private banking magazin: Herr Przewlocka, auf einer Skala von 1 bis 10 – wie bewerten Sie persönlich die Rückkehr der Zinsen?
Ingmar Przewlocka: Ich würde sagen, wir bewegen uns bei einer 5. Es ist definitiv erfreulich, wieder eine zusätzliche Ertragsquelle im Cash-Bereich zu haben. Die war lange Zeit nicht vorhanden oder hat sogar negativ rentiert. Aber lassen Sie mich eines klarstellen: Auch in den vergangenen Jahren mit deutlich niedrigeren oder sogar negativen Zinsen gab es genug Möglichkeiten, ordentliche Renditen zu erwirtschaften.
Eine 5 ist ausbaufähig. Sie klingen nicht sonderlich begeistert.
Przewlocka: Nein, so würde ich das nicht sagen. Die Rückkehr der Zinsen macht manches einfacher – zum Beispiel, wenn man Cash parken will. Man bekommt jetzt in bestimmten Segmenten ein attraktives Income. Aber es ist nicht kriegsentscheidend für unsere Strategie. Wir hätten auch bei weiterhin niedrigen Zinsen Möglichkeiten gehabt, eine gute Rendite zu erzielen.
Wie definieren Sie heute den Begriff Multi-Asset, wenn die Zinsseite nicht mehr so entscheidend ist?
Przewlocka: Multi-Asset sollte sich dadurch auszeichnen, dass es ein breites Feld an Anlageklassen hat. Wenn wir in die Vergangenheit blicken, bestanden die ersten Mandate oder „balanced portfolios“ hauptsächlich aus Aktien und Renten. Aber dieser Begriff hat sich stark weiterentwickelt.
Inwiefern?
Przewlocka: Heute gehören auch Rohstoffe dazu, alternative Investments, Krypto. Die Granulierung innerhalb der Asset-Klassen ist viel feiner geworden. Bei Aktien geht es um regionale Übergewichtungen, verschiedene Stile und spezielle Branchen. Es ist ein breiter Mix von
verschiedenen Klassen, und durch die Kombination und Allokation dieser Elemente versuchen wir, ordentliche Renditen zu erwirtschaften.
Ist Multi-Asset dadurch vielschichtiger geworden?
Przewlocka: Absolut. Multi-Asset war schon immer vielschichtig, wenn man es dynamisch betrieben hat. Aber es stimmt, die Komplexität hat zugenommen. Ein interessanter Aspekt ist, dass sich die Korrelationen zwischen Asset-Klassen ändern. Nehmen Sie Anleihen und Aktien: Sehr lange waren sie negativ korreliert, jetzt hatten sie eine sehr große positive Korrelation. Oder schauen Sie auf den Rohstoffbereich: Lange Zeit war das eine eher uninteressante Asset-Klasse, aber in den vergangenen Jahren hat sie extreme Beiträge geliefert.
Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?
Przewlocka: Es macht unseren Job auf jeden Fall anspruchsvoll, aber auch sehr interessant. Ein guter Multi-Asset-Manager zeichnet sich dadurch aus, dass er seinen Ansatz konstant an die unterschiedlichen Marktbedingungen anpassen kann. Das Jahr 2022 war ein gutes Beispiel dafür. Viele wurden da ein bisschen entzaubert, weil Multi-Asset-Fonds in der Vergangenheit von den fallenden Zinsen profitiert haben.
2022 war ein Weckruf.
Przewlocka: So ist es. In den Jahren zuvor hat der sehr starke Bullenmarkt auf der Rentenseite viele Allokationsentscheidungen in anderen Segmenten teilweise kompensiert. 2022 war das
schwieriger. Man musste wirklich aktive Allokationsentscheidungen treffen, viele Positionen reduzieren oder ganz weglassen. Das war für viele Multi-Asset-Manager in der Tat ein Weckruf. Es zeigte, dass unser Ansatz tatsächlich auch hinsichtlich einer Veränderung der Marktstruktur der richtige ist, um in diesem Umfeld zu bestehen.
Sie stellen einen Ihrer Multi-Asset-Fonds nun offensiver auf. Was sind die Gründe dafür?
Przewlocka: Das stimmt. Wir haben einen bestehenden Fonds übernommen und uns höhere Bandbreiten gegeben. Unser Flaggschiffprodukt hatte bisher eine maximale Aktienquote von 50 Prozent. In vielen Investorengesprächen kam die Frage auf: „Warum bei 50 Prozent gekappt? Warum nicht bis 100 Prozent?“ Für uns als dynamische Allokatoren ist es eine gute Ausgangsbasis, je breiter die Bandbreiten sind.
Mit welchem Risiko-Rendite-Profil geht der umgebaute Fonds an den Markt?
Przewlocka: Wir geben keine festen Rendite-Risiko-Prognosen ab. Was den Investor interessiert, ist die risikoadjustierte Rendite. Unser Ziel ist es, über einen Betrachtungszeitraum von fünf Jahren eine deutliche Performance von 8 bis 10 Prozent zu erwirtschaften. Und dabei geht es uns nicht um Volatilität. Wir fokussieren uns auf eine gute Upside Capture Ratio in freundlichen Marktphasen und eine begrenzte Downside in negativen Phasen. Das ist der entscheidende
Punkt bei Multi-Asset-Fonds in unserem Bereich.
Wie schützen Sie sich konkret vor Marktrisiken im offensiveren Fonds?
Przewlocka: Der Schutz beginnt schon bei der richtigen Auswahl der Asset-Klassen und der Antizipation des Marktumfelds. Wenn wir zum Beispiel steigende Zinsen erwarten, reduzieren wir die Zinssensitivität des Portfolios, beispielsweise durch eine substanzielle Erhöhung der Cash-Quote, um das Vermögen zu schützen. Es geht darum, eine Vielzahl von Möglichkeiten zu haben, um in unterschiedlichen Marktphasen attraktive Investitionsziele zu identifizieren und auszunutzen.
Sie managen den Fonds im Tandem mit Ihrer Kollegin Anna Podoprigora. Wie sieht die Aufgabenverteilung aus?
Przewlocka: Wir haben uns bestimmte Gebiete aufgeteilt. Meine Kollegin schaut beispielsweise sehr stark auf die Emerging Markets und Rohstoffe, während ich mich auf andere Sektoren konzentriere.Was ein gutes Team auszeichnet, ist, dass man Grundgedanken teilt, aber auch mal kontroverse Meinungen hat und diese diskutiert.
Gibt es manchmal auch Meinungsverschiedenheiten?
Przewlocka: Natürlich, und das ist gut so. Es kann durchaus sein, dass wir zu bestimmten Themen
mal eine komplett unterschiedliche Meinung haben. Dann diskutieren wir das aus und bringen die Stärken der einzelnen Personen im Team zusammen. Multi-Asset allein zu machen, wäre ein sehr schwieriges Unterfangen.
Wenn Sie an einer Business School einen Vortrag über die aktuellen Herausforderungen im Asset Management halten müssten, was wäre Ihr Titel?
Przewlocka: Ich würde sagen: „Die Renaissance des aktiven Managements“.
Mit besten Grüßen der Notenbanken.
Przewlocka: So ist es. Die Veränderung der Notenbankpolitik hat dazu geführt, dass wieder normale Angebots- und Nachfrageströme am Markt wirken. Eine Zeit lang war es so, dass die Notenbanken beispielsweise Anleihen zu jedem Preis gekauft haben. Das hat die Preissignale
verzerrt. Jetzt gewinnt gute Analyse wieder an Bedeutung. Wir glauben, dass dies eher ein Nachteil für passive Produkte sein wird, die in den letzten Jahren so stark gelaufen sind. Die Blütezeit des aktiven Fondsmanagements steht unserer Meinung nach tatsächlich noch bevor.
Über den Interviewten:
Ingmar Przewlocka ist leitender Portfoliomanager des Schroder ISF Global Multi-Asset Balanced und seit 1. April des Schroder ISF Sustainable Future Trends. Er kam im Juni 2018 zu Schroders und arbeitet von München aus. Vor seinem Wechsel zu Schroders war er bei namhaften internationalen Asset-Managern tätig, unter anderem bei der Munich Ergo Asset Management (Munich Re).