Interview mit Elmar Schobel „Langsam blickt die Finanzbranche nach vorn“

Seite 2 / 2


Kann denn eine durchregulierte Branche überhaupt noch Schubkraft für Innovationen haben?

Dazu ein klares Ja. Regulierung ist nicht nur ein Damokles-Schwert. Aus dem Druck zum Wandel ergeben sich auch viele neue Geschäftsmöglichkeiten. Insofern ist die Branche nach wie vor fähig, auch aus sich heraus Innovationen zu entwickeln. Ein Beispiel, das die Industrie gerade durch einen Regulierungsrahmen erfolgreich hervorgebracht hat, ist das Ucits-Fondsprodukt, das mittlerweile weltweites Ansehen genießt. Den Erfolg kann die Branche künftig mit dem geplanten Eltif (European Long Term Investment Fund, Anmerkung der Redaktion) wiederholen.

Innovationen sind das eine, aber muss die Investmentbranche nicht überhaupt einmal lernen, ihre Kunden zuverstehen?

Das würde ich als ein Element von Innovationen auffassen. Die Branche muss noch Techniken entwickeln, wie sie ihre Kunden lesen und wie sie die erhobenen Daten auswerten kann. Beispielsweise hat eine US-Studie ergeben, dass über die Hälfte des amerikanischen Privatvermögens in der Entscheidungshoheit von Frauen liegt.

80 Prozent der Konsumausgaben sind in der Hand von Frauen. Insofern muss sich ein Produkt- oder Dienstleistungsanbieter fragen, ob seine Kundenansprache überhaupt frauentauglich ist. Für Deutschland gibt es bisher keine entsprechende Studie, aber die Zahlen dürften ähnlich sein.

Wird sich die Kundenberatung grundlegend verändern?

Die Kundenlandschaft wird sicherlich vielfältiger werden. Einiges wird beim Alten bleiben. So wird der Typ des Selbstentscheiders auch in zehn Jahren noch in der Minderheit sein. Es wird Technik-Gegner geben, auch wenn die Generation Y insgesamt weitaus technik-affiner ist. Es wird Kunden geben, die den persönlichen Kontakt zum Bankberater anderen Kommunikationskanälen vorziehen.

Insbesondere vermögende Kunden werden größtenteils persönlich beraten werden wollen. Die Konnektivität zum Kunden reißt also nicht ab, sie wird sich allerdings verändern.

Sollten sich Anbieter auf einzelne Kundensegmente
spezialisieren?

Ich glaube, dass es erfolgreiche Geschäftsmodelle für große Institute geben kann, die zahlreiche Kundensegmente abdecken, genauso wie für kleine, spezialisierte Anbieter. Tendenziell wird ähnlich wie heute auch in Zukunft vor allem die Gruppe der vermögenden Kunden hart umkämpft sein. Die Schärfe dieses Wettbewerbs wird noch zunehmen.

Wichtig ist, dass ein Unternehmen heute die Entscheidung treffen muss, wen es künftig zu seinen Kunden zählen will. Daran richtet sich aus, ob und welche Techniken, Transparenz und Rund-um-die-Uhr-Dienstleistungen in die Kundenansprache integriert werden müssen.

Gibt es schon positive Beispiele?

Nehmen Sie einen bekannten Finanzdienstleister, der ein Paradebeispiel dafür ist, wie sich ein Institut erfolgreich auf ein Kundensegment wie Hochschulabsolventen und dessen Bedürfnisse bei der Kundenansprache ausrichtet. Spannend wird sein, wie in diesem Fall künftig mit der sich entwickelnden Macht der sozialen Medien umgegangen wird.

Ist der Kunde von morgen mündiger als heute?

Das ist schwer zu sagen. Jedenfalls wird er durch die schier grenzenlose Verfügbarkeit von Informationen aus dem Internet und durch den Austausch in den sozialen Medien informierter sein.

Charakteristika der verschiedenen Generationen

Jede Generation hat ihre eigenen Lebenseinstellungen und Verhaltensmuster. Das hat Auswirkungen auf den künftigen Umgang mit Kunden, auch bei den Banken. Die Generation Y müsste jetzt schon vermehrt in den Fokus der Verantwortlichen rücken. Sie ist die erste, die ein Leben ohne digitale Konsumgüter nicht kennt. Sie ist stets erreichbar, konsumiert stets Informationen.

>>Vergrößern


Quelle: Detego, Markus K. Reif

Gerade Start-up-Firmen, die neuartige Lösungen in der Finanzberatung oder -anlage anbieten, scheinen die Generation Y anzusprechen. Gehört denen die Zukunft?

Die Fintechs haben im Umgang mit den Jüngeren den Vorteil, dass sie deren Bedürfnisse sehr passgenau bedienen. Deren Produkte sind häufig relativ einfach gestrickte Vermögensverwaltungskonzepte, die zurückgehen auf ganz grundlegende Dinge der Vermögensverwaltung, wie die Risikostreuung in der Asset Allocation.

Sie machen das, indem sie – sehr effizient - Vermögensverwaltungs-Portfolios über ETFs bauen. Das ist insofern innovativ, da an Retail-Kunden oft singuläre Fondsprodukte verkauft werden und nicht Vermögensverwaltungskonzepte vermarktet werden. Damit überfordert man den Kunden jedoch.

Über den Austausch im Internet und den sozialen Medien wird künftig diese produktorientierte Vermarktung entlarvt und die Branche zum Umdenken gezwungen werden. Die Asset-Management-Industrie wird sich vom Lieferanten von Produkten zum Lösungsanbieter entwickeln müssen.

Ist der Markteintritt eines großen Internetunternehmens wie Google oder Apple dann nicht naheliegend, weil die wissen, wie man nah am Kunden ist?

Das ist nicht nur naheliegend, sondern dürfte auch unmittelbar vor uns liegen. Die entscheidende Frage ist, welche Rolle diese Unternehmen spielen wollen? Und ich sehe sie vor allem auf der Vertriebsseite von Vermögensverwaltungskonzepten und -lösungen, nicht so sehr als wirklichen Asset-Management-Anbieter.


Über den Interviewten:
Elmar Schobel ist seit Anfang 2001 Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Seit Oktober 2013 leitet der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater deutschlandweit den Sektor Investment Management. Als Partner im Bereich Audit Financial Services ist er für die Audit-Dienstleistungen bei Kapitalverwaltungsgesellschaften, Banken und Finanzdienstleistern zuständig. Er verantwortet die Beratung zur Rechnungslegung, zu prozessualen sowie strategischen Fragen als auch zum Schwerpunkt Investment- und Aufsichtsrecht.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen