private banking magazin: Herr Lähn, Sie sind seit Mai 2023 Investmentchef von Feri. Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie in dieser Position?
Marcel Lähn: Wir verstehen uns als Multi-Asset-Manager, der Investoren neun verschiedene Anlageklassen zugänglich macht. Unser Ziel ist es, eine marktführende risikoadjustierte Performance für unsere Kunden zu erzielen. Ich sehe mich dabei in meiner Funktion als Investmentchef als Dirigent. Meine Aufgabe ist es, das Orchester unserer Teams und der verantworteten Asset-Klassen so zu dirigieren, dass am Ende die bestmögliche Performance für unsere Kunden herauskommt.
Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit?
Lähn: Nachhaltigkeit spielt für uns eine sehr große Rolle. Aktuell werden rund 10 Prozent unserer Assets nach Nachhaltigkeitskriterien gemanagt, Tendenz steigend. Wir haben bereits 2019 ein SDG Office gegründet, das sich um Nachhaltigkeit kümmert. Wir orientieren uns dabei eng an
der Wissenschaft und der Politik, um die Erkenntnisse auch in unseren Anlageprozess einfließen zu lassen.
Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für Feri in den kommenden Jahren?
Lähn: Von unseren knapp 60 Milliarden Euro Assets under Management in der Gruppe sind bereits 18 Milliarden im alternativen Investmentbereich investiert. Wir gehen davon aus, dass dieser Bereich weiterhin am stärksten wachsen wird.
Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen, und welchen Einzel-Assets trauen Sie was zu?
Lähn: Auf Asset-Klassen-Ebene führt meiner Meinung nach an Hedgefonds zur Risikoreduktion im Portfolio auch künftig kein Weg vorbei. Für die Renditegenerierung werden Private-Markets-Investments, Volatilitätsstrategien und Digital Assets ebenso unverzichtbar sein. Und für die
erfolgreiche Vermögensanlage insgesamt wird Selektion noch stärker im Fokus stehen, sowohl bei der Auswahl einzelner Manager als auch auf Einzeltitelebene, insbesondere im Aktienbereich.
Wie gehen Sie mit dem Thema China in Ihren Portfolios um?
Lähn: Wir orientieren uns am MSCI All Countries und investieren somit auch in China, aber differenziert. Es ist wichtig zu verstehen, dass China nicht gleich China ist. Man muss genau betrachten, wo, wie und worin man investiert. Wir nutzen dabei auch unsere über Jahre gewachsenen Verbindungen vor Ort. Wir setzen nicht nur auf traditionelle Long-only-Manager, sondern auch auf Hedgefonds mit Long-short-Strategien oder Private-Equity-Fonds.
Können Sie das konkretisieren?
Lähn: Ich war Ende 2023 mit unserem Hedgefonds-Team im Zuge unserer Due Diligence in China, um mit einigen uns bereits geschäftlich verbundenen Managern persönlich zu sprechen und auch, um neue Experten zu selektieren. Wir wollen genau nachvollziehen, wie Kundengelder investiert werden, und aus erster Hand erfahren, was die einzelnen Manager motiviert. Also wie sie vorgehen, welche Trends, Chancen und Risiken sie sehen. Solche lokalen Informationen lassen ein differenzierteres Bild von China als Markt entstehen. Wie bekannt, unterscheidet sich Hongkong zum Beispiel signifikant von Mainland-China – und das wurde erneut deutlich.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Lähn: Generell schauen wir uns im Kontext unserer Investmentstrategie eine Region, ein Thema oder auch einen Sektor an und überlegen, ob ein liquides Long-on-ly-Investment zielführend ist, was durchaus auch durch ETFs oder aktive Manager umgesetzt werden kann, oder eben durch
Manager im Hedgefonds- oder Private-Markets-Bereich. Diese Art der Due Diligence ist bei uns tief verwurzelt, und so waren wir entsprechend auch jüngst in Japan und Indien vor Ort unterwegs.
Wie ist Ihr Portfolio heute global gestreut und wie soll es in fünf Jahren aussehen?
Lähn: Unser Gesamtportfolio ergibt sich aus der Summe der Individualstrategien unserer Kunden. Den deutlich größeren Anteil machen dabei institutionelle gegenüber privaten Kunden aus. Wir arbeiten daran, bei insgesamt wachsenden Assets under Management auch den Privatkundenbereich auszubauen, sowohl in der traditionellen Vermögensverwaltung als auch
im Family Office.
Und bei der Vermögensstreuung?
Lähn: Auf der Asset-Seite bleibt für uns der amerikanische Kapitalmarkt am wichtigsten, das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern. Wir als ein global ausgerichteter Multi-Asset-Manager orientieren uns im Aktienbereich am MSCI All Countries und raten Kunden, sowohl über Regionen als auch Themen und Asset-Klassen zu diversifizieren. Auf Asset-Klassen-Ebene darf der Anteil alternativer Investments gerne von aktuell rund 30 auf bis zu 50 Prozent steigen. Und selbstverständlich wächst der Anteil nachhaltiger Investments sowie Digital Assets auch sukzessive.
Wie flexibel sind Sie bei der Umsetzung individueller Kundenwünsche?
Lähn: Wenn ein Kunde beispielsweise sagt, er möchte keine Hedgefonds, keine Private-Market-Investments und keine Volatilitätsstrategien in seinem Portfolio, kann er das als Opt-out wählen. Er bekommt dann das, was am besten zu ihm passt. Allerdings sind wir auch ein klassischer
Vermögensverwalter, bei dem die Performance-Verantwortung an uns delegiert wird. Wenn ein Kunde somit determinieren möchte, welche Einzelwerte in einem aktienbasierten Portfolio enthalten sein sollen, dann sind wir nicht der richtige Ansprechpartner.
Was hat Sie dazu bewogen, die Position des Investmentchefs bei Feri anzutreten?
Lähn: Generell faszinieren mich Kapitalmärkte und das Zusammenspiel zwischen Realwirtschaft und Finanzmärkten. Dazu die Möglichkeit, große Vermögen beraten zu können, zu bewerten, Vermögensstrukturen zu hinterfragen, aufzusetzen und weiterzuentwickeln. Und dann hat mich
bei Feri die Frage interessiert, wie ein eher kleines und bisher auch relativ unauffälliges Haus in Bad Homburg mit knapp 250 Mitarbeitern so herausragende Ergebnisse erzielen kann.
Besonders interessant fand ich die Spezialexpertise für alternative Investments, insbesondere für Volatilitätsstrategien, die so groß geworden sind, dass Feri eng mit den großen Investmentbanken zusammenarbeitet und hierdurch für Optionsstrategien sogar selbst zu ei-
nem bedeutenden Marktakteur bei Derivaten in Amerika geworden ist.
Die vergangenen Jahre waren keine einfachen mit Corona, Krieg und Zinswende. Schwerpunkte Ihrer Dissertation waren Hedgefonds, Banken und Finanzkrisen. Wie ordnen Sie die vergangenen Jahre ein und wagen Sie einen Ausblick?
Lähn: Die zurückliegenden Krisen sind weit über die reine Finanzthematik hinausgewachsen und haben sich global verschärft. Auch geopolitisch: Durch eine zunehmende Autokratisierung der Weltpolitik wird der Welthandel stärker beeinflusst, etablierte Prozesse sowie Strukturen werden
fragiler. All das erschwert den Ausblick und verkürzt tendenziell die Halbwertszeit von
Prognosen.
Welche Folgen hat das?
Lähn: Wir steuern in eine neue Ära mit deutlich mehr kurzfristig auftretenden Krisen und wachsender Unsicherheit. Bei Investmentstrategien und Investorenentscheidungen dürfte es immer stärker darauf ankommen, robuste und resiliente Portfolios aufzustellen, also zu diversifizieren, und auch häufiger zu adjustieren.
Wo liegen dabei Chancen?
Lähn: Im Multi-Asset-Management. Denn, und das war seinerzeit in meiner Dissertation auch schon die Fragestellung und Erkenntnis: Wenn Krisen einzelne Asset-Klassen stark belasten, können durch Diversifikation Herausforderungen, wenn auch nicht komplett beseitigt, so doch zumindest besser kompensiert werden. Gesucht bleiben also möglichst unkorrelierte Vermögenswerte. Somit sind Volatilität, Hedgefonds und Private Markets eine wichtige Ergänzung – ebenso wie Digital Assets.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Lähn: Als offen, direkt und teamorientiert. Ich sehe mich wie erwähnt als Dirigent. Ich habe das Privileg, mit tollen Persönlichkeiten in starken Teams zusammenarbeiten zu dürfen. Wie im Orchester haben wir verschiedene Spezialisten für die einzelnen Asset-Klassen. Mein Job ist es, das Zusammenspiel im Sinne der Kunden optimal zu gestalten und am Ende die beste Strategie
zu entwickeln, die über alle Asset-Klassen hinweggeht und die Spezialexpertise unserer Mitarbeiter berücksichtigt.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wie schalten Sie ab und tanken Ihren Akku
wieder auf?
Lähn: Sport spielt für mich eine wichtige Rolle, ebenso wie Musik. Früher habe ich viel Fußball gespielt und selbst Musik gemacht, vom Schlagzeug über Gitarre bis zum Gesang, aber irgendwann wurde die Zeit dafür zu knapp. Manchmal brauche ich auch einfach ein bisschen Ruhe, um die Seele baumeln zu lassen und wieder Kreativität zu tanken. Zudem bin ich ein großer
Film-Fan.
Über den Interviewten:
Marcel Lähn ist Investmentchef von Feri. Zuvor war er in leitenden Positionen bei der US-Bank BDT und der BHF-Bank (heute Oddo BHF).