private banking magazin: Herr Althans, Sie haben in einer Artikelserie in diesem Magazin Kritik an illiquiden Vermögenswerten geübt. Warum stören Sie sich an Private Equity?
Althans (lacht): Ich habe kein Problem mit Private Equity, aber eine Beobachtung gemacht: Liquide Small Caps haben historisch stark und lang die großen börsennotierten Titel überflügelt. Seit mehr als zwei Jahren erlebt das Segment allerdings eine Flaute und hatte starken Gegenwind – bisher ohne Gegenbewegung. Das führt dazu, dass Small Caps schlichtweg objektiv günstig sind. Da kommt Private Equity ins Spiel: In unserem Portfolio, in den Watchlists und im Small-Cap-Universum schnappen sich Private-Equity-Investoren opportun einige Unternehmen – gefühlt so oft wie nie zuvor.
Das kann ja für Manager liquider Portfolios durchaus ein auskömmliches Geschäft sein. Warum ist das also ein Problem?
Althans: Weil Private-Equity-Investoren dieselben Unternehmen mit einer Kontrollprämie und mit dem Vielfachen an Fremdkapital einkaufen, sie in eine illiquide Hülle stecken und mit dem Dreifachen an Gebühren an Investoren weiterverkaufen. Angeblich bei mehr Performance und weniger Risiko. Dort vergleichen Private-Equity-Vertriebler sehr wohlwollend Äpfel mit Birnen.
Herr Weinmann, wie ist es um ihre Obstkenntnisse bestellt? Sie kommen ja von der Private-Equity-Seite.
Weinmann: Die Kritik von Herrn Althans betrifft die Large-Cap-Fonds. Dort finden sich aber weniger Wertschöpfungsmöglichkeiten, da es sich meist um gut geführte Unternehmen handelt. Das Gros der Unternehmenskäufe von Private-Equity-Fonds findet aber bei kleineren Unternehmen mit einem Wert von unter 100 Millionen Euro statt. In dem Segment können Private-Equity-Fonds über Professionalisierungsmaßnahmen oder Zukäufe größere und bessere Unternehmen bauen.
Althans: Interessanterweise sagt die akademische Literatur, dass sich die von Ihnen beschriebene Wertschaffung in der Form generell nicht in der Datenlage wiederfindet. Stattdessen finden sich nur zwei Hebel: Wachstum und Bewertung.
Weinmann: Private-Equity-Fonds haben aber einen strukturellen Vorteil auf dem Weg zu Wachstum im Vergleich zu börsennotierten Investoren: Der Vorstand einer deutschen AG ist dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet, das steht im Gesetz. Ein Investor – selbst als Aufsichtsratsmitglied – kann wenig direkten Einfluss auf den Vorstand nehmen. Private-Equity-Fonds beteiligen sich regelmäßig als Mehrheitsgesellschafter an Unternehmen und können so die Geschäftsführung schlichtweg anweisen, die Firma anders zu führen. Außerdem: Beteiligt sich ein Private-Equity-Fonds an einem Unternehmen, ist auch oft das Management des Unternehmens substanziell mit eigenem Geld investiert.
„Investoren haben teilweise von Banken zu einfach Darlehen bekommen, ohne dass sie wirklich Due Diligence nachweisen mussten “
Althans: Dieses Phänomen lässt sich aber auch an den liquiden Märkten finden, bei Familienunternehmen etwa. Wir sind qua Mandat zwar ein aktiver, dennoch kein aktivistischer Investor. Bleibt die Frage nach der Bewertung: Das Deal-Volumen der Private-Equity-Industrie verteilt sich sehr prozyklisch auf Zeiträume mit ohnehin hohen Bewertungen.
Weinmann: Ein Erklärungsansatz: In Zeiten großer Übertreibungen wie vor der Finanzmarktkrise haben Investoren teilweise von Banken zu einfach Darlehen bekommen, ohne dass sie wirklich Due Diligence nachweisen mussten. Dies sind Fehlentwicklungen, die leider an den Finanzmärkten immer wieder vorkommen. Deshalb ist es immer wichtig, dass man in Übertreibungsphasen ein richtiges Maß an Vorsicht walten lässt.
Althans: Würde ich meine Aktienrendite von typischerweise 8 Prozent mit dem Leverage hebeln, auf dem sich Private Equity normalerweise bewegt, dann kann ich auch schnell die typische zweistellige Private-Equity-Rendite von 12 oder 13 Prozent pro Jahr darstellen.
Weinmann: Theoretisch gebe ich Ihnen recht. In der Praxis findet man jedoch schwerlich eine Bank, die Aktieninvestoren Fremdkapital ohne Rückgriff auf deren Vermögen gibt. Bei Private-Equity-Investments haben Banken nämlich keinen Rückgriff auf Investoren und müssen auf die Werthaltigkeit der finanzierten Geschäftsmodelle und deren Entwicklung abstellen. Aber ja: Die Kritik an zu hohen Leverages kann ich bei großen Transaktionen nachvollziehen.
Althans: Zusätzlich liegen viele Assets zu relativ hohen Bewertungen in den Büchern, während Exits und das Fundraising aktuell klemmen. Es sollte klarer zwischen Buchgewinnen und tangiblen Rückführungen unterschieden werden.
Weinmann: Hohe Bewertungen sind ein Venture-Capital-Problem. Gerade wenn dort die vorerst letzte Finanzierungsrunde zwei Jahre her ist. Bei Private Equity sind laufende Bewertungen konservativer, da sie auf Basis von Vergleichsmultiplikatoren und der Gewinnsituation zum jeweiligen Bewertungszeitpunkt basieren.
Der war zwischenzeitlich aber nicht gegeben?
Weinmann: Nach Corona kam es zunächst zu vielen Transaktionen. Anfang 2022 starteten dann viele Fonds früher als geplant ihr Fundraising, Investoren nahmen wegen des Überangebots eine Wartestellung ein. Die schnellen Zinserhöhungsschritte der Notenbanken verstärkten das noch. In den Portfolios fielen Aktienkurse, langlaufende Staatsanleihen gerieten unter Druck. Da bei großen institutionellen Investoren der Portfolio-Anteil von Private Equity auf 10 bis 15 Prozent gedeckelt ist, mussten sie für Neu-Investments auf die Bremse treten. Diese Spirale sind wir die beiden vergangenen Jahre heruntergelaufen und nun am Boden angekommen. Die Problematik löst sich jetzt durch Secondary-Verkäufe von Portfolios und Verkäufe von interessanten Einzelbeteiligungen auf.
„Ich frage mich immer wieder, ob die Messgröße IRR im Vergleich zu liquiden Märkten Sinn ergibt“
Althans: Das könnte sich auf die Performance auswirken. Und apropos Wertentwicklung: Ich frage mich dabei immer wieder, ob die Messgröße IRR im Vergleich zu liquiden Märkten Sinn ergibt. Denn schließlich ist das Kapital ja nicht durchgängig investiert, wie die Situation gerade zeigt.
Weinmann: Die IRR ergibt Sinn, wenn professionelle Investoren kontinuierlich ihre Portfolios drehen, anstatt über einen einzelnen Fonds die J-Kurve runter- und wieder hochzulaufen. Klassischerweise liegt die Investitionsquote dann auch bei etwa zwei Drittel des gezeichneten Kapitals.
Althans: Aber auch bei rollierenden Portfolios: Ein struktureller Vorteil von liquiden Investments ist ja, dass ich in Sekunde null investieren kann und eine im statistischen Erwartungswert positive Rendite habe. Das wird in den direkten Vergleichen bequemerweise oft ausgeblendet.
Weinmann: Aber Kapitalabrufe sind so planbar, dass Investoren pro Jahr von Kapitalabrufen noch investierender Fonds in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Zeichnungsbetrags ausgehen können. Den Rest legen sie meist in Aktien an. Möchte ich ein liquides und ein illiquides Portfolio belastbar vergleichen, muss ich das beachten. Die Über-Performance von Private Equity wirkt erst, wenn die Ausschüttungen kommen.
Althans: Gerade bei Ausschüttungen beobachte ich aber eine Entfremdung des unterliegenden Assets. Warum? Weil Fondsmanager über Financial Engineering in der aktuellen Phase mit weniger Exits ja durchaus kreative Wege finden, um Liquidität zurückzuführen, Dividend Recaps für einzelne Beteiligungen oder NAV Loans für ganze Portfolios nur als Beispiel. Eine Ausschüttung durch zusätzliche Beleihung ist keine nachhaltige Investmentstrategie. Die Kosten dieser Kosmetik ignorieren die Manager im ersten Schritt natürlich bequem und gerne.
„Financial Engineering ergibt nur Sinn, um die Planbarkeit der Kapitalabrufe zu verbessern oder in Sondersituationen Kapital aufzutreiben“
Weinmann: Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Private Equity sollte Geld über die besprochenen Wachstumstreiber operativ verdienen: Umsatz- oder Ergebniswachstum auf der einen, Zukäufe auf der anderen Seite. Financial Engineering ergibt nur Sinn, um die Planbarkeit der Kapitalabrufe zu verbessern oder in Sondersituationen Kapital aufzutreiben. Deshalb prüfen wir Private-Equity-Fonds sehr genau auf deren Wertschöpfungsquellen.
Bleibt der Blick in der Zukunft – welche Faktoren werden dann wieder wichtig?
Althans: Spannend sind die veränderten Rahmenbedingungen: Während der Niedrigzinsphase halfen steigende Bewertungen und günstiges Fremdkapital klar Private Equity. Eine Multiple-Arbitrage-Strategie ist aber nicht wiederholbar. Wachstum aus dem operativen Geschäft heraus gibt es heute auch zu einem an liquiden Märkten historisch niedrigen Bewertungsniveau, sodass aus unserer Sicht liquide Small Caps für die Neu-Allokation die Nase vorn haben.
Weinmann: Und auch auf der privaten Seite sind die Bewertungen gefallen, weil sich zum einen Fremdkapital verteuert hat und zum anderen die Renditeerwartung größer ist im Vergleich zu sichereren Staatsanleihen. Insofern dürfte das Timing in Verbindung mit strukturellen Einflüssen wieder besser greifen.
Über die Interviewten:
Paul Althans hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der Università Bocconi in Mailand studiert und ist seit 2016 bei der Investmentgesellschaft Chom Capital tätig. Vorherige Stationen waren Greenhill & Co., die Deutsche Bank und KPMG. Althans ist hauptverantwortlich für den Chom Capital Pure Sustainability Small Cap Europe UI Fonds, der auf paneuropäische Nebenwerte fokussiert ist.
Thomas Weinmann ist Gründer und Partner von Reia Capital. Zuvor hatte er bereits 2012 Astorius mitgegründet, ebenfalls ein Anbieter für Private-Equity- Dachfonds. Vor der Gründung von Astorius war Weinmann 13 Jahre lang für das Beteiligungsunternehmen BC Partners tätig. Zwischen 2011 und 2015 war er Vorstand des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.