Herr Lange, 2021 wurde damit begonnen, das Portfolio der Zeit Stiftung Bucerius neu auszurichten und stärker in Aktien und illiquide Anlagen zu investieren. Bei unserem letzten Gespräch 2022 sprachen Sie von einer Aktienquote von maximal 50 Prozent. Die Immobilienquote wollten Sie sukzessive von 16 auf bis zu 25 Prozent hochfahren …
Lange: Die Aktienquote bewegt sich bei uns insgesamt weiterhin zwischen 45 und 50 Prozent. Dadurch, dass wir fortlaufend steigende Kurse am Aktienmarkt hatten, konnten wir die Quote antizyklisch reduzieren und von Gewinnen profitieren. Die Immobilienquote liegt mittlerweile bei gut 20 Prozent, nachdem wir erheblich investiert haben – primär über Spezialfonds. Zusätzlich planen wir einen Erweiterungsbau an der Bucerius Law School, unserer Stiftungshochschule, die aufgrund des großen Zulaufs von Studierenden mehr Platzbedarf hat. Auch bei der Finanzierung des Baus kommt uns der Aktienmarkt entgegen.
Sie meinen die Gewinne…
Lange: Durch die Kurssteigerungen an den Aktienmärkten in den letzten Jahren mussten wir unsere Aktienquote ständig reduzieren, um unter 50 Prozent zu bleiben. Wir konnten beziehungsweise mussten antizyklisch agieren. Diese realisierten Gewinne können wir heute für die Finanzierung des Erweiterungsbaus an der Bucerius Law School einsetzen
Auf welche Nutzungsarten setzen Sie bei Immobilien?
Lange: Neben den klassischen Nutzungsarten wie bezahlbarer Wohnraum, Büro und Logistik befinden sich bei uns im Bestand auch Spezial- Immobilien wie die genannte Hochschule, ein Studentenwohnheim oder ein Azubiwohnheim. Neben Nutzungsarten sind uns auch regionale Schwerpunkte wichtig bei der Immobilienselektion. So befinden sich Immobilienfonds in unserem Bestand mit dem Schwerpunkt Hamburg, Berlin oder Süddeutschland. Eine besonders stabile Wertentwicklung sehen wir bei unseren Logistikimmobilien durch die indexierten Mieten, hier zeigt sich eine stabile Wertentwicklung trotz des Zinsanstiegs.
Wie bilden Sie das Thema ESG in Ihrem Portfolio ab?
Lange: ESG ist uns als gemeinnützige Stiftung ein wichtiges Anliegen, das wir entsprechend auch in unserem Portfolio abbilden und umsetzen. Wir haben andere regulatorische Anforderungen als beispielsweise Versicherungen oder Banken, nehmen unsere Verantwortung bei nachhaltiger Vermögensanlage aber trotzdem ernst. Wir sind zudem langfristige Investoren. Für unsere Kapitalanlagen gibt es dezidierte Nachhaltigkeitsreports. Auch ist uns wichtig, unseren Gesamt-CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Wie gehen Sie das an?
Lange: Wir schauen uns die einzelnen Portfolios an und ermitteln, welcher Titel für den höchsten Ausstoß verantwortlich ist und wie hoch dessen Gewichtung im Portfolio ist. Wir wägen oft ab: ob wir den Titel aus dem Portfolio eliminieren und einen höheren Tracking Error in Kauf nehmen. Aus einem passiven Dax-40-Mandat machten wir beispielsweise ein passives Dax-38-Mandat, Nasdaq 100 wird zu Nasdaq 97. Durch das Entfernen der Hauptverursacher aus dem Portfolio erfolgt als Ergebnis eine erhebliche CO2-Reduktion im Portfolio – wenn aber natürlich außerhalb der Aktien-Betrachtung allein dadurch in der Realität kein einzige Gramm CO2 kompensiert werden kann.
Dazu ist mehr nötig…
Lange: Genau, da braucht es echtes Handeln, nachhaltige Umwelt- und Klimaschutzprojekte. Auch hier sind wir aktiv wollen mehr machen. Deshalb (wieder)vernässen wir beispielsweise gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Joachim Herz Stiftung ein Moor in Peenemünde auf der Insel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern.
Moorflächen sind in Deutschland zu über 90 Prozent trockengelegt, emittieren in diesem Zustand jährlich rund 50 Millionen Tonnen Treibhausgase. Werden die Flächen wiedervernässt, können diese Emissionen deutlich reduziert werden. Denn intakte Moore sind große Kohlenstoffsenken. Mit dem Projekt sorgen wir also aktiv für eine echte CO2-Reduktion. Richtigen Impact können wir nur über solche Projekte generieren. Und den wollen wir als Stiftung haben.
Auch in Ihren Immobilien?
Lange: Ja. In der Bucerius Law School als einem unserer Hauptprojekte gestaltet der Denkmalschutz diesen Anspruch bei dem Altbaubestand besonders fordernd, zumal Altbau generell komplizierter in der energetischen Instandsetzung ist. Aber wir wollen auch bei und mit unseren Immobilien im Sozialen einen echten Unterschied machen. So haben wir beispielsweise ein Auszubildenden- und ein Studierendenwohnheim sowie eine Kindertagesstätte in unserem Bestand. Diese betreiben wir als Impact Investing und nicht aus Renditegesichtspunkten.
Reisen Sie mittlerweile selbst zu Projekten? Bei unserem vergangenen Gespräch war dies wegen Corona ja noch schwierig.
Lange: Ja, vor Ort dabei zu sein, gehört wieder mehr mit dazu. Gemeinsam mit der DBU und meinem Kollegen der Joachim-Herz-Stiftung inspizierten wir zum Beispiel in der Vorbereitung die trockengelegte Moor-, heutigen Grasfläche auf Usedom, von denen ich sprach. Alles dort, die Tier- und Pflanzenwelt, werden sich dadurch komplett verändern.
Sie sehen sehr zufrieden aus…
Lange: Das macht auch froh. Ich genieße insgesamt die besonderen Einblicke in unsere vielfältigen Förderthemen – etwa auch in die Kunst- und Kulturförderung, in der ich vorher nicht so zuhause war. Viele Initiativen und Termine sind sehr berührend, machen nachdenklich. So etwa die Wiedereröffnung einer Synagoge in Lübeck, die aufgrund aktueller Debatten und Ereignisse noch einmal erhöhter Schutzvorkehrungen bedurfte. Die jüdische Erinnerungskultur muss grundsätzlich eine wichtige Rolle in unserem Land spielen. Das gibt zu denken, gerade weil ein Schwerpunktthema der Stiftung die Stärkung der Demokratie ist. Die Mitte muss wieder mehr an Bedeutung gewinnen.
Auch in den USA und Österreich…
Lange: In diesen beiden Ländern blüht der Populismus. Wir müssen verhindern, dass sich die politische Situation in Österreich auch bei uns wiederholt. Die Bedeutung, der Wert der Demokratie muss den Menschen wieder klarer werden. Denn Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit. Das versuchen wir – auch bereits in Schulen - über Projekte und Workshops zielgruppengerecht zu vermitteln und zu begleiten.
Haben Sie vor diesem Hintergrund noch einmal Ihren Stiftungsschwerpunkt nachgeschärft?
Lange: Demokratieförderung geht mit freier Presse und unabhängiger Berichterstattung einher. Beides stärken wir seit Gründung der Stiftung vor gut 50 Jahren in unterschiedlichen Initiativen und Förderungen, wenn auch aktuell sicher noch stärker mit Blick auf die Medien- und Nachrichtenkompetenz. Presseförderung liegt in unseren Wurzeln, in der DNA der Stiftung. Denn diese wiederum liegen im Verlagswesen, bei der Wochenzeit Die Zeit, die unser Stifter Gerd Bucerius mitgegründet und maßgeblich mitgeprägt hat. Sein finanzielles Vermächtnis macht unsere Arbeit möglich – natürlich stehen wir da in besonderer Verpflichtung gerade auch für Medienfreiheit und freie Presse ein.
Das gilt mit der Hamburger Woche der Pressefreiheit, Publix in Berlin oder dem grenzüberschreitenden Media Forward Fund insbesondere für Deutschland. Aber ich denke hier auch an Medienschaffende in Osteuropa, in Georgien oder Russland, die unter schwierigsten Bedingungen und Gefahr für Leib und Leben arbeiten. Auch hier setzen wir uns ein. Ein anderer Schwerpunkt ist die bereits erwähnte Förderung von Nachrichtenkompetenz, digital wie analog. Jeder Mensch muss in Zeiten von Desinformation in der Lage sein, falsche Meldungen von richtigen zu unterscheiden. Das geht nur über entsprechende Lehr- und Schulungsangebote. Medienbildung ist elementare Voraussetzung, um einen validen Faktencheck durchführen zu können.
2022 sagten Sie bereits, die Governance-Ebene sei einfach umzusetzen, weil die Stiftung sich das große Ziel gesetzt hat, die Demokratie zu stärken. Das hat zur Folge, dass Sie nur in demokratischen Ländern investieren dürfen. Wie gehen sie mit den USA unter Trump 2.0 um?
Lange: Es gibt aus meiner Sicht verschiedene US-Märkte. Den Aktienmarkt, den ich nicht ausblenden kann, weil er zum einem zu groß und bedeutend ist und zum anderen, weil es in diesem Bereich Wachstum gibt – was in Europa derzeit nicht der Fall ist. Da wir keine Fremdwährungsanleihen haben, haben wir auch keine US-Anleihen. US-Anleihen denominiert in Euro zu kaufen, haben wir für uns ausgeklammert.
Aus welchen Gründen?
Lange: Unser Anteil in Anleihen beträgt nur noch rund 20 Prozent. Diesen benötigen wir für die Liquidität. Da wir unsere Ausgaben auch in Euro tätigen, haben wir kein Fremdwährungs-Exposure und klammern US-Anleihen aus. Schon mit Blick auf rechtstaatliche Entwicklungen und die Pressefreiheit sind wir zum Beispiel auch nur sehr ausgewählt in osteuropäischen Anleihen investiert. In staatsnahe Unternehmen investieren wir nicht, wenn dort die Pressefreiheit bedroht ist. Ein weiterer US-Markt sind die Private Markets.
Wie sind Sie hier aufgestellt?
Lange: Infrastruktur und Private Equity haben wir sowohl in Europa als auch in den USA. Insgesamt haben wir aktuell acht Prozent Alternatives in unserem Portfolio. Das Ziel liegt bei 15 Prozent aufgeteilt in zweidrittel Private Equity und eindrittel Infrastruktur.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie Spezialmandate in den USA haben und zu wie viel Prozent sind Sie in den USA investiert und wie soll sich Ihre globale Diversifikation entwickeln?
Lange: Wir arbeiten ausschließlich mit europäischen Asset Managern zusammen. Zusätzlich haben wir den Vorteil, dass wir alle unsere liquiden Kapitalanlagen, inklusive Private Equity und Infrastruktur, in einem Masterfonds haben, wir haben also ein einheitliches Berichtswesen. Ich brauche nicht von fünf verschiedenen Asset Managern ESG-Reports. Wir haben 45 bis 50 Prozent Aktien, davon bis zu 20 Prozent außerhalb Europas. 13 Prozent davon sind die USA, fünf Prozent Asien.
Wie gehen Sie mit den US-Mandaten um?
Lange: Unsere Investments in US-Wachstumsaktien setzen wir mit einem passiven Nasdaq Mandat um. Da wir stark auf den CO2-Ausstoß blicken, sind wir derzeit bei Nasdaq 97. Dadurch, dass wir keine ETFs im Portfolio haben, sondern aktiv in passiv umsetzen lassen, haben wir die Möglichkeit einzelne Titel rauszunehmen.
Viele unserer Mandate sind passiv, wir können diese mittlerweile gut steuern. Wir wissen zu welchem Zeitpunkt neue Titel in das Portfolio kommen und welche Auswirkungen das haben wird. Auch können wir etwa bei Verstößen oder anderen Entwicklungen selbst agieren und das Handeln von Unternehmen mit unseren Richtlinien abgleichen.
Die Daten beziehen Sie ausschließlich aus dem Reporting des Masterfonds?
Lange: Genau. Darüber können wir die Asset Manager vergleichbar machen, weil alle auf die gleichen Daten zugreifen. Lieferketten, die Einhaltung von Menschenrechten, Vermeidung von Kinderarbeit, alles wird erfasst.
Und das so belastbar, dass Sie das nicht von einem Dritten überprüfen lassen?
Lange: Wir sind da sehr genau und gewissenhaft, schon im ureigensten Interesse. Unsere Reputation ist bei der Stiftungsarbeit elementar – und die kann schnell leiden. Wir für uns wollen und müssen jederzeit umfassend auskunftsfähig und transparent sein, etwa wenn Studierende der Law School fragen, woher das Geld für Förderungen und Arbeit kommt. Historisch haben wir beim Grundkapital keine dunklen Flecken. Wir haben jederzeit umfassende Antworten darauf, wie wir das Geld investieren und wie wir unsere Investments überwachen.
Welche Rendite müssen Sie generieren, um Stiftungszweck, Verwaltung und weiteres leisten zu können?
Lange: Das ist abhängig vom inflationären Umfeld. Wir benötigen zwei Prozent zur Erfüllung unserer Förderprojekte, 0,4 Prozent für den Verwaltungsaufwand, der Rest ist für den Inflationsschutz. Unterm Strich benötigen wir im Durchschnitt eine Rendite von fünf Prozent.
Sie waren von 1999 bis 2005 bei Berenberg und danach über 15 Jahre bei der Haspa, leiteten davon über elf Jahre das Portfoliomanagement im Private Banking. Durch die Branche schwappt derzeit eine Konsolidierungswelle. Wie bewerten Sie die Vorgänge?
Lange: Der Markt konzentriert sich extrem. Für uns als Investor bringt es weniger Auswahl mit sich. Je weniger Marktteilnehmer teilnehmen, desto mehr Marktmacht haben die verbleibenden. Die Preise können somit steigen. Noch sehen wir das nicht. Eine Konsolidierung im Private Banking in Deutschland ist aber wahrscheinlich zwingend erforderlich.
Warum?
Lange: Die regulatorischen Kosten steigen, ebenso die Kosten für die IT. Um das aufzufangen, ist Wachstum nötig. Organisch ist das schwierig, also muss es durch Übernahmen geschehen. ABN Amro kauft beispielsweise Assets dazu, bucht alles auf eine Plattform und senkt die Kosten.
Warum ist der deutsche Private-Banking-Markt dennoch so umkämpft?
Lange: Eine gute Frage. Es ist interessant zu sehen, wo Niederlassungen von wem eröffnet oder geschlossen wurden und welche neuen Player das Spielfeld betreten, wie beispielsweise die LGT. Die kamen mit einem Lucky Punch nach Hamburg zurück und hatten vom Start weg ein großes Team von Bethmann, durch ein Sonderkündigungsrecht der Mitarbeiter.
Nicht nur bei den Privatbanken, auch bei Asset Managern gilt immer mehr, dass Größe entscheidet, Blackrock und Co. kaufen alternative Manager, Generali und Natixis (BPCE) bündeln ihr Geschäft. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Managerselektion?
Lange: Für uns ist das schwierig. Aber auf der positiven Seite: Durch die Konsolidierung haben wir auch die Möglichkeit, andere Asset Manager kennenzulernen. Fusionierte Asset Manager steigern nicht automatisch ihr verwaltetes Vermögen. Wir investieren maximal zehn Prozent pro Manager. Werden Mandate fusioniert und überschreiten diese Grenze, nehmen wir einen neuen Partner mit ins Boot.
Sie haben mehr Arbeit, profitieren aber davon…
Lange: Andere Asset Manager bekommen die Möglichkeit sich zu zeigen. Nachteil für diese ist, dass wir intensiv auf unsere Kostensituation achten. Fusionieren zwei aktive Manager, nutzen wir zum Teil die Chance, und stellen auf passiv um. Dadurch reduzieren wir Kosten. Unterm Strich kann ich bislang sagen, dass die Konsolidierungswelle bei Asset Managern uns zu passiveren Anlegern macht.
Sie sind jetzt seit gut vier Jahren bei der Zeit Stiftung Bucerius. Juckt es Sie manchmal in den Fingern, wieder zurück in das Wealth Management zu gehen?
Lange: In der Stiftung sehe ich, wie Geld in echte Wirkung geht. Eine Stiftung ist dazu verpflichtet, ihre Erträge auszuschütten oder in Projekte zu investieren. Das ist per Gesetz festgelegt. Außer auf der Sachkostenebene darf ich gar nicht sparen. Ich muss das Geld mittel- und zeitnah verwenden. Das ist ein wunderbares Luxusproblem. Nichtsdestotrotz juckt es manchmal in den Fingern, in irgendeiner Form beratend tätig zu sein.
Warum?
Lange: Wir sehen aktiv die Arbeit von rund zehn Asset Managern, sehen aber auch die Arbeit von weiteren Anbietern. Dieser Überblick ist viel wert und offenbart in meinen Augen ein enormes Optimierungspotenzial. Das fängt zum Teil bereits bei der Ansprache an und zieht sich mitunter durch alle Bereiche. Ich sehe den ganzen Markt, weiß genau, was gerade gesucht und geboten wird. Diese Möglichkeit hat man als Investor, aber sonst eigentlich nur als Tester. Das reizt. Aber im Grunde gibt es nichts Schöneres als für eine Stiftung tätig zu sein.
Angenommen, Sie haben einen Asset Manager im Haus. Geben Sie dann auch mal Tipps zur Optimierung?
Lange: Das kommt durchaus vor. Wie selektieren wir Asset Manager aus? Das geht über viele Gespräche. Alle Manager die wir einladen haben einen guten Track Record, hohe Personalkontinuität, gute Inhaberstruktur und sind nachhaltig aufgestellt. Das alles anzubieten, ist nicht einfach.
Klingt nach einem Dilemma. Was hilft Ihnen dann bei der Auswahl?
Lange: Um wirklich zu erfahren, was ein Asset Manager leistet, sprechen wir mit anderen Investoren. Wealth Manager und Asset Manager sollten Investoren zwei Fragen beantworten können. Erstens: Was ist wirklich ihr Alleinstellungsmerkmal. Zweitens: Wodurch genau unterscheiden sie sich von anderen. ESG und 360-Grad-Beratung reichen als Antwort nicht aus.
Die Manager, die Sie einladen haben alles im Regal, was Sie fordern. Auf welcher Ebene kann ein Alleinstellungsmerkmal stattfinden?
Lange: Der Manager will dem Investor einen Mehrwert verkaufen. Auf diesen wird etwas Feenstaub gepustet, den die anderen vielleicht nicht haben. Viele kochen nur mit Wasser. Das führt dazu, dass wir bei Neumandaten, wie ich bereits erwähnt hatte, genau hinschauen, ob es ein aktives Mandat bleibt. Passiv ist es viel einfacher in der Ausschreibung. Kann der Anbieter das mathematisch darstellen? Traue ich dem das zu? Und wie hoch ist die Kostenbelastung? Punkt.
Sie klingen desillusioniert von aktiven Managern…
Lange: Das sind leider Erfahrungswerte der vergangenen Jahre. Als wir uns auf den Weg machten in Private Equity und Infrastruktur zu investieren, schauten wir uns viele Angebote an. Die meisten waren Dachfonds-Konstruktionen, zumindest in den kleineren Losgrößen. Bei diesen waren die Eingangsfolien identisch. Es hieß immer: die besten Kontakte zu den besten Managern. Der Track Record war durchgehend fantastisch. Wie soll ich da als Investor entscheiden, wenn es darum geht, eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen? Deshalb wollen wir zunächst mit anderen Investoren sprechen. Das können Pensionskassen, Versicherungen oder Stiftungen sein. Die haben einen ähnlichen Blick, aber im besten Fall mehr Erfahrung in Private Equity und Infrastruktur. Ein zweiter Weg ist Boutiquen zu beauftragen, die spezialisiert sind, also nur in einer Assetklasse aktiv sind.
Worin sehen Sie hier die Vorteile?
Lange: Vor zwei Jahren gab es die Opportunität, in Nachranganleihen zu investieren. Wir hätten das mit jedem großen Haus machen können, haben uns aber bewusst für einen kleinen Spezialisten entschieden. Sein gesamtes Geschäftsmodell hängt davon ab, dass er Nachranganleihen beherrscht. Läuft hingegen bei einem großen Manager eine Assetklasse nicht mehr, tauscht er den Manager aus oder schließt den Bereich und geht – um bei den Nachranganleihen zu bleiben – in Wandelanleihen mit Aktien, Anleihen und Immobilien.
Er kauft sich Manager ein und probiert es aus. Bei einer spezialisierten Boutique geht das nicht. Bei Nachranganleihen, bei Infrastruktur und Private Equity setzen wir deshalb auf spezialisierte Boutiquen. Die Kosten sind dabei ein nachgelagertes Thema, Qualität hat Vorrang. Und noch eines möchte ich zum Thema Konsolidierung sagen.
Ich bin gespannt…
Lange: Ein Asset Manager oder auch ein Wealth Manager, der gerade übernommen wird, hat ganz andere Prioritäten, nämlich die Konsolidierung der Bereiche und das Heben von Synergien. Natürlich kann auch die Boutique übernommen werden. Dann hat man immer noch Optionen zu reagieren.
Ist es nicht ein Offenbarungseid großer Häuser, wenn sich die erste Folie einer Präsentation bei allen gleich liest?
Lange: Wenn ich einen aktiven Manager haben will, dann erwarte ich auch einen aktiven Manager. Desto aktiver er ist, desto höher sind seine Risiken. Große Institutionen mögen in der Regel kein großes Risiko. Also wird versucht, sich eng an der Benchmark zu orientieren, kleine Nuancen inbegriffen. Das Hauptziel ist es, keine Underperformance zu generieren. Dadurch, dass unbedingt die Benchmark zumindest erreicht werden muss, ist der Spielraum sehr klein, nach Gebühren einen Mehrwert zu verdienen. Die Folge: Desto größer die Häuser sind, desto weniger ist meist der aktive Ansatz erkennbar.
Eine weitere Privatbank, Warburg, soll bald neue Besitzer haben. Eine Ursache dafür ist der Cum-Ex-Skandal. Ganz allgemein: Gelingt die Aufklärung dazu in ihren Augen?
Lange: Ein sehr interessantes Thema, das natürlich auch bei uns in der Bucerius Law School diskutiert wird. In der Vergangenheit war das vorrangige Ziel, exzellente Juristen auszubilden, die international agieren, etwa in Großkanzleien tätig werden. Mittlerweile ist der Ansatz auch hier ein anderer.
Wie sieht ihr Ansatz heute aus?
Lange: Nachhaltiger und ganzheitlicher. Wir erleben herausragende Absolventinnen und Absolventen, die neben exzellenten juristischen Fähigkeiten auch gesellschaftlich sehr engagiert sind, Gemeinwohl und diese Werte in den Fokus rücken. Das bedeutet im konkreten Fall, auch einen umfassenden Blick auf die Cum-Ex-Skandale zu bieten.
Weg vom Ziel, Karriere und Großkanzlei, hin zu mehr Idealismus und moralischer Verantwortung?
Lange: Das Thema Diversität ist uns wichtig. Die Studiengebühren waren für viele eine Hürde. Um hier allen Bewerberinnen und Bewerbern, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, ein Studium zu ermöglichen, führten wir unterschiedliche Modelle ein. Mittlerweile gibt es zum Beispiel auch einen Umlagegenerationenvertrag. Das bedeutet, dass wir die Gebühren vorstrecken, der Absolvent erst später, wenn er erfolgreich in seinem Beruf angekommen ist, diese zurückzahlt.
Hat ein anderer Absolvent aber nach dem Studium eine andere Lebensplanung, möchte beispielsweise in einer Non-Profit-Organisation arbeiten, wird krank oder entscheidet sich dafür, für seine Familie da zu sein, gibt es keine Verpflichtung, das Gebührengeld zurückzuzahlen. So öffnen wir auch andere Perspektiven. Beispielsweise Bürokratieabbau gelingt nur mit hervorragend ausgebildetem Personal. Wir wollen unseren Absolventen die Freiheit und die Perspektive geben, für sich herauszufinden, an welchen Stellen sie in der Gesellschaft gebraucht werden.
Woher kommt der Wandel?
Lange: Wir sehen doch überall den Bedarf in der Gesellschaft, die Besten an die großen Aufgaben zu bringen. Wir brauchen gut ausgebildetes Personal in den Behörden. Wir wollen über die Bucerius Law School und deren Absolventinnen und Absolventen unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Das gilt auch für die Justiz und Gerichte. Um das Vertrauen in unsere Judikative zu wahren und stärken zu können, benötigt der Rechtstaat ausreichend gutes Personal. Unser anspruchsvolles Auswahlverfahren führt dazu, dass bei uns viele der klügsten Köpfe studieren.
Die Bucerius Law School wurde mit dem Ansinnen gegründet, dass hochqualifizierte junge Menschen nicht im Ausland studieren müssen, um einen hervorragenden Abschluss machen zu können. Jetzt denken wir weiter und sehen die Notwendigkeit, dass diese herausragenden Juristen auch etwas zurück in die Gesellschaft transportieren. Das ist ein Prozess, den wir weiter gehen wollen. Früher lag die Umlage bei 15 bis 20 Prozent. Mittlerweile nehmen über 50 Prozent der Studierenden das Kreditangebot an.
Wie haben Sie das erreicht?
Lange: Wir sprechen Bewerber breiter und diverser an, bewusst nicht nur Kinder aus Akademikerfamilien, sondern aus der Breite der Gesellschaft. Die Erstakademiker-Quote ist seitdem gestiegen und soll weiterhin steigen. Die individuelle Eignung und Leistung standen bei uns immer schon im Vordergrund. Jetzt bewerben sich auch Studierende, die die Leistung bringen, sich wegen der Gebühren aber früher vielleicht nicht beworben hätten.
Ein guter Werdegang, der für die Stiftung nicht günstig ist. Sie haben 119 Plätze bei 600 qualifizierten Bewerbern…
Lange: Und wir freuen uns über den Erfolg und die hohen Bewerberzahlen. Als Institution sehen wir es als Invest in die Gesellschaft. Das Geld ist in unserer Kapitalanlage verbucht, als Schuldscheindarlehen – mit dem Vertrauen, dass ein Großteil der Absolventinnen und Absolventen sich beteiligen wird.
2023 trat die Stiftungsrechtsreform in Kraft. Was ist in ihren Augen gelungen, was weniger?
Lange: Gelungen ist, dass wir seitdem mehr Flexibilität haben – etwa beim Investieren, aber auch auf der Ausschüttungsseite. In der Nullzinsphase war es hilfreich, dass man auch realisierte Gewinne ausschütten konnte. Vor dem Hintergrund des Ewigkeitsgedankens ist es in meinen Augen problematisch, weil natürlich die Gefahr besteht, dass bestimmte Stiftungen auch ausgehöhlt werden und nicht mehr den realen Kapitalerhalt über längere Zeiträume darstellen können. Fraglich auch, ob Stifter das so gewollt hätten.
Sie klingen nicht überzeugt von der Reform…
Lange: Es wurden wichtige Punkte umgesetzt. Beispielsweise war es notwendig, die einzelnen Landesgesetzgebungen auf Bundesebene zusammenzufassen. Da kommen wir wieder zu dem Ursprung, auch zu Fragen der Bürokratie, dem Föderalismus.
Würden Sie einen Ausblick wagen, wo wir in fünf Jahren stehen? Stichwort Inflation und Geopolitik?
Lange: Ich hoffe sehr, dass die neue Regierung es schafft, die Mitte wieder zu stärken, damit wir in vier Jahren nicht ein ähnliches Bild wie in Österreich sehen. Ich hoffe auch, dass die Streitkultur und der respektvolle Umgang miteinander im politischen Deutschland weiterhin als hohes Gut angesehen werden.
Und bei dem Blick auf die USA?
Lange: Wir müssen die vier Jahre mit Trump aushalten, ja, überstehen. Die Gefahr, die ich geopolitische sehe, ist auch die Verschiebung zum Kapital. Bei seiner Vereidigung waren nicht politische Akteure im Fokus, keine Gouverneure. Dort waren vornehmlich Privatpersonen mit viel Geld . Die Demokratie darf nicht zum Spielball von Superreichen werden.
Einige dieser Multimilliardäre haben zudem einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft, da sie soziale Netzwerke steuern, klarer gesagt besitzen. Diese Menschen können viel mehr Meinungs-Einfluss nehmen als Politiker. Das ist eine sehr schwierige Entwicklung. Zudem haben wir ein erhebliches Risiko auf dem Bondmarkt.
Warum?
Lange: Einige Käufer fallen aus, gerade aus dem asiatischen Raum Gleichzeitig steigt die Verschuldung der USA und es gibt eine Flucht in Sachwerte wie Gold und Krypto. Viele wollen ihr Kapital gegen Zugriff sichern. Mit Aktien haben sie einen Sachwertcharakter mit Inflationsschutz. Eine hohe Verschuldung wie in den US, führt zu hohen Inflationsdaten. Kommt es zu einem Vertrauensverlust, führt dieser zu Renditeanstiegen, die eine höhere Belastung mit sich bringen. Meine Hoffnung ist, dass das Renditeniveau in den USA so bleibt, wie es ist. In Europa ist die Rendite, auch was Bundesanleihen betrifft, etwas zu niedrig. Auf der Aktienseite wurde extrem viel vorweggenommen.
Was heißt das für Sie und ihre Asset Allocation?
Lange: Wir denken sehr langfristig. Wenn wir ein strategische Asset Allocation aufbauen, unterstellen wir bei Aktien beispielsweise acht Prozent Rendite pro Jahr. Jetzt müsste man Abstriche machen, vielleicht auf sechs Prozent, da in den letzen Jahren schon viel vorweggenommen wurde. Vorausgesetzt die Inflation läuft nicht aus dem Ruder.
Werden sich Immobilien wieder stabilisieren?
Lange: Es finden noch nicht so viele Transaktionen statt, aber Verkäufer- und Käuferseite werden sich vermehrt wieder finden. Und die Immobilienkrise hatte auch etwas Gutes.
Können Sie das erläutern?
Lange: Immobilien insgesamt wurden ein bisschen abgewertet und teilweise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es gab eine Immobilienblase. Jetzt sehen wir noch immer den knappen Wohnraum, weniger Leerstand und höhere Mieten. Im Wohnbereich gab es temporäre Abwertungen, auf die temporäre Aufwertungen folgen werden. Bei Immobilien bewegen wir uns nun in einem ruhigen Fahrwasser.
Stichwörter Wohnraummangel und Büroleerstand. Beschäftigen Sie sich mit dem Thema Umwidmung, oder gehen Sie davon aus, dass das Home Office zurückgedreht wird?
Lange: Das Homeoffice lässt sich nicht mehr zurückdrehen, nicht in einer digitalen Welt. Wenn ich die besten Mitarbeitenden haben möchte, dann muss ich vertrauen und Flexibilität gewähren. Unsere Mitarbeitenden können zu 40 Prozent mobil arbeiten. Das Modell ist insgesamt etabliert und hat sich auch bei uns bewährt.
Gerade in der Finanzbranche wird das Homeoffice zurückgedreht. Ich denke an die Deutsche Bank oder auch JP Morgan…
Lange: Es hat etwas mit Vertrauen und Organisation zu tun und auch damit, wieviel die Manger verdienen und wie ausgeprägt der Fachkräftemangel ist. Mitarbeitende brauchen und wollen eine andere Form der Flexibilität, viele Arbeiten lassen sich genauso gut remote machen.
Und beschäftigen Sie sich mit dem Thema Umwidmung?
Lange: Wir haben unsere Immobilienquote von 25 Prozent erreicht. Abseits davon gibt es gute Konzepte, Wohnraum zu schaffen, auch wenn Umbau aufwendiger ist als Neubau. In Hamburg gibt es zum Beispiel das Projekt Gröninger Hof, bei dem ein Parkhaus in Wohnraum umgestaltet wird. Die Idee ist sehr gut, die Umsetzung ist schwierig, eigentlich bleibt nur die Bodenplatte übrig.
Widme ich um, habe ich zudem einen großen regulatorischen Aufwand, beispielsweise in Sachen Brandschutz. Zudem würden wohl nur wenige Investoren Büro in Wohnen umwidmen mit Blick auf die Abschreibungen. So wichtig es auf dem angespannten Wohnungsmarkt auch wäre. Nur Stranded Assets kommen für eine Umwidmung infrage.
Den Wohnmarkt entlastet das nicht…
Lange: Der Bau von Wohnraum muss einfach günstiger und schneller werden. Zudem muss es weitere Bebauungsflächen geben. Auch hier muss die Bürokratie, müssen die Verfahren verschlankt werden.
Wir sprachen bereits über den Standort Deutschland, der in den Medien derzeit sehr schlecht wegkommt. Das dritte Jahr Rezession in Folge, Stichwort Deindustrialisierung. Im vergangenen Sommer sagten Sie, dass Sie aktuell keine Wirtschaftskrise sehen. Hat das weiterhin Bestand?
Lange: Wir haben in Deutschland ein wirtschaftliches Problem. Eine Erhöhung der beispielsweise Militärausgaben geht nur über Wachstum oder eine Lockerung der Schuldenbremse. In den vergangenen zwei bis drei Jahren lag das Weltwirtschaftswachstum bei über drei Prozent. Für 2025 liegt die Prognose bei 3,3 Prozent. In Deutschland haben wir aktuell 0 Prozent. Jetzt ist die Frage: Haben wir eine wirtschaftliche Krise? Wir haben Handlungsbedarf, definitiv. Aber global gesehen müssen wir eher aufpassen, dass wir keine Überhitzung bekommen. Deshalb tut die Fed sich mit Zinssenkungen schwer. Das Wachstum ist gut, gehen die Zinsen zu sehr runter, steigt die Inflation. In der EU müssen die Zinsen runter, um die Wirtschaft anzukurbeln. Man könnte es wie folgt ausdrücken…
Ich bin ganz Ohr …
Beschreiben Sie mit einem Wort die Wirtschaftslage: „gut“ Und mit zwei Worten: „nicht gut“. Treffender ist die Situation zwischen der globalen und er deutschen Wirtschaft nicht zusammenzufassen.
Bei unserem letzten Gespräch 2022 meinten Sie mit Blick auf die Zinsen, man hätte mit der EZB einen Spielpartner verloren. Seitdem ist viel geschehen, wie schätzen Sie die Lage heute ein?
Lange: In Europa und in Deutschland haben wir die Inflation weitestgehend im Griff, weil wir die Energiekosten im Griff haben, auch Dank alternativer Energiequellen. Zudem gibt es kaum Wachstum. Anders wird dies durch den Blick in die USA. Dort haben wir eine andere Inflationserwartung, ein anderes Zinsniveau der US-Treasuries. Die Rendite ist höher, weil es Wachstum gibt – auch durch Schulden finanziert. Momentan scheint es so zu sein, dass die Notenbanken sich auf dem richtigen Weg befinden.
Über den Interviewten
Achim Lange trägt seit Februar 2021 die Verantwortung für Kapitalanlage der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Vorher war Lange knapp 15 Jahre in verschiedenen verantwortungsvollen Positionen, zuletzt als Leiter Portfoliomanagment Private Banking bei der Hamburger Sparkasse (Haspa). Vor dieser Zeit war er knapp sechs Jahre bei Berenberg und kümmerte sich um das Asset Management von institutionellen Kunden.