Interview mit David Wright von Pictet „KI ist für uns eine Evolution, keine Revolution“

David Wright von Pictet.

David Wright von Pictet: „Wir trainieren mit langen Datenreihen von 15 Jahren, die viele Marktphasen abdecken.“ Bildquelle: Pictet

private banking magazin: Herr Wright, welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) heute in Ihrem Geschäft?

David Wright: Sie ist inzwischen ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Wir setzen KI als Investment-Engine für eine unserer Wachstumsstrategien ein. In meiner Funktion als Head of Quantitative Investments verantworte ich sowohl den passiven Quant-Bereich, also die Indexseite, als auch die aktive Quant-Seite, unser „Quest“-Team. Dort machen wir Multi-Asset- und Aktienstrategien. Besonders im Aktienbereich nutzen wir zwei Ansätze: klassische faktorbasierte Strategien und eine neuartige, KI-gesteuerte, faktorneutrale Strategie. Letztere stößt derzeit auf besonders großes Interesse. KI bildet hier also das Herzstück unserer Return-Prognosen und der Portfolio-Konstruktion.

Wie hat KI Ihren Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren verändert?

Wright: Vor allem, indem sie uns neue Strategien ermöglicht. Klassische Aufgaben sind dadurch kaum ersetzt worden. Zwar nutzen einige Kollegen KI-Tools wie Large Language Models (LLMs), etwa um Basis-Code zu schreiben. In Produktion geht aber nur, was unsere Spezialisten selbst geprüft haben. Wirklich verändert hat sich, dass wir heute Strategien aufsetzen können, die es ohne KI nicht gäbe. Unser Geschäft ist dadurch gewachsen.

Was liefert Ihnen KI konkret im Portfolio-Management?

Wright: Klassisch arbeitet man im quantitativen Aktieninvestment mit Modellen, die Aktien nach Signalen bewerten – etwa Bilanzkennzahlen, Management-Daten oder Markteigenschaften. Portfolio-Manager gewichten diese Signale und testen das Modell. Mit KI – genau genommen Machine Learning – trainieren wir Algorithmen, die selbst lernen, wie sie aus Eingaben Prognosen ableiten. Wir definieren ein sehr breites Set an Signalen, trainieren das Modell mit historischen Daten und lassen es dann die Gewichtungen selbst bestimmen. Das Ergebnis ist ein vollautomatisierter Prognoseprozess, der die manuelle Modellkonstruktion ersetzt.

Viele empfinden die Entwicklung von KI als Revolution.

Wright: Im Alltag wirkt es wie eine Revolution – vor allem seit ChatGPT plötzlich allgegenwärtig wurde. Aber in der Quant-Welt sehe ich es eher als Evolution. Wir haben immer nach mehr Daten, besserer Technologie, höherer Geschwindigkeit und Genauigkeit gesucht. Machine Learning ist ein nächster Schritt in dieser Entwicklung, nicht ein plötzlicher Bruch.

Sie sprachen an, dass Sie nicht mit LLMs prognostizieren. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Modelle robust bleiben?

Wright: Richtig, LLMs sind generativ – sie erzeugen Text, Bilder oder Ton. Für Prognosen im Investment sind sie ungeeignet. Wir setzen auf Entscheidungsbäume, genauer auf „Gradient Boosting“. Dabei trainieren wir tausende Entscheidungsbäume, die jeweils einfache Vorhersagen treffen und sich gegenseitig verbessern. Das Verfahren ist sehr gut für Vorhersagen geeignet. Robustheit erreichen wir durch zwei Dinge: Wir trainieren mit langen Datenreihen von 15 Jahren, die viele Marktphasen abdecken. Außerdem fokussieren wir uns auf spezifische Renditen, also solche, die nicht von allgemeinen Markt- oder Sektoreffekten getrieben sind.

 

Wie verhindern Sie Überanpassungen dem so genannten Overfitting?

Wright: Aggregation spielt eine große Rolle. Einzelne Bäume sind bewusst schwach und nur in der Kombination stark. Zusätzlich nutzen wir Verfahren wie k-fold-Validierung, bei der wir Zeiträume aufteilen: zwölf Jahre Training, drei Jahre Validierung, ohne Überschneidung. Außerdem überprüfen wir, ob die gefundenen Zusammenhänge in verschiedenen Regionen – etwa Europa oder USA – funktionieren.

Nutzen Sie alternative Datenquellen?

Wright: Weniger. Alternative Daten haben selten 15 Jahre Historie, die wir für robuste Modelle brauchen. Wir setzen vor allem auf klassische Preis-, Bilanz- und Analystendaten sowie Investorensentiment. Wichtig ist, dass jedes Signal eine ökonomische Begründung hat – das senkt ebenfalls das Risiko von Overfitting.

Ein häufiges Thema bei KI ist Nachvollziehbarkeit.

Wright: Mit Entscheidungsbäumen ist das sehr gut möglich. Wir können zurückverfolgen, welche Signale die Prognose für eine bestimmte Aktie beeinflusst haben. Unsere Portfolio-Manager haben Dashboards, die zeigen, wenn sich Bewertungen stark ändern. Dann lässt sich nachvollziehen, ob etwa Preissignale eine Aktie plötzlich aufwerten und ob die Daten plausibel sind.