Neil Goddin von Artemis „Selbst Boris Johnson kümmert sich inzwischen um die Umwelt“

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Lässt sich der Weg zur Preisparität beschleunigen?

Goddin: Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin für den Kapitalismus. Weil viele unserer heutigen Probleme durch den Kapitalismus und den privaten Sektor gelöst werden können. Aber für den Rest braucht es ein wenig Regulierung. Denn wenn der Kapitalismus sich nur darauf fokussiert, in kommendem Jahr Geld zu verdienen, dann kümmert sich keiner um das, was in 10 Jahren ist. Und genau das gleiche Dilemma gibt es in der Politik.

Wie meinen Sie das?

Goddin: Politiker werden für ihre Amtszeit gewählt, die Klimakatastrophe ist aber umfassender als diese Amtszeit. Theoretisch wäre es fast besser, wenn der Umgang damit nicht-politisch wäre. Aber das wird natürlich passieren. Zum Glück hat sich vieles geändert – selbst Boris Johnson kümmert sich inzwischen um die Umwelt. Das wäre vor 20 oder 25 Jahren nicht passiert.

Inwieweit ist das eine Generationenfrage?

Goddin: Das habe ich letztens gemerkt, als ich einen Wettbewerb mit schottischen Schülerinnen begleitet habe, die eine Präsentation zu Aktien halten sollten. Fast alle von ihnen präsentierten nachhaltige Unternehmen. Nicht Facebook oder Snapchat, wie man vielleicht erwarten könnte. All diese schottischen Schulmädchen werden bald wahlberechtigt sein. Wenn also jemand Politiker im Vereinigten Königreich oder Deutschland ist, kann er es sich nicht mehr leisten, die Bedenken dieser Generation nicht ernst zu nehmen.

 

 

 


Wie lassen sich auch andere größere Länder von einem nachhaltigeren Wirtschaften überzeugen, etwa die USA oder China?

Goddin: Es ist kurios, wenn man bedenkt, wie unsere nachhaltigen Aktien aus den USA performten, während Donald Trump Präsident war. Selbst mit Trump an der Regierung hat sich eine Menge im Bereich der Nachhaltigkeit verbessert. Und nun haben wir Biden. Zu China: Ein Großteil der Todesfälle in dem Land hängt derzeit mit der Umweltverschmutzung zusammen. Und wenn die Regierung das nicht ändert, wird diese Zahl weiter steigen. Es stecken also vielleicht nicht die gleichen Beweggründe hinter Chinas Nachhaltigkeitsstrategie, aber auch sie arbeiten an Lösungen. In den meisten Ländern passieren also viele gute Dinge. Nur wahrscheinlich immer noch nicht schnell genug.

Braucht es schnelle Disruptionen?

Goddin: Ja, nur diese Disruptionen müssen identifiziert werden. Denn wenn man auf einen Disruptor in irgendeiner Branche trifft, gehen erstmal alle Beobachter davon aus, dass er versagt. Wir sind auf der Jagd nach den Disruptoren, die nicht versagen. Und das ist auch die Art und Weise, wie sich Geld verdienen lässt.

Sie verwalten einen Impact-Fonds, wollen also auch einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Ist das am Aktienmarkt so einfach möglich?

Goddin: Es gibt zwei Wege, am Aktienmarkt eine Wirkung zu erzielen. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Wir fokussieren uns auf die Unternehmen, von denen wir glauben, dass sie den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit positiv unterstützen können. Der andere Weg ist, sich auf die Unternehmen zu fokussieren, die diesem Wandel am meisten im Weg stehen, um sie zu verändern.