen komfortabel, aber nicht berauschend …
Lehmann: Es kann immer mehr sein. Man kann immer weiter optimieren. Eine höhere Rendite geht aber auch immer mit einem höheren Risiko einher. Wir können unsere Ziele erfüllen und solange wir das können, ist unser Risikoappetit gestillt. Vor 25 Jahren merkten wir, dass die Zinsen immer weiter sinken. Das brachte unsere Ziele in Gefahr und wir haben reagiert. Mein Job ist es, frühzeitig Probleme auszumachen, die langfristig wirken werden. Das schnelle Setzen auf kurzfristigen Erfolg überlasse ich anderen. Wem es gelingt, dem gehört meine Sympathie und Anerkennung. Ich bin froh, dass ich darauf nicht angewiesen bin.
Mid und Small Cap in Europa gelten als unterbewertet. Wie schätzen Sie das ein?
Lehmann: Im Moment scheinen mir in der Tat viele Unternehmen unterbewertet zu sein. Mehr investieren werden wir aber nicht. Bezogen auf Deutschland ist es einfach so, dass die von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen sehr ungünstig sind. Seit drei Jahren sollen Energiekosten, Steuern und Bürokratie sinken – getan hat sich nichts. Darunter leiden in erster Linie der Mittelstand und die kleinen Unternehmen.
Großkonzerne haben weltweit Produktionsstätten, können den angesprochenen Problemen ein gutes Stück weit aus dem Weg gehen. Deshalb schlägt derzeit der DAX die kleinen Indizes. Im Rest Europas finden kleine Unternehmen bessere Bedingungen.
Wie ist Ihr Aktienportfolio global aufgestellt?
Lehmann: Derzeit verteilt sich unser Aktienbestand zu 20 Prozent auf Euroland und etwa 9 Prozent im restlichen Europa, also Skandinavien, Schweiz und Großbritannien. Europäische Small und Mid Caps machen zusätzlich 2 Prozent aus, Micro Caps ein Prozent. Die Werte beziehen sich dabei immer auf das Gesamtvermögen. In Nordamerika stehen wir bei 12 Prozent. Asien 5 Prozent und Pazifik ein Prozent.
Und wie diversifiziert ist Ihr Rentenbereich?
Lehmann: Eigenverwaltete Renten und ein paar Fremdwährungsanleihen machen gut 22 Prozent aus. Neuseeland, Australien, Kanada und Norwegen ergeben in der Summe knapp 6 Prozent. In den USA sind es ebenfalls 6 Prozent und 3 Prozent in den Emerging Markets. Noch haben wir einen kleinen Schwerpunkt in der Eurozone. Wir arbeiten aber daran, keinen Schwerpunkt im Portfolio zu haben.
Wie stehen Sie zu China?
Lehmann: China spielt eine untergeordnete Rolle. Das war allerdings nicht immer so. Über Aktien in Spezialfonds ist China heute nur noch mit 1,5 Prozent vertreten.
Wie sieht die Aufteilung insgesamt zwischen Spezialfonds und anderen Fonds aus, und was machen Sie selbst, und in welchen Bereichen nutzen Sie die Expertise externer Anbieter?"
Lehmann: Alles, was sich im Euroraum abspielt, machen wir selber. Im Aktienbereich sind das rund eine Milliarde Euro Assets under Management von insgesamt 5,8 Milliarden Euro, die wir verwalten.
Und außerhalb des Euroraums?
Lehmann: In erster Linie sind wir ein passiver Investor. Im Aktienbereich noch stringenter, weil wir versuchen eine Benchmark abbilden zu lassen. Es kommt also nicht in einem solchen Maße auf Expertise an, wie das bei einem aktiven Manager der Fall ist. Er muss sich dennoch sehr gut auskennen, auch wenn er nur einen Index abbilden muss, was schwer genug ist. Im passiven Bereich muss man also gar nicht die international tätigen, großen Unternehmen beauftragen. Das aktive Management haben wir nur bei den besagten Small, Mid und Micro Caps, weil die Illiquidität in diesem Bereich für eine aktive Herangehensweise spricht. Mir ist bewusst, dass einige meinen, das auch passiv zu können. Passivität ist für uns kein Dogma, wir sind offen für gute Argumente.
Und im Rentenbereich?
Lehmann: In diesem Bereich sind wir ebenfalls passiv aufgestellt. Wir bilden keine Indizes eins-zu-eins ab, wegen der Liquidität würde das nicht funktionieren. Wir suchen jedoch Indizes für die Diversifikation, die nach geografischen Gesichtspunkten gewählt werden. Diese müssen in der Lage sein, die Spezifik der geografischen Region abzubilden. Im Aktienbereich geschieht das über verschiedene Branchen, im Rentenbereich über Staats- oder Unternehmensanleihen, die verschiedene Länder abbilden. Aus diesen wählen wir Komponenten, beispielsweise die Duration, das Durchschnitts-Rating oder den Typus der Anleihen.
Ist es beispielsweise eine Benchmark mit Staatsanleihen, mischen wir keine Unternehmensanleihen dazu. Meistens praktizieren wir Buy and Hold, weil wir im Rentenbereich vor allem die Zinserträge für die Stiftungszweckverwirklichung benötigen. Im Aktienbereich sind wir dankbar für Dividenden als ordentliche Erträge, es geht aber in erster Linie um langfristigen Wertzuwachs, um das Kapital real zu halten.
Lassen Sie sich auch ETFs maßschneidern?
Lehmann: Das machen wir ganz grundsätzlich nicht. Der erste Grund ist, dass ETFs zu teuer sind im passiven Bereich. Da können wir über Spezialfondsmandate deutlich bessere Konditionen heraushandeln. Das hängt immer von der Größenordnung ab. Der zweite Grund ist, dass wir als steuerbefreite Einrichtung Quellensteuerrückerstattung im Ausland beantragen können. Über ETFs ist das nicht möglich.
Wie passen die von Ihnen angesprochenen 5,8 Milliarden Euro mit den zuvor erwähnten 4,1 Milliarden Euro zusammen?
Lehmann: Das tatsächliche Stiftungsvermögen beträgt 4,1 Milliarden Euro. Die 5,8 Milliarden Euro setzen sich aus diesem Stiftungsvermögen und bewilligten Fördermitteln zusammen, die noch nicht abgerufen worden sind.
Ist das normal, dass Mittel in dieser Höhe auf Abruf warten?
Lehmann: Ursächlich dafür ist der von mir erwähnte erste Topf, in dem das Programm „Zukunft Niedersachsen“ angesiedelt ist. In diesem findet sich die Dividende von Volkswagen, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich hoch ausfiel. Im Januar 2023 kam es zudem zu einer Sonderdividende durch den Verkauf von Porsche, das Unternehmen ist ja an der Börse gelistet. Das waren 576 Millionen Euro, die der Stiftung seinerzeit zuflossen. Zum Stiftungsvermögen gehört das Geld nicht, sondern geht, wie bereits erwähnt, an das Land Niedersachsen und wird bis dahin von uns zwischenverwaltet. Aus der Anlage noch nicht abgerufener bewilligter Fördermittel ergeben sich zudem beispielsweise auch stille Reserven, weshalb der Wert den wir derzeit verwalten, historisch betrachtet besonders hoch ist.
Zukünftig dürfte die Dividende von Volkswagen geringer ausfallen …
Lehmann: Ich gehe davon aus, dass von Volkswagen weniger zu erwarten ist, ohne dies konkret zu wissen. Wir benutzen für unsere Planungen Prognosen von Bankhäusern und Analysten, die über Refinitiv Thomson Reuters veröffentlicht werden. Hier geht die Tendenz nach unten. Die allgemeinen Nachrichten lassen ebenfalls nichts anderes erwarten. Volkswagen geht es derzeit, so mein Eindruck, wirklich nicht gut. Ich habe da aber kein Insider-Wissen. Der Name Volkswagen Stiftung suggeriert eine Nähe, die es nicht gibt. Mit dem Namen wollten Bund und Land zeigen, woher das Grundstockvermögen der Stiftung stammt.
Sorgen Sie sich dennoch um Volkswagen?
Lehmann: So sehr wie jeder, der möchte, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und es den Menschen in diesem Land gut geht. Wirkliche Kontakte, beispielsweise zur Treasury-Abteilung in Wolfsburg oder Ähnliches, habe ich nicht.
Über den Interviewten
Dieter Lehmann ist seit 1999 Mitglied der Geschäftsleitung und ist zudem Leiter der Abteilung Vermögensanlage, Finanzen und Verwaltung der Volkswagen Stiftung. Vorherige Karrierestation war von 1991 bis 1999 die DG Bank (heute DZ Bank).