Christian Sievers, Geschäftsführer von LAIC „Unsere Branche gilt als eher langsam beim Einsatz von neuer Technologie“

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Laut der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) wird KI bisher kaum im Finanzsektor genutzt. Woran liegt das? 

Sievers: Unsere Branche gilt ja insgesamt als eher langsam beim Einsatz von neuer Technologie. Die Zurückhaltung ist umso interessanter, als 87 Prozent der Befragten in der DVFA-Studie vom März 2024 glauben, dass die KI die Brache innerhalb der nächsten ein bis fünf Jahre signifikant verändern wird. Tatsächlich arbeiten aber viele Unternehmen in der Finanzbranche heute noch mit den gleichen Systemen und Anwendungen wie vor 20 Jahren. Und oft sind diese Systeme, zum Beispiel für die Datenanalyse, das Fondsmanagement oder die Kundenbetreuung, auch untereinander nicht kompatibel. In so einer Architektur lässt sich eine wirkungsvolle KI nicht implementieren. Es braucht den Mut, das Geld und die Expertise, um das gesamte System auf die Anforderungen der KI hin neu aufzubauen.

Was genau braucht es zum Aufbau der KI-Infrastruktur? 

Sievers: Damit die KI ihre Leistungsfähigkeit entfalten kann, sind modernste neuronale Netze, hochleistungsfähige Rechenpower sowie Zugang, Speicher- und Verarbeitungsmöglichkeiten für riesigen Datenmengen erforderlich. Und man braucht Experten für KI, Datenanalyse und Machine Learning, die die KI trainieren und laufend optimieren.

Wir bei Laiqon hatten das Glück, dass wir mit unserem neuen Geschäftsmodell unser System ohne Altlasten, quasi auf der grünen Wiese, völlig neu aufbauen konnten. Wir haben über fünf Jahre die Datenbanken mit qualifizierten, belastbaren und strukturierten Daten befüllt und unsere KI damit trainiert. Seit dem Start im Jahr 2018 haben wir über 30 Millionen Euro in den Aufbau des Systems und der KI investiert. Das muss man sich erst einmal trauen – und auch finanzieren können.

Was sind die Hürden und Probleme beim Einsatz von KI im Finanzsektor?

Sievers: Neben der Knappheit von KI-Experten ist die größte Herausforderung aus unserer Sicht ganz klar die Verfügbarkeit und die Qualität der Daten. Denn eine KI ist immer nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird.

 

Um relevante Muster zu erkennen und tragfähige Prognosen abzugeben, muss die KI Zugriff auf möglichst umfangreiche Daten über die Entwicklung von Märkten, Zinsen, Kursen und Meinungen haben. Hier steckt der Teufel durchaus im Detail, denn damit die KI im Training Ursache und Wirkung korrekt zuordnen kann, müssen alle Daten mit einem exakten Zeitstempel versehen sein. Gerade bei historischen Daten sind solche Informationen aber selten verfügbar. Unsere Trainingsdaten reichen bis zu 30 Jahre zurück. Das ist wichtig, damit die KI nicht nur auf Boomphasen trainiert wird, sondern verschiedenste Marktzyklen kennenlernen kann.

Bei Neuerungen im Kapitalmarkt dauert es in der Regel nicht lange, bis der Regulator kommt. Inwieweit kann, darf und muss KI reguliert werden?

Sievers: Ganz grundsätzlich muss ja jeder, der hier als Asset Manager tätig werden will, über die entsprechende Lizenz verfügen. Das gilt auch für die Vorreiter der Branche, die KI im Asset Management nutzen. Entsprechend sind wir mit unserer KI-Anwendung in der LAIC Vermögensverwaltung natürlich ein regulierter Finanzportfolioverwalter nach dem Wertpapierinstitutsgesetz.

Aber natürlich eröffnen sich durch neue Technologien auch neue Herausforderungen, die einen klaren regulatorischen und auch ethischen Rahmen brauchen. Das betrifft zum Beispiel den Datenschutz, die Transparenz von Algorithmen und Entscheidungskriterien sowie die Frage, ob und wo Menschen in Zukunft noch eingreifen sollen. Ein rechtlicher Rahmen hilft dem Markt, weil er Anbietern und Anlegern mehr Sicherheit gibt und Fehlentwicklungen vorbeugen kann. Mit dem AI Act hat die EU ja schon erste Schritte in diese Richtung gemacht, was wir sehr begrüßen.