Neil Goddin von Artemis „Selbst Boris Johnson kümmert sich inzwischen um die Umwelt“

Neil Goddin von Artemis

Neil Goddin von Artemis: Der Fondsmanager rechnet Nachhaltigkeit eine gewisse Emotionalität zu. Foto: Artemis

private banking magazin: Lassen Sie uns mit einem positiven Ausblick in das Interview starten. Warum lässt sich die Klimakatastrophe noch verhindern?

Neil Goddin: Kunden üben Druck auf Unternehmen aus. Unternehmen üben Druck auf Regierungen aus. Regierungen wollen an der Regierung bleiben und müssen sich selbst unter Druck setzen. Mehr und mehr Leute begreifen, dass es gar nicht so schwer ist, nachhaltig zu leben. Allein der Ton, den die Debatte jetzt angenommen hat, fühlt sich viel realer an. Das ist – psychologisch gesehen – sehr wichtig. Es gibt zwar noch Befürchtungen, dass zum Beispiel die Energiewende unglaublich viel kostet. Aber tut sie das wirklich? Das Auffinden von Wind und Sonne scheint mir recht günstig zu sein.

Stattdessen fahren aber noch viele Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen, die durch den Krieg in der Ukraine nochmals teurer geworden sind...

Goddin: Der Name der fossilen Brennstoffe verrät ja schon, wie verrückt unser Verhalten eigentlich ist. Denn diese Brennstoffe sind fossile Überreste von vor Millionen von Jahren. Wenn wir heute für die Nachfolgegenerationen das gleiche Öl erzeugen wollen, müssen wir Millionen von Jahren warten. Während dieser Millionen von Jahren scheint jeden Tag die Sonne und weht irgendwo Wind. Ohne, dass jemand dafür zahlen muss.

 

 

 


Sie sprechen den Preis für Energie an. Wie wichtig ist die langfristige Preisparität zwischen erneuerbarer und fossiler Energie oder zwischen pflanzenbasierten Fleischersatz und tierischem Fleisch?

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Goddin: Ziemlich wichtig. Aber sie ist auch ziemlich schwer zu erreichen. Wir haben den Konsum von Fleisch ziemlich attraktiv gemacht, eine Menge Fabriken gebaut, die alle sehr effizient arbeiten. Deswegen ist es schwer, pflanzenbasierten Fleischersatz genauso günstig zu machen wie echtes Fleisch. Aber: Wenn man versteckte Kosten und Subventionen beachtet, wird das Bild ein wenig klarer. Es gibt Untersuchungen, nach denen ein 5 Dollar teurer US-Big-Mac eigentlich 13 Dollar kosten müsste, wenn versteckte Kosten aufgerechnet und Subventionen abgezogen werden. Für mich ist das fast schon kriminell. Warum bezuschusst man das Billigfleisch in einem Big Mac? Warum gibt es keine Subventionen für Salat? Oder für Gurken? Wenn ich mir die westlichen Länder so anschaue, glaube ich nicht, dass wir zu wenig Kalorien zu uns nehmen.

Der Preis von Salat und Gurken ist die eine Sache, die Herstellung von pflanzlichem oder sogar synthetischem Fleischersatz aber eine andere. Sie ist derzeit ja noch recht teuer.

Goddin: Das stimmt. Sobald aber die Fleischersatzindustrie die gleiche ökonomische Größe erreicht wie die Fleischindustrie, muss ein pflanzlicher Burger faktisch günstiger sein, als es ein Fleischburger im Vergleich dazu ist. Das ist logisch: Sie müssen für pflanzlichen Fleischersatz keine Rinder großziehen, sie nicht füttern, brauchen keine Ställe und keine Großschlachterei. Dass pflanzlicher Fleischersatz noch nicht günstiger ist, ist also nur noch ein Kosten- und Angebotsproblem. Ist es gelöst, wird sich etwas ändern. Die Menschen fingen dann an, Elektroautos zu kaufen, als es einen zum fossil betriebenen Auto vergleichbaren Preis hatte. Dann fiel die Wahl zwischen 3er BMW und Tesla Model 3 deutlich einfacher.