Herr Lehmann, Sie sprachen von 10 Prozent Immobilien im Portfolio. Diese stehen seit der Zinswende unter Druck. Wie haben Sie reagiert?
Lehmann: Minimal bis gar nicht und das hat uns auch nicht weh getan. Das liegt daran, dass Immobilie nicht gleich Immobilie ist. Wir konzentrieren uns bei unseren Anlagen in erster Linie auf Deutschland. Ein Spezialfonds ist dazu auf Westeuropa fokussiert. Für uns sind nur absolute Top-Standorte in Metropolen von Interesse. Investiert sind wir dabei ausschließlich in Büro- und Wohnimmobilien. Bei den Wohnanlagen heißt es nicht immer zentral, erstklassige Wohngegenden befinden sich auch gerne am Stadtrand. Der Spezialfonds investiert ausschließlich in Büroobjekte.
Alles auf zwei Anlageklassen setzen klingt nicht wirklich diversifiziert und Büroimmobilien stehen unter Druck, Stichwort Homeoffice?
Lehmann: Wir diversifizieren da, wo es angebracht ist. Wohnimmobilien in Deutschland haben kein Problem. Es ist hinreichend bekannt, dass wir einen Wohnungsmangel haben. Was Büros angeht, kaufen wir in den genannten Lagen relativ kleine Objekte zwischen 10 bis 30 Millionen Euro. Wir beteiligen uns nicht an größeren Objekten, sondern wollen alleiniger Besitzer sein. Darüber hinaus müssen die Objekte mehrfach vermietbar sein. Wir wollen keinen großen Ankermieter, sondern beispielsweise Zahnärzte, Steuerberater und Rechtsanwälte. Die Probleme, die viele Immobilieninvestoren hatten, waren anderer Natur.
In welcher?
Lehmann: Wir kaufen unsere Immobilien ausschließlich mit Eigenkapital. Nach unserer Auffassung dürfen wir als Stiftung auch kein Fremdkapital einsetzen, da es unser Auftrag ist, ausschließlich das Stiftungsvermögen zu verwalten. Damit ist die gesamte Geschichte der steigenden Zinsen an dieser Stelle an uns vorbeigegangen. Und das Problem mit dem von Ihnen angesprochenen Homeoffice betrifft in erster Linie Großmieter.
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Herr Lehmann, Sie sprachen von 10 Prozent Immobilien im Portfolio. Diese stehen seit der Zinswende unter Druck. Wie haben Sie reagiert?
Lehmann: Minimal bis gar nicht und das hat uns auch nicht weh getan. Das liegt daran, dass Immobilie nicht gleich Immobilie ist. Wir konzentrieren uns bei unseren Anlagen in erster Linie auf Deutschland. Ein Spezialfonds ist dazu auf Westeuropa fokussiert. Für uns sind nur absolute Top-Standorte in Metropolen von Interesse. Investiert sind wir dabei ausschließlich in Büro- und Wohnimmobilien. Bei den Wohnanlagen heißt es nicht immer zentral, erstklassige Wohngegenden befinden sich auch gerne am Stadtrand. Der Spezialfonds investiert ausschließlich in Büroobjekte.
Alles auf zwei Anlageklassen setzen klingt nicht wirklich diversifiziert und Büroimmobilien stehen unter Druck, Stichwort Homeoffice?
Lehmann: Wir diversifizieren da, wo es angebracht ist. Wohnimmobilien in Deutschland haben kein Problem. Es ist hinreichend bekannt, dass wir einen Wohnungsmangel haben. Was Büros angeht, kaufen wir in den genannten Lagen relativ kleine Objekte zwischen 10 bis 30 Millionen Euro. Wir beteiligen uns nicht an größeren Objekten, sondern wollen alleiniger Besitzer sein. Darüber hinaus müssen die Objekte mehrfach vermietbar sein. Wir wollen keinen großen Ankermieter, sondern beispielsweise Zahnärzte, Steuerberater und Rechtsanwälte. Die Probleme, die viele Immobilieninvestoren hatten, waren anderer Natur.
In welcher?
Lehmann: Wir kaufen unsere Immobilien ausschließlich mit Eigenkapital. Nach unserer Auffassung dürfen wir als Stiftung auch kein Fremdkapital einsetzen, da es unser Auftrag ist, ausschließlich das Stiftungsvermögen zu verwalten. Damit ist die gesamte Geschichte der steigenden Zinsen an dieser Stelle an uns vorbeigegangen. Und das Problem mit dem von Ihnen angesprochenen Homeoffice betrifft in erster Linie Großmieter.
Beispielsweise Banken mieten große Objekte für mehrere Hundert Mitarbeiter. Für sie ist es ein wirtschaftlicher Faktor, wenn beispielsweise durch Homeoffice nicht mehr benötigte Flächen aufgegeben werden können. Geschieht dies, kann es zu dem beobachteten Preisverfall kommen. Unsere Mieter haben dagegen üblicherweise deutlich weniger Räume angemietet und benötigen diese auch weiterhin. Wir haben beispielsweise nicht beobachtet, dass eine Rechtsanwaltskanzlei, die eine Etage mit sagen wir sieben Räumen angemietet hat, einen Raum davon wegen Homeoffice aus dem Mietvertrag entfernen lassen wollte.
Sie hatten unterm Strich also keine Einbußen?
Lehmann: Partiell hatten wir vielleicht Preisrückgänge durch die allgemeine Preisentwicklung, beispielsweise wegen des Liegenschaftszinses, der weiter gestiegen ist in einigen Regionen. Aber das ist marginal. Wir hatten keine nennenswerten Einbußen an Mieten oder Verkehrswerten, die wir im Übrigen alle zwei Jahre von externen Verkehrswertgutachtern ermitteln lassen.
Viele „kleine Mieter“ bedeuten auf der anderen Seite eine kleinteilige Arbeit unter anderem durch einen stetigeren Mietwechsel. Wie fangen Sie das personell auf?
Lehmann: Neben dem Immobilien-Spezialfonds haben wir drei Immobilientöchter. Für die Verwaltung der Immobilien arbeiten wir seit Jahrzehnten mit einer externen Firma zusammen. Sanierungen, Mietverträge, Rechtsangelegenheiten oder eventuelle Käufe oder Verkäufe werden bis zur Entscheidungsreife vorbereitet und landen dann bei meiner Kollegin, die in der Stiftung für die Immobilienanlagen zuständig ist, und bei mir auf dem Tisch.
Sie lagern also diverse Schritte aus. In den USA lagern annähernd 100 Prozent der Stiftungen, die bis zu 5 Milliarden US-Dollar verwalten, große Teile – oder auch ihre ganze Kapitalanlage – in einem sogenannten Outsourced-Chief-Investment-Officer-Modell aus. Wie denken Sie darüber?
Lehmann: Ich sehe diese Entwicklung mit großem Erstaunen. Ich kenne das OCIO-Modell sehr gut, da ich Mitglied der Foundation Financial Officers Group bin. Das ist die größte Stiftungsvereinigung in den USA. Dort erlebe ich exakt das, was Sie beschreiben. Mit mehreren US-Kolleginnen und -Kollegen unterhielt ich mich darüber. Sie verwalten sehr hohe Anlagesummen, sind dafür verantwortlich, haben selbst sehr viel Erfahrung und geben das alles für sehr hohe Kosten und Gebühren aus der Hand. Das erschließt sich mir, ehrlich gesagt, nicht.
Die Komplexität steigt, warum sollte diese nicht einfach ausgelagert werden?
Lehmann: Wer auslagert, macht sich selbst überflüssig. Dazu kostet das Auslagern Geld, und zwar nicht zu knapp. Die Kosten werden in Prozentsätzen auf das Gesamtvermögen umgerechnet. Da kommen sehr schnell horrende Summen zusammen. Der Prozentsatz, der als Management Fee, als Gebühr die aufgerufen wird, mag zunächst gering erscheinen. Im absoluten Betrag ist es in der Regel sehr viel Geld.
Es ist mir bislang nicht gelungen, herauszufinden, wo genau der Mehrwert sein soll – es sei denn, man lagert aus und entlässt den eigenen Finanzchef, den eigenen Chief Investment Officer, der ja dann eigentlich auch nicht mehr benötigt wird. Das wäre in meinen Augen logisch, weil dann intern Geld gespart wird. Dieses dürfte allerdings noch immer nicht ausreichen, um die Kosten der externen Verlagerung auszugleichen.
Warum machen dann trotzdem so viele Verantwortliche von Kapitalanlagen, nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch in den Niederlanden, Gebrauch davon?
Lehmann: Mein Eindruck ist, dass es ein Stückweit eine Art Rückversicherung ist. Läuft etwas nicht optimal, kann auch die Schuld dafür ausgelagert werden. Zudem ist das OCIO-Modell in meinen Augen alter Wein in neuen Schläuchen.
Seit langem gibt es Unternehmen, die beratend tätig sind und seit jeher gerne herangezogen werden, wenn Investments unbefriedigend laufen. Jetzt heißt das OCIO und die Unternehmen dahinter sind dieselben geblieben.
Besagte Unternehmen werben – wie erwähnt – damit, Komplexität abzunehmen. Sie benötigen ihre 6 Prozent, sparen sich Alternatives und damit Komplexität…
Lehmann: Wenn ich in Private Equity investieren möchte, mandatiere ich dazu zum Beispiel einen Fondsmanager, der sich damit auskennt, das ist richtig. Aber deswegen muss ich doch nicht gleich meine Aufgabe, das gesamte Stiftungsvermögen strategisch zu managen, extern auslagern. Wenn ich einen OCIO engagiere, offenbare ich, dass jemand anderes es offenbar besser kann als ich.
Das ist doch eine Bankrotterklärung. Interessant wäre auch die Antwort auf die Frage, was der CIO eigentlich konkret machen möchte, wenn seine bisherige Aufgabe der OCIO übernommen hat. Ich will mich nicht selbst abschaffen, will selbst das Beste für die Stiftung erreichen und traue meinen Kollegen und mir das zu – bei sehr viel niedrigeren Kosten.
Als Rückversicherung für schlechte Entwicklungen, wie von Ihnen erwähnt, kann das OCIO-Modell doch nur begrenzt dienen, weil die Reißleinen vom Kunden festgelegt werden …
Lehmann: Das stimmt, es muss ja auch in der Tat davon ausgegangen werden, dass Anlagerichtlinien auch vom OCIO überwacht und eingehalten werden. Wenn die Aktienkurse, wie in der Finanzkrise geschehen, vorübergehend 40 Prozent fallen, obwohl man Grenzen für Aktien festgelegt hat, können andere fragen, warum man nichts dagegen getan hat. In diesem Fall kann man einfach auf den OCIO zeigen und erwähnen, dass man ihn genau dafür teuer bezahlt hat. Damit bringt man sich selbst aus der Schusslinie. Das meine ich mit Rückversicherung. Und wie gesagt, so ähnlich funktioniert ja auch die Zuhilfenahme von Consultants.
Bei einem Spezialfonds ist das aber doch auch in Ordnung …
Lehmann: Bei einem Spezialfonds obliegt mir und meinem Team, zu überwachen, ob die dem Fondsmanagement vorgegebenen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Wir reden hier aber nur von einem Teil des angelegten Gesamtvermögens. Der CIO steuert das Gesamtvermögen, dementsprechend auch ein OCIO. Das ist der Unterschied zu einem einzelnen Spezialfonds.
Worum kümmert sich ein Finanzvorstand, wenn die Kapitalanlage ausgelagert ist?
Lehmann: Bei einem Finanzvorstand stellt sich die Frage möglicherweise anders, denn er ist oft nicht nur Investmentchef (CIO), sondern zugleich auch für den gesamten kaufmännischen und Verwaltungsbereich im Unternehmen zuständig. Wenn ein Finanzvorstand den Teilbereich Kapitalanlage an einen OCIO ausgliedert, kann das selbstverständlich sehr sinnvoll sein. Bisher sprachen wir ja aber nur über die Variante, dass ein CIO seinen Aufgabenbereich an einen OCIO überträgt.
Ich höre heraus, Sie werden keinen weiteren Anlauf in Private Marktes per OCIO starten?
Lehmann: Wenn ich nicht gezwungen werde, dann mit Sicherheit nicht. Bei der Vermögensanlage geht es darum, Ziele die ich mir gesetzt habe, zu erfüllen. Dafür benötige ich eine Anlagestrategie im Rahmen aufzustellender Anlagerichtlinien und ein gutes Team, das die Ziele mit mir gemeinsam professionell umsetzt.
Am 1. Juli 2023 trat die Stiftungsrechtsreform in Kraft, die auch für gemeinnützige Stiftungen privaten Rechts wie die Volkswagen Stiftung gilt. Sind Sie zufrieden?
Lehmann: Vor der Reform war Stiftungsrecht gleich Länderrecht. Das wurde vereinheitlicht. Die Kernregelungen gingen in das Bürgerliche Gesetzbuch über. Die Stiftungsrechte auf Landesebene bestehen noch immer, haben aber weitestgehend an Bedeutung verloren. Das ist gut so. Die Reform führte nach meinem Verständnis aber nicht dazu, dass beispielsweise regionale Stiftungsaufsichten, oder Finanzämter einheitlich agieren. Da besteht noch immer viel Individualität. Diese kann weiter abnehmen, was ebenfalls zu begrüßen wäre.
Was halten Sie von der neu eingeführten Business Judgement Rule?
Lehmann: Ich finde es richtig, dass Personen, die Verantwortung in einer Stiftung tragen, weniger Risiken ausgesetzt werden sollen. Sie sollten nicht in private Haftung genommen werden können. Für mich änderte sich dadurch aber nicht viel. Komme ich von der Vermögensanlage, habe ich Anlagerichtlinien. Bewege ich mich innerhalb dieser, kann ich nicht in Haftung genommen werden. Die Sicherheit soll aber auch in der Mittelvergabe erhöht werden. Unterm Strich ist auch das gut. Eine Sorge habe ich dennoch.
Welche?
Lehmann: Die Begrifflichkeit. Wir haben knapp 25.000 Stiftungen in Deutschland. Die überwiegende Mehrheit sind kleine Stiftungen, die in erster Linie von Ehrenamtlichen betreut werden. Diese Personen machen das, weil sie den Stiftungszweck gut finden und weniger, weil sie sich in der Vermögensanlage verwirklichen wollen.

Im Ehrenamt angekommen, beispielsweise als gewählter Stiftungsvorstand, wird oft erst dann realisiert, dass damit auch die Verantwortung für das Vermögen einher geht. Das kann Ängste schüren. Ob dann ein international gängiger, für den juristischen Laien aber vielleicht doch eher exotisch klingender Begriff wie Business Judgement Rule für Beruhigung sorgt, wage ich zu bezweifeln. Mir ist aber noch etwas anderes sehr wichtig.
Was meinen Sie?
Lehmann: Realisierte Kursgewinne, die wie bisher automatisch in die Umschichtungsrücklage fließen und somit Kapitalbestandteil werden, können – sofern die Satzung sich nicht explizit dagegen ausspricht – seit letztem Jahr auch als Fördermittel eingesetzt werden. Das war vorher ein juristischer Graubereich.
Warum ist das so elementar?
Lehmann: Der Vorlauf, bis das Gesetz in Kraft trat, war recht lang. Ich vermute, dass es schon während der Negativzinsphase entworfen wurde. Seinerzeit war es Stiftungen kaum noch möglich, über Zinserträge ihren Stiftungszweck zu verwirklichen, das geschah in dieser Zeit bei vielen Stiftungen ausschließlich über Spendengelder. Aus meiner Sicht schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass Stiftungen die Umschichtungsrücklage verwenden dürfen, um ihren Zweck zu verwirklichen. Das gilt jedoch nur, wenn die Stiftung dadurch weiter bestehen kann. Dadurch wurde auch für einen höheren Anteil an Aktien in der Zukunft geworben.
Die in Deutschland ein Stück weit als riskantes Investment verschrien sind …
Lehmann: Genau, was in meinen Augen totaler Unsinn ist. Dass es die Änderung gibt, ist für mich das eigentlich Revolutionäre an der Reform.
Sie klingen sehr zufrieden …
Lehmann: Oft heißt es, dass die US-Endowments, also Harvard, Yale und weitere so viel mehr aus ihren Geldern machen. Ein unsinniger Einwand. Vergessen wird dabei immer, dass sie in einem anderen gesetzlichen Rahmen unterwegs sind. US-Stiftungen müssen, wie bereits erwähnt, 5 Prozent ihres Gesamtvermögens pro Jahr ausschütten. Natürlich wollen sie dabei ihre Stiftung aber auch erhalten, mit dem Unterschied, dass es in den USA eben keine gesetzlichen Vorgaben dazu gibt. Die Performance und hierbei vor allem die langfristige Wertentwicklung ist deshalb entscheidend und nicht die vom deutschen Gesetzgeber vorgegebene Fruchtziehung hiesiger Stiftungen, also die Erwirtschaftung von ordentlichen Erträgen.
Deshalb sehen auch die Asset-Allokationen deutscher und amerikanischer Stiftungen, wenn man sie miteinander vergleicht, so unterschiedlich aus. Hier mehr Aktien und Alternatives, da mehr Renten. Jetzt können sich deutsche Stiftungen dank der Stiftungsreform sehr viel stärker wie ihre amerikanischen Kollegen auch auf Sachwerte zubewegen, also mehr auf die Performance anstatt wie bisher nur auf die ordentlichen Erträge zu achten.
Ab jetzt passt der Vorwurf also eher?
Lehmann: Ja, denn die Rahmenbedingungen änderten sich etwas. Die Bedeutung von Sachwerten in der Vermögensanlage von Stiftungen stieg eindeutig. Oder auch thesaurierende Fonds, die beispielsweise bislang für Stiftungen ungeeignet waren, weil sie keine ordentlichen Erträge erwirtschaften, sind nun interessant. Jetzt kann ein Kurswertzuwachs über den Verkauf von Fondsanteilen realisiert und zur Stiftungszweckverwirklichung eingesetzt werden.
Vermissen Sie etwas bei der Reform?
Lehmann: Eigentlich nicht. Es gibt einen Referentenentwurf, in dem es heißt, dass Paragraph 62, also die Rücklage, abgeschafft werden sollte, sowie das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Nun ist die Regierung zerbrochen und der Entwurf wird zunächst nicht weiterverfolgt, vielleicht gänzlich in der Schublade verschwinden. Unglücklich bin ich darüber nicht. Die beiden Punkte setzen einen Rahmen für die Handlungsweise einer Stiftung. Da es keine grundlegenden Änderungen in der Ausschüttung, beispielsweise nach dem Vorbild USA gibt, gibt es auch keine Veranlassung, das Gebot der realen Kapitalerhaltung außer Kraft zu setzten.
Zumal Dank der Reform zwischen realer und nominaler Kapitalerhaltung gewählt werden kann, was ich für richtig halte. Sicher wären auch immer wieder Schulungen hilfreich. Aktien dürfen nicht mehr als Risiko betrachtet werden. Aber diese Annahme zieht sich durch unsere ganze Gesellschaft. Auch Wertsicherungskonzepte von Banken sind immer noch ausschließlich auf Volatilitätsrisiken ausgerichtet und nicht auf Bonitätsrisiken. Das halte ich für nicht mehr zeitgemäß .
Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit und insgesamt ESG für Ihre Stiftung?
Lehmann: Die Taxonomieverordnung der EU ist noch unvollständig und unausgereift. Denke ich an einen Anleger, der sich nach den Vorschriften ausrichten will, stellt er zunächst fest, dass derzeit nur Aktien solcher Unternehmen in die Bewertung einfließen können, die ihren Sitz in Euroland haben und dass auch keine Rentenanlagen momentan in den Bewertungen berücksichtigt werden können. Da muss noch viel geschehen.
Und bis das geschehen ist …
Lehmann: Gibt es diverse Screening-Modelle, die dabei helfen können, die Nachhaltigkeit zu überprüfen. Für unseren eigenverwalteten Aktienbestand arbeiten wir mit einer Beratungsfirma zusammen, der wir die für uns wichtigen Kriterien in Führung, Umwelt und Soziales mitteilen. Das geht vom Komplettausschluss über Transformationspfade, die wir akzeptieren, bis hin zu unbedenklichen Impact-Investments. Diese Firma baten wir darum, uns ein Aktienuniversum aufzuzeigen, in das wir unter Einhaltung der uns wichtigen Kriterien ohne Bedenken investieren können. Aus diesem wählen wir 40 Titel aus verschiedenen Branchen und mit einer hohen Dividendenrendite und Marktkapitalisierung aus und bauen unseren eigenverwalteten Bestand. 40 Titel, weil wir diese Anzahl auch hatten, als wir noch eine Benchmark abgebildet haben. Einmal jährlich gibt es ein Re-Balancing.
Was kann ich mir darunter vorstellen?
Lehmann: Die 40 Titel stehen gleichgewichtet im Portfolio, die stellen wir damit wieder her. Zudem überprüfen wir dabei, ob die beinhalteten Titel noch unseren Kriterien entsprechen. Dabei stellten wir fest, dass wir weniger Titelwechsel im Bestand haben als beim Rebalancing einschlägiger Indizes, Bei einigen Fonds, die sich nachhaltig nennen, wird pro Jahre oftmals ein hoher Anteil der Titel ausgetauscht, um viele davon im Jahr darauf wieder aufzunehmen. Das hat für mich nichts mit Nachhaltigkeit und Belastbarkeit von Analysen zu tun.
Wie verfahren Sie mit Ihren Spezialfonds-Mandaten?
Lehmann: Hier screenen wir jeden einzelnen Titel. Die Daten beziehen wir ebenfalls von Refinitiv. Geliefert werden 400 Nachhaltigkeitskriterien für gut 7.000 Aktienwerte. Im Rentenbereich durchleuchten wir ebenfalls jeden einzelnen Titel, eigenverwaltet und Spezialfonds, das sind an die eintausend, nach eigenen Wertvorstellungen.
Dazu beziehen wir Daten unter anderem von Transparency International, oder Ärzte ohne Grenzen, also von Organisationen, die verschiedene Kriterien der ESG-Komponenten beleuchten. Im passiven Aktienspezialfonds-Bereich haben wir ausschließlich Benchmarks aus der MSCI ESG Leaders Family.
Und bei Immobilien benutzen Sie Tools wie beispielsweise Gresb?
Lehmann: Bei Immobilien finde ich es tatsächlich am schwierigsten. Wir analysieren unsere Immobilien, das sind Einzelbestandsaufnahmen, das ist sehr aufwendig, ich kann nicht mit Durchschnittswerten arbeiten, muss sozusagen alles auf den Kopf stellen. Wir machen das, wollen nachhaltige und moderne Immobilien im Portfolio haben. Der Transformationsprozess wird aber noch Zeit in Anspruch nehmen.
Herr Lehmann, Sie stehen seit 25 Jahren an der Spitze der Volkswagen Stiftung, wie hat sich ihr Geschäft und das Stiftungsgeschäft insgesamt in dieser Zeit verändert und wie tanken Sie ihren Akku wieder auf?
Lehmann: Es änderte sich eigentlich gar nicht so viel, da sich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen – zumindest bis zum letzten Jahr – nicht verändert haben. Gleichwohl haben wir hier in der Volkswagen Stiftung auf die großen Bewegungen an den Märkten, Stichwort Niedrigzinsphase, reagiert. Unsere Asset Allokation sieht heute deutlich anders aus als vor 25 Jahren. Meinen Akku tanke ich am liebsten mit meiner Familie und im Beisammensein mit meinen Freunden, die in unterschiedlichsten Branchen und Berufen tätig sind, auf. Und ich gehe gerne zum Fußball zu Hannover 96 ins Stadion oder fahre an einen ruhigen See zum Angeln.
Über den Interviewten
Dieter Lehmann ist seit 1999 Mitglied der Geschäftsleitung und ist zudem Leiter der Abteilung Vermögensanlage, Finanzen und Verwaltung der Volkswagen Stiftung. Vorherige Karrierestation war von 1991 bis 1999 die DG Bank (heute DZ Bank).