Herr Bieberbach, Herr Schreiber, die vergangenen Jahre waren auch und insbesondere für Energie-Manager sehr fordernd, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Florian Bieberbach: Das Thema Resilienz ist viel stärker ins Bewusstsein getreten - bei allen Energiemanagern. Es ist jedem in Deutschland bewusst geworden, wie verletzlich die Energieversorgung war und in Teilen noch immer ist. Die stabile Energieversorgung hat nun bei allen Planungen eine höhere Bedeutung.
Gibt es weitere Veränderungen mit Blick auf die Zukunft?
Bieberbach: Für uns als SWM ist eine ganz wesentliche Konsequenz aus den Krisen, dass wir stärker in verschiedenen Szenarien denken müssen. Bislang hatten wir eine Zukunfts- und Wirtschaftsplanung der wir folgten. Das reicht nicht aus, das war naiv, das wissen wir heute. Drei Zukunftsplanungen werden notwendig sein, um auf überraschende Wendungen der Rahmenbedingungen vorbereitet zu sein.
Wie war die ursprüngliche Planung konzipiert und wie werden die dazu kommenden aussehen?
Bieberbach: Der Blickpunkt lag ausschließlich darauf, Schritt für Schritt Klimaneutralität herzustellen, auf Basis der langen Jahre gewohnten Rahmenbedingungen. Dazu gekommen sind Strategien zu einer längeren Krise öffentlicher Haushalte, Cyber-Angriffen und weiteren Krisenszenarien, die eintreten und die Versorgungssicherheit gefährden können. Ich spreche da auch von Angriffen auf die Energieinfrastruktur.
Inwieweit haben Sie diesbezüglich personell aufgebaut?
Bieberbach: Wir haben uns verstärkt, um unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken, sowohl gegen Cyber- als auch gegen physische Angriffe. Zudem müssen wir uns aufmögliche politischeSzenarien vorbereiten.
Was meinen Sie konkret?
Bieberbach: Sich möglicherweise verschiebende politische Prioritäten, auf europäischer Ebene. Es deutet sich an, dass Verteidigungsfragen auch hier wichtiger werden und Klimaschutz möglicherweise depriorisiert wird. Welche Auswirkungen das für Energieversorger haben wird, ist nicht vollkommen klar. Aber es wird Auswirkungen haben und wir wollen vorbereitet sein.
Bei ihrem ursprünglichen Ziel, nämlich sauberen Strom zu produzieren, kommt Herr Schreiber ins Spiel. SWM und CEE arbeiten seit vielen Jahren zusammen…
Detlef Schreiber: Was bei dem Thema sauberer Strom aus Sicht eines Asset Managers interessant ist, sind die in den vergangenen zwei bis drei Jahren durch die geopolitischen Unsicherheiten entstandenen Preis-Volatilitäten am Strommarkt. Wir haben von den höheren Strompreisen profitiert, haben moderat geplant und dementsprechend mehr erwirtschaftet. Auf der anderen Seite haben wir steigende Kapitalkosten, die wiederum mehrere Auswirkungen haben.
Welche sind die in ihren Augen gravierendsten Auswirkungen?
Schreiber: Zum einen sind wir bei unseren Investitionen auf Fremdfinanzierungen angewiesen, da wir ein hohes Investitionsvolumen haben. 200 bis 300 Basispunkte mehr, wirken sich auf die Eigenkapitalrendite aus. Eine Preisanpassung im Markt war dadurch notwendig. Preise für Assets mussten sinken, um den Zinsnachteil auszugleichen.
Das war ein herausfordernder Prozess. Auf der anderen Seite müssen wir institutionelles Kapital in unseren Fonds bündeln. Unsere Ansprechpartner mussten ebenfalls den Zinsschock verkraften. Die Verfügbarkeit von Kapital war in den vergangenen zwei Jahren deutlich eingeschränkt. Das alles bedeutet viel Stress für Projektentwickler bei dem Aufbau neuer Portfolios.
Wie hat all das die langjährige Partnerschaft von SWM und CEE berührt?
Schreiber: Die Stadtwerke München sind neben anderen Investoren in ein Bestandportfolio investiert, das in den Jahren 2007 bis 2011 aufgebaut wurde. Was dieses Investment angeht, konnte also von den höheren Strompreisen profitiert werden.
Bieberbach: Wir haben versucht, die unerwarteten Gewinne im Bereich der Windparks, insbesondere derer die wir direkt halten und nicht über die CEE, an unsere Kunden weiterzugeben. Bilanziell gab es über die Jahre Verwerfungen, aber wir haben das ganz gut hinbekommen.
Von welchen Verwerfungen sprechen Sie?
Bieberbach: Die extreme Volatilität auf den Energiemärkten hat einerseits über Margin Calls vorübergehend sehr viel Liquidität gebunden und kurzfristige Finanzierungen erfordert. Andererseits mussten für Sicherungsgeschäfte hohe Rückstellungen gebildet und wieder aufgelöst werden. Beides sieht man sehr deutlich in den Jahresabschlüssen. Dazu kamen temporär sehr hohe Counterparty-Risiken.
Sie haben bereits angedeutet, dass sie auch direkt in Windparks investiert sind. Wie sieht das Portfolio der Stadtwerke München insgesamt aus?
Bieberbach: Wir haben zwei vollkommen voneinander getrennte Portfolios im Bereich der Finanzanlagen. Das eine sind die operativen Anlagen, das andere sind die reinen Finanzanlagen. In beiden haben wir elementar verschiedene Anlagegrundsätze. Bei der reinen Geldanlage sind wir aufgestellt wie eigentlich jeder große institutionelle Investor. Aktuell haben wir gut 1,2 Milliarden Euro. Die sind klassisch global vor allem in Anleihen und Aktien investiert. Dazu haben wir kleinere Beimischungen in illiquiden Anlagen. Wir streben eine geringe Volatilität bei angemessener Rendite an. Bei diesem klassischen Anlageverhalten wird sich auch nicht viel ändern.
Haben Sie sich vor der Zinswende nicht gewünscht, mehr illiquide Vermögenswerte im Portfolio zu haben?
Bieberbach: Regulatorisch sind wir wenig eingeschränkt. Wir könnten 25 Prozent Private Equity im Portfolio haben, wollen das aber gar nicht. Der konservative Ansatz ist und bleibt unser Vorgehen, weil wir das so wollen und nicht, weil der Regulator uns eingrenzt. Unkonventionelle Anlagen können sich schnell rächen. Vollkommen anders sieht es im Bereich der direkten Anlagen aus.
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Herr Bieberbach, Herr Schreiber, die vergangenen Jahre waren auch und insbesondere für Energie-Manager sehr fordernd, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Florian Bieberbach: Das Thema Resilienz ist viel stärker ins Bewusstsein getreten - bei allen Energiemanagern. Es ist jedem in Deutschland bewusst geworden, wie verletzlich die Energieversorgung war und in Teilen noch immer ist. Die stabile Energieversorgung hat nun bei allen Planungen eine höhere Bedeutung.
Gibt es weitere Veränderungen mit Blick auf die Zukunft?
Bieberbach: Für uns als SWM ist eine ganz wesentliche Konsequenz aus den Krisen, dass wir stärker in verschiedenen Szenarien denken müssen. Bislang hatten wir eine Zukunfts- und Wirtschaftsplanung der wir folgten. Das reicht nicht aus, das war naiv, das wissen wir heute. Drei Zukunftsplanungen werden notwendig sein, um auf überraschende Wendungen der Rahmenbedingungen vorbereitet zu sein.
Wie war die ursprüngliche Planung konzipiert und wie werden die dazu kommenden aussehen?
Bieberbach: Der Blickpunkt lag ausschließlich darauf, Schritt für Schritt Klimaneutralität herzustellen, auf Basis der langen Jahre gewohnten Rahmenbedingungen. Dazu gekommen sind Strategien zu einer längeren Krise öffentlicher Haushalte, Cyber-Angriffen und weiteren Krisenszenarien, die eintreten und die Versorgungssicherheit gefährden können. Ich spreche da auch von Angriffen auf die Energieinfrastruktur.
Inwieweit haben Sie diesbezüglich personell aufgebaut?
Bieberbach: Wir haben uns verstärkt, um unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken, sowohl gegen Cyber- als auch gegen physische Angriffe. Zudem müssen wir uns aufmögliche politische Szenarien vorbereiten.
Was meinen Sie konkret?
Bieberbach: Sich möglicherweise verschiebende politische Prioritäten, auf europäischer Ebene. Es deutet sich an, dass Verteidigungsfragen auch hier wichtiger werden und Klimaschutz möglicherweise depriorisiert wird. Welche Auswirkungen das für Energieversorger haben wird, ist nicht vollkommen klar. Aber es wird Auswirkungen haben und wir wollen vorbereitet sein.
Bei ihrem ursprünglichen Ziel, nämlich sauberen Strom zu produzieren, kommt Herr Schreiber ins Spiel. SWM und CEE arbeiten seit vielen Jahren zusammen…
Detlef Schreiber: Was bei dem Thema sauberer Strom aus Sicht eines Asset Managers interessant ist, sind die in den vergangenen zwei bis drei Jahren durch die geopolitischen Unsicherheiten entstandenen Preis-Volatilitäten am Strommarkt. Wir haben von den höheren Strompreisen profitiert, haben moderat geplant und dementsprechend mehr erwirtschaftet. Auf der anderen Seite haben wir steigende Kapitalkosten, die wiederum mehrere Auswirkungen haben.
Welche sind die in ihren Augen gravierendsten Auswirkungen?
Schreiber: Zum einen sind wir bei unseren Investitionen auf Fremdfinanzierungen angewiesen, da wir ein hohes Investitionsvolumen haben. 200 bis 300 Basispunkte mehr, wirken sich auf die Eigenkapitalrendite aus. Eine Preisanpassung im Markt war dadurch notwendig. Preise für Assets mussten sinken, um den Zinsnachteil auszugleichen.
Das war ein herausfordernder Prozess. Auf der anderen Seite müssen wir institutionelles Kapital in unseren Fonds bündeln. Unsere Ansprechpartner mussten ebenfalls den Zinsschock verkraften. Die Verfügbarkeit von Kapital war in den vergangenen zwei Jahren deutlich eingeschränkt. Das alles bedeutet viel Stress für Projektentwickler bei dem Aufbau neuer Portfolios.
Wie hat all das die langjährige Partnerschaft von SWM und CEE berührt?
Schreiber: Die Stadtwerke München sind neben anderen Investoren in ein Bestandportfolio investiert, das in den Jahren 2007 bis 2011 aufgebaut wurde. Was dieses Investment angeht, konnte also von den höheren Strompreisen profitiert werden.
Bieberbach: Wir haben versucht, die unerwarteten Gewinne im Bereich der Windparks, insbesondere derer die wir direkt halten und nicht über die CEE, an unsere Kunden weiterzugeben. Bilanziell gab es über die Jahre Verwerfungen, aber wir haben das ganz gut hinbekommen.
Von welchen Verwerfungen sprechen Sie?
Bieberbach: Die extreme Volatilität auf den Energiemärkten hat einerseits über Margin Calls vorübergehend sehr viel Liquidität gebunden und kurzfristige Finanzierungen erfordert. Andererseits mussten für Sicherungsgeschäfte hohe Rückstellungen gebildet und wieder aufgelöst werden. Beides sieht man sehr deutlich in den Jahresabschlüssen. Dazu kamen temporär sehr hohe Counterparty-Risiken.
Sie haben bereits angedeutet, dass sie auch direkt in Windparks investiert sind. Wie sieht das Portfolio der Stadtwerke München insgesamt aus?
Bieberbach: Wir haben zwei vollkommen voneinander getrennte Portfolios im Bereich der Finanzanlagen. Das eine sind die operativen Anlagen, das andere sind die reinen Finanzanlagen. In beiden haben wir elementar verschiedene Anlagegrundsätze. Bei der reinen Geldanlage sind wir aufgestellt wie eigentlich jeder große institutionelle Investor. Aktuell haben wir gut 1,2 Milliarden Euro. Die sind klassisch global vor allem in Anleihen und Aktien investiert. Dazu haben wir kleinere Beimischungen in illiquiden Anlagen. Wir streben eine geringe Volatilität bei angemessener Rendite an. Bei diesem klassischen Anlageverhalten wird sich auch nicht viel ändern.
Haben Sie sich vor der Zinswende nicht gewünscht, mehr illiquide Vermögenswerte im Portfolio zu haben?
Bieberbach: Regulatorisch sind wir wenig eingeschränkt. Wir könnten 25 Prozent Private Equity im Portfolio haben, wollen das aber gar nicht. Der konservative Ansatz ist und bleibt unser Vorgehen, weil wir das so wollen und nicht, weil der Regulator uns eingrenzt. Unkonventionelle Anlagen können sich schnell rächen. Vollkommen anders sieht es im Bereich der direkten Anlagen aus.
Inwiefern?
Bieberbach: Das sind unsere direkten Beteiligungen an EE-Erzeugungsanlagen, vor allem an großen Windparks. Hier reden wir über ein Anlagevolumen von gut 4 Milliarden Euro. Historisch gesehen, hatten wir auch hier ein konventionelles Portfolio. Vor 20 Jahren waren das vor allem eine Kernkraft-Beteiligung, fossile Kraftwerke, Erdgas-Pipelines. Seit 2008 bauen wir dieses Portfolio um. Wir sind nicht mehr in Kern- und Kohlekraft investiert. Parallel haben wir viel in erneuerbaren Energien aufgebaut. Offshore- und Oshore-Wind macht den größten Anteil aus. Hier sind wir auch stark außerhalb Deutschlands, in erster Linie in Skandinavien aktiv. In diese Richtung wird es weitergehen, zuletzt verstärkt durch Investments in erneuerbare Wärmeerzeugungsanlagen, in erster Linie aus Geothermie.
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, findet Atomenergie jetzt wieder gut. Wie denken Sie darüber?
Bieberbach: Ich habe den Eindruck, dass die Debatte um Kernenergie ein Stück weit Teil des allgemeinen Kulturkampfes geworden ist. Aus dieser eher emotionalen Debatte halte ich mich raus. Ganz sachlich betrachtet, befinden sich die bestehenden deutschen Kernkraftwerke im Rückbau. Diese wieder anzufahren ist unmöglich. Wir sind an Isar 2 beteiligt, hier ist der Point of no return längst erreicht. Spricht man in Deutschland über einen Wiedereinstieg, dann bedeutet das Neubau. Realistischerweise haben diese Anlagen in Deutschland eine Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeit von 20 Jahren plus X.
Kurzfristig ist das also keine Option. Ein Blick nach Finnland, Frankreich und Großbritannien zeigt zudem, dass die Kosten gigantisch sind und nicht mit den ursprünglich eingeplanten Summen einhergehen. Dazu kommen die Zeitverzüge und die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahrzehnten in Europa nicht gelungen ist, Atomstrom aus neuen Anlagen zu vertretbaren Kosten zu produzieren.
Mit dem Wissen von heute, war der Ausstieg übereilt?
Bieberbach: Am Ende ist es eine Frage der Risikoabwägung, eine Frage der Sicherheit der Technologie und der Endlagerung der Brennelemente. Die Politik hat dann den Ausstieg beschlossen. Rein technisch gesehen, hätten die modernen Kraftwerke in Deutschland noch ein paar Jahre länger laufen können.
Schreiber: Die Kernenergie ist ein politisch vermintes Feld mit vielen Diskussionen, die zu nichts führen. Wir müssen jetzt mit den Rahmenbedingungen umgehen. Regulatorisch und politisch müssen viele Hemmnisse weiter abgebaut werden
Welche wurden bereits abgebaut und welche Hemmnisse müssen noch abgebaut werden?
Schreiber: In erster Linie geht es um Genehmigungsprozesse für neue erneuerbare Energienanlagen aber auch für das Re-powering bestehender Anlagen. Positiv hervorzuheben ist, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert haben. Beispielsweise beim Re-powering war es bis vor wenigen Jahren so, dass es wie ein neuer Windpark angesehen wurde, wenn sie eine Anlage modernisiert haben. Wir brauchten also eine komplette Neugenehmigung. Jetzt benötigen wir nur noch eine Änderungsgenehmigung. Die zu bekommen, ist noch immer schwierig, aber deutlich einfacher.
Und solche Tippel-Schritte ziehen sich durch alle Prozesse, was uns zuversichtlich macht. Ich habe das Gefühl, es entwickelt sich regulatorisch in die richtige Richtung – auch, wenn es nach wie vor mühsam, teilweise qualvoll ist. Unser Gesamtportfolio umfasst 2 Gigawatt an gut 100 Standorten, die zum großen Teil in Deutschland liegen. Gemessen an dem Zeitdruck, den wir durch den Regulator haben, müsste es noch schneller laufen, beispielsweise bei den Themen Netzausbau und Speichertechnik ist regulatorisch viel zu tun.
Bieberbach: Wir machen viel Offshore, weil es keine bremsenden Bürgerinitiativen gibt und diese Parks mehr Ertrag generieren. Wir machen auch On-shore in Deutschland, aber ich sage ganz deutlich: Deutschland ist ein kompliziertes Land. Wir freuen uns sehr über die Vereinfachungen, die es gegeben hat. Ein Problem, das noch nicht gelöst ist, ist der Personalmangel in den Behörden. Wir haben nicht mit einer Behörde zu tun, sondern mit Dutzenden, wenn nicht hunderten. Das kommt durch die föderale Struktur und gerade in Gebieten, in denen erneuerbare Energien viel ausgebaut werden, gibt es einen enormen Personalmangel. Manche Bundesländer sind vollkommen überfordert mit der Bearbeitung der Anträge. Wir stellen teilweise keine Anträge mehr, weil wir wissen, dass die Bearbeitung Jahre dauern würde.
Welche Mängel sehen Sie noch?
Bieberbach: Im internationalen Vergleich sehen wir, dass in keinem anderen Land, in dem wir aktiv sind, die Pacht für ein Grundstück so teuer ist, wie in Deutschland. In anderen Ländern bezahlen sie einen Bruchteil, was den Standort für Erneuerbare unattraktiver macht.
Gilt das für alle Länder, auch für jene die dem Staat gehören?
Bieberbach: Es ist ein Flickenteppich. Insgesamt ist die Bandbreite der Pachtgebühren hoch. Ich würde schätzen im Schnitt Faktor 5 gegenüber anderen Ländern in Europa.
Herr Schreiber, arbeiten Sie noch mit weiteren Stadtwerken zusammen…
Schreiber: Neben den Stadtwerken München haben wir eher die klassischen institutionellen Anleger wie Versicherer und Versorgungswerke als Kunden, die sich also weit mehr um Regulatorik kümmern müssen. Die Branche kämpft mit den strengen Anlagegrenzen der Anlageverordnung im Bereich Infrastruktur. Durch die Abwertung in anderen Klassen, kam es bei vielen zum Denominator-Effekt.
Mit welchem Ergebnis?
Schreiber: Unsere Anlageklasse ist inflationsgeschützt und dadurch relativ stabil in den Werten. Dadurch sind viele unserer Investoren den Grenzen sehr nahegekommen. Folge daraus ist die unschöne Situation, dass Investoren die liquide sind, bei uns investieren wollen, aber nicht können. Das ist ein seltsamer Zustand. Vor dem Hintergrund, dass die Anlageklasse sich in volatilen Zeiten als Wertstabil bewährt hat und der Ausbau politisch und gesellschaftlich gewollt ist, fehlt mir das Verständnis. Zumal jeder mittlerweile verstanden hat, dass die Energiewende nur mit privatem Kapital gelingen kann. Die Restriktion des Regulators und der daraus resultierende Stillstand sind frustrierend für alle Beteiligten.
Welche Schlüsse ziehen sie daraus?
Schreiber: Wir gehen verstärkt in Richtung Kapital aus dem Ausland. Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien ist schließlich da.
Machen bald institutionelle Investoren, beispielsweise von US-Endowments, die wenig reguliert sind, das Geschäft, weil heimische Investoren nicht dürfen?
Schreiber: Möglich ist das. In jedem Fall ist das ein Problem, dass die Politik in den Griff bekommen muss. In den kommenden 10 bis 15 Jahren geht es um sehr hohe Investitionsvolumen und damit um sehr hohe Gewinnchancen.
Würgen Regulatorik, Bürokratie und Nachwuchsmangel die Energiewende ab und tragen ihren Anteil dazu bei, dass der Wirtschaftsstandort Deutschlang zurückfällt?
Schreiber: Wir könnten sehr viel mehr machen, wenn die Rahmenbedingungen bessere wären. Der Markt in Deutschland ist groß, aber der nicht vorhandene Digitalisierungsgrad ist ein weiteres Problem. Beispielsweise das Personalproblem wird sich nur durch digitale Prozesse lösen lassen. Der Fortschritt bleibt dennoch aus. Dazu entwickelt sich beim Themenkomplex ESG eine immer größere Last. Auch hier wird es nicht ohne Digitalisierung gehen.
Können Sie die drei schwerwiegendsten Punkte der von ihnen angesprochenen Last benennen?
Schreiber: Wir machen ESG-Reporting bereits seit vielen Jahren freiwillig. Es ist ein wesentlicher Faktor unserer Tätigkeit. Unsere Fonds sind alle nach Artikel 9 klassifiziert. Das zu halten ist eine Herausforderung. Derzeit werden enorme Datenpunkte gesammelt, sowohl auf der Anbieter-, als auch auf der Investorenseite. Dazu entwickelt der Rahmen sich stetig weiter, nichts ist in Stein gemeißelt.
Die große Herausforderung ist es also, diese Prozesse mit digitalen Schnittstellen zu versehen, damit Daten übertragen werden können. Die SDGs müssen von den Asset Managern in den einzelnen Portfolios erhoben werden. Das ist eine machbare Aufgabe. Die regulatorische Seite ist fordernder, übrigens auch für Rating-Agenturen und Kanzleien. Alle sind in einem Orientierungsprozess.
Benötigen Sie oft externe Berater?
Schreiber: Es ist wichtig, sich externes Wissen ins Haus zu holen. Eine Standleitung haben wir nicht, aber schon häufig sonderbare Themen, wie beispielsweiseeinen Auerhahn, der so aggressives Brutverhalten zeigte, dass er unseren Dienstleister nicht zur Wartung der Windkraftanlagen aus den Autos hat steigen lassen. Wir haben dann einen Berater engagiert, der die Lage vor Ort eingeschätzt und letztlich unserem Dienstleister erläutert hat, wie man mit dem Auerhahn unzugehen hat. So konnten alle WEAs ordnungsgemäß gewartet werden, ohne die Sicherheit von Mensch und Tier zu gefährden.
Herr Bieberbach, in welchen Fällen, die ihre Kapitalanlage berühren, holen Sie sich externe Hilfe ins Haus?
Bieberbach: Vor allem bei großen M&A-Projekten arbeiten wir mit externer Unterstützung. Und unsere Spezialfonds haben externe Adviser.
Wie denken Sie über den Standort Deutschland?
Bieberbach: Die ausufernde Bürokratie und die mangelnde Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sind ein Riesenproblem. Es ist zum Verzweifeln, zumal ich auch nicht wüsste, wenn ich in der Politik wäre, wie ich diesen riesigen Apparat in das digitale Zeitalter heben sollte. Die föderale Struktur macht das wahnsinnig schwierig. Bundesländer und Bund sind gefragt. Stillstand können wir uns nicht leisten. Ansonsten bin ich grundsätzlich nicht unzufrieden mit dem Standort Deutschland.
Wie packen Sie das ganze Thema ESG an, Sie haben ja beispielsweise auch Immobilien im Portfolio?
Bieberbach: Unsere CO2-Bilanz erstellen wir seit 2022 und verfeinern sie fortwährend. Mittlerweile können wir aber aus tausenden Datenpunkten auswählen, die wir für unseren Geschäftsbericht erheben müssen. Das ist ein hoher Aufwand. Dazu kommen weitere regulatorische Pflichten, beispielsweise das Lieferketten- und das Sorgfaltspflichtengesetz.
Unterm Strich nimmt die regulatorische Dichte enorm zu. Bei vielen Vorschriften fragt man sich, welchen Nutzen sie in der Welt haben, außer Umsatztreiber von Beratungsunternehmen und Kanzleien zu sein. Dennoch betone ich, dass ich die Stoßrichtung ESG insgesamt mitgehe und nicht die Hoffnung verliere, dass sich die Regulatorik in einem vernünftigen Maß einpendeln wird.
Schreiber: Am Ende geht es um vergleichbare, einordnende und bindende Reportings. Jeder Investor will sehen, was ein Produkt von CEE beispielsweise von einem Produkt der Konkurrenz unterscheidet.
Bieberbach: Es mutet übrigens grotesk an, dass die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sich auf die Fahnen schrieb, Bürokratie abbauen zu wollen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Und dann prasseln zig Tausend Seiten neuer Regulierung innerhalb von 5 Jahren auf uns nieder.
Herr Bieberbach, sie haben unter anderem auch 1.400 Werkswohnungen im Portfolio…
Bieberbach: Besagte Wohnungen führen wir bei unseren Portfolioanalysen nicht mit. Die einzige Konsequenz aus unserem relativ großen Immobilienbestand ist, dass wir im Rahmen unserer Geldanlage nicht noch zusätzlich in Real Estate investieren, weil wir kein Klumpenrisiko eingehen möchten. In unserem Anlagemix findet kein Real Estate statt, außer kleinere Anteile bei gemischten Fonds.
Die Stadtwerke suchen aber laufend Grundstücke, ausschließlich für Windparks?
Bieberbach: Wir suchen im Großraum München Flächen für weitere Wohnungen, Geothermie-Anlagen, Bus-Depots, Heizkraftwerke und weiteres. Überregional suchen wir in erster Linie für Wind- und Solarparks. Außerhalb Münchens brauchen wir keine Wohnungen, weil wir diese nur für unsere Mitarbeiter zur Verfügung stellen wollen.
Wenn Sie Grundstücke in und um München finden, bauen sie das Wohnportfolio aus?
Bieberbach: Ja, wir haben mehrere Projekte in der Pipeline und wollen das Portfolio an Werkswohnungen verdoppeln. Wir reden derzeit mit Investoren über den Ankauf von Projekten, die bereits angefangen wurden.
Inwieweit profitieren Sie dabei von Immobilienkrise und Denominator-Effekt?
Bieberbach: Theoretisch sollten wir davon eigentlich profitieren, weil wir Interesse an Projekten haben und immer noch investitionsfähig sind. Aber praktisch hat sich das in München noch kaum gezeigt.
Inwieweit beziehen Sie Gresb und weitere ESG-Tools bei Bestand- und Neubauten ein?
Bieberbach: Bei Bestandsbauten halten wir erforderlichen Sanierungsstandards ein. Bei der Heizung und PV auf dem Dach versuchen wir, auf dem neuesten Stand zu sein. Wir als Unternehmen sind keine Fans von allzu übertriebenen Standards. Wir würden beispielsweise keine Passivhäuser bauen, weil wir diese nicht als ökologisch sinnvoll erachten.
Wir wollen ein gesundes Maß an Sanierung und Eigenenergieerzeugung. Im Altbestand haben wir auch noch Wohnungen, die nicht taxonomiekonform sind. Ich spreche da von teilweise sehr schönen über 100 Jahre alten Häusern, da geht das nicht so schnell. Wir behalten die, brauchen jede Wohnung dringend und werden auch diese mittel- bis langfristig energetisch sanieren.
Herr Bieberbach, in den USA setzte mittlerweile über 80 Prozent der institutionellen Investoren auf Consultants, ein Rekordwert. Bauen Sie auch auf die Meinung von Consulting-Unternehmen und wenn ja, bezüglich welcher Themen?
Bieberbach: Beim Kauf von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien setzen wir auf Consultants im Rahmen der Due Diligence, beispielsweise technische Experten. Kritisch sehe ich den Einsatz von Consultants bei Energiepreisprognosen, da inzwischen sehr deutlich ist, dass diese Prognosen systematisch zu hoch liegen. Hierfür verwenden wir lieber eigene Berechnungen, auch wenn sie sehr aufwendig sind.
Wie ordnen Sie die wachsende Rolle von Consulting-Unternehmen in der institutionellen Kapitalanlage ein?
Schreiber: Natürlich schätzen wir den direkten Kontakt zu unseren Endinvestoren sehr. Uns ist aber bewusst, dass für viele Anleger der Weg über einen Berater unumgänglich ist bei der Vielzahl an Themen und die häufig begrenzten Ressourcen. In der Praxis treffen wir auf diverse Abstufungen der Beratungsleistungen, angefangen bei der Unterstützung in der Due Diligence bis hin zu vollständig Übernahme des Investmentprozesses. Wir gehen davon aus, dass dies auch zukünftig der Fall sein wird, und stellen uns im Client Advisory noch breiter auf, um die Berater schnellstmöglich und umfassend bedienen zu können.
Herr Bieberbach, Sie tragen seit 2013 die Verantwortung bei der SWM und in München ist immer viel los, wie organisiert man das alles?
Bieberbach: Die vergangenen zehn Jahre konnten wir viele Veränderungen in München anschieben. Mit Anfang der Nuller-Jahre fing der Umbau der Stadt bereits an. Verdichtung des ÖPVN, Geothermie, Ausbau des Fernwärmesystems und weitere Punkte. Klimaneutralität erfordert wahnsinnig viele Baumaßnahmen. Es wird auch nicht ruhiger werden, wir benötigen noch allein 50 Geothermie-Bohrungen bis 2040. Bis 2045 wollen wir 600 Kilometer zusätzliches Fernwärmenetz bauen, es wird also weiter rund gehen in der Stadt. Wie man das organisiert? Es ist ein tägliches Managen von Planabweichungen. Nichts läuft, wie ursprünglich angedacht, es ist eine ständige Koordination zwischen Stadtwerken, Stadt, Deutscher Bahn und weiteren. Unterm Strich klassisches Management, aber ohne eine gewisse innere Ruhe und ein stabiles Herz geht es nicht lange gut. Wichtig ist auch, dass es mir sehr viel Spaß macht, die Stadt weiterzuentwickeln.
Über die Interviewten
Florian Bieberbach ist seit 2013 Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München (SWM). Nach einem Studium der Informatik und einer Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der TU München war Bieberbach ab 2000 in London im Investmentbanking der Deutschen Bank tätig. 2002 wechselte er zur SWM. Seit 2006 ist er Mitglied der Geschäftsführung.
Die SWM sind der Energieversorger, Mobilitäts- und Infrastrukturanbieter der Landeshauptstadt München. Mit rund acht Milliarden Euro Umsatz und rund 11.000 Mitarbeitenden zählen sie zu den größten Energie- und Infrastrukturunternehmen Deutschlands. Die Geschäftsgebiete der SWM erstrecken sich über Strom, Gas, Fernwärme, Fernkälte, Wasser, ÖPNV, Telekommunikation bis zum Betrieb der städtischen Bäder. Strategischer Schwerpunkt ist seit 2009 der Ausbau Erneuerbarer Energien.
Detlef Schreiber ist seit 2014 Geschäftsführer von der CEE Group. Er ist insbesondere für die Bereiche M&A, Asset Management sowie HR und Marketing und Kommunikation verantwortlich und war an der Gründung der CEE Group im Jahr 2000 beteiligt. Vor dieser Zeit war er im Privatkundengeschäft der Vereins- und Westbank tätig.