Interview mit Achim Lange von der Zeit Stiftung Bucerius „Konsolidierungen machen uns zu passiveren Investoren“

Achim Lange von der Zeit Stiftung Bucerius.

Achim Lange von der Zeit Stiftung Bucerius: „Bei Nachranganleihen, Infrastruktur und Private Equity setzen wir auf spezialisierte Boutiquen. Die Kosten sind dabei ein nachgelagertes Thema, Qualität hat Vorrang.“ Foto: Zeit Stiftung Bucerius

Herr Lange, 2021 wurde damit begonnen, das Portfolio der Zeit Stiftung Bucerius neu auszurichten und stärker in Aktien und illiquide Anlagen zu investieren.  Bei unserem letzten Gespräch 2022 sprachen Sie von einer Aktienquote von maximal 50 Prozent. Die Immobilienquote wollten Sie sukzessive von 16 auf bis zu 25 Prozent hochfahren …

Lange: Die Aktienquote bewegt sich bei uns insgesamt weiterhin zwischen 45 und 50 Prozent. Dadurch, dass wir fortlaufend steigende Kurse am Aktienmarkt hatten, konnten wir die Quote antizyklisch reduzieren und von Gewinnen profitieren. Die Immobilienquote liegt mittlerweile bei gut 20 Prozent, nachdem wir erheblich investiert haben – primär über Spezialfonds. Zusätzlich planen wir einen Erweiterungsbau an der Bucerius Law School, unserer Stiftungshochschule, die aufgrund des großen Zulaufs von Studierenden mehr Platzbedarf hat. Auch bei der Finanzierung des Baus kommt uns der Aktienmarkt entgegen.

Sie meinen die Gewinne…

Lange: Durch die Kurssteigerungen an den Aktienmärkten in den letzten Jahren mussten wir unsere Aktienquote ständig reduzieren, um unter 50 Prozent zu bleiben. Wir konnten beziehungsweise mussten antizyklisch agieren. Diese realisierten Gewinne können wir heute für die Finanzierung des Erweiterungsbaus an der Bucerius Law School einsetzen

Auf welche Nutzungsarten setzen Sie bei Immobilien?

Lange: Neben den klassischen Nutzungsarten wie bezahlbarer Wohnraum, Büro und Logistik befinden sich bei uns im Bestand auch Spezial- Immobilien wie die genannte Hochschule, ein Studentenwohnheim oder ein Azubiwohnheim. Neben Nutzungsarten sind uns auch regionale Schwerpunkte wichtig bei der Immobilienselektion. So befinden sich Immobilienfonds in unserem Bestand mit dem Schwerpunkt Hamburg, Berlin oder Süddeutschland. Eine besonders stabile Wertentwicklung sehen wir bei unseren Logistikimmobilien durch die indexierten Mieten, hier zeigt sich eine stabile Wertentwicklung trotz des Zinsanstiegs.

Wie bilden Sie das Thema ESG in Ihrem Portfolio ab?

Lange: ESG ist uns als gemeinnützige Stiftung ein wichtiges Anliegen, das wir entsprechend auch in unserem Portfolio abbilden und umsetzen. Wir haben andere regulatorische Anforderungen als beispielsweise Versicherungen oder Banken, nehmen unsere Verantwortung bei nachhaltiger Vermögensanlage aber trotzdem ernst. Wir sind zudem langfristige Investoren. Für unsere Kapitalanlagen gibt es dezidierte Nachhaltigkeitsreports. Auch ist uns wichtig, unseren Gesamt-CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Wie gehen Sie das an?

Lange: Wir schauen uns die einzelnen Portfolios an und ermitteln, welcher Titel für den höchsten Ausstoß verantwortlich ist und wie hoch dessen Gewichtung im Portfolio ist. Wir wägen oft ab: ob wir den Titel aus dem Portfolio eliminieren und einen höheren Tracking Error in Kauf nehmen. Aus einem passiven Dax-40-Mandat machten wir beispielsweise ein passives Dax-38-Mandat, Nasdaq 100 wird zu Nasdaq 97. Durch das Entfernen der Hauptverursacher aus dem Portfolio erfolgt als Ergebnis eine erhebliche CO2-Reduktion im Portfolio – wenn aber natürlich außerhalb der Aktien-Betrachtung allein dadurch in der Realität kein einzige Gramm CO2 kompensiert werden kann.

Dazu ist mehr nötig…

Lange: Genau, da braucht es echtes Handeln, nachhaltige Umwelt- und Klimaschutzprojekte. Auch hier sind wir aktiv wollen mehr machen. Deshalb (wieder)vernässen wir beispielsweise gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Joachim Herz Stiftung ein Moor in Peenemünde auf der Insel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Moorflächen sind in Deutschland zu über 90 Prozent trockengelegt, emittieren in diesem Zustand jährlich rund 50 Millionen Tonnen Treibhausgase. Werden die Flächen wiedervernässt, können diese Emissionen deutlich reduziert werden. Denn intakte Moore sind große Kohlenstoffsenken. Mit dem Projekt sorgen wir also aktiv für eine echte CO2-Reduktion. Richtigen Impact können wir nur über solche Projekte generieren. Und den wollen wir als Stiftung haben.

Auch in Ihren Immobilien?

Lange: Ja. In der Bucerius Law School als einem unserer Hauptprojekte gestaltet der Denkmalschutz diesen Anspruch bei dem Altbaubestand besonders fordernd, zumal Altbau generell komplizierter in der energetischen Instandsetzung ist. Aber wir wollen auch bei und mit unseren Immobilien im Sozialen einen echten Unterschied machen. So haben wir beispielsweise ein Auszubildenden- und ein Studierendenwohnheim sowie eine Kindertagesstätte in unserem Bestand. Diese betreiben wir als Impact Investing und nicht aus Renditegesichtspunkten. 

Reisen Sie mittlerweile selbst zu Projekten? Bei unserem vergangenen Gespräch war dies wegen Corona ja noch schwierig.

Lange: Ja, vor Ort dabei zu sein, gehört wieder mehr mit dazu. Gemeinsam mit der DBU und meinem Kollegen der Joachim-Herz-Stiftung inspizierten wir zum Beispiel in der Vorbereitung die trockengelegte Moor-, heutigen Grasfläche auf Usedom, von denen ich sprach. Alles dort, die Tier- und Pflanzenwelt, werden sich dadurch komplett verändern. 

Sie sehen sehr zufrieden aus…

Lange: Das macht auch froh. Ich genieße insgesamt die besonderen Einblicke in unsere vielfältigen Förderthemen – etwa auch in die Kunst- und Kulturförderung, in der ich vorher nicht so zuhause war. Viele Initiativen und Termine sind sehr berührend, machen nachdenklich. So etwa die Wiedereröffnung einer Synagoge in Lübeck, die aufgrund aktueller Debatten und Ereignisse noch einmal erhöhter Schutzvorkehrungen bedurfte. Die jüdische Erinnerungskultur muss grundsätzlich eine wichtige Rolle in unserem Land spielen. Das gibt zu denken, gerade weil ein Schwerpunktthema der Stiftung die Stärkung der Demokratie ist. Die Mitte muss wieder mehr an Bedeutung gewinnen.

Auch in den USA und Österreich…

Lange: In diesen beiden Ländern blüht der Populismus. Wir müssen verhindern, dass sich die politische Situation in Österreich auch bei uns wiederholt.  Die Bedeutung, der Wert der Demokratie muss den Menschen wieder klarer werden. Denn Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit. Das versuchen wir – auch bereits in Schulen - über Projekte und Workshops zielgruppengerecht zu vermitteln und zu begleiten.

Haben Sie vor diesem Hintergrund noch einmal Ihren Stiftungsschwerpunkt nachgeschärft?

Lange: Demokratieförderung geht mit freier Presse und unabhängiger Berichterstattung einher. Beides stärken wir seit Gründung der Stiftung vor gut 50 Jahren in unterschiedlichen Initiativen und Förderungen, wenn auch aktuell sicher noch stärker mit Blick auf die Medien- und Nachrichtenkompetenz. Presseförderung liegt in unseren Wurzeln, in der DNA der Stiftung. Denn diese wiederum liegen im Verlagswesen, bei der Wochenzeit Die Zeit, die unser Stifter Gerd Bucerius mitgegründet und maßgeblich mitgeprägt hat. Sein finanzielles Vermächtnis macht unsere Arbeit möglich – natürlich stehen wir da in besonderer Verpflichtung gerade auch für Medienfreiheit und freie Presse ein.

 

Das gilt mit der Hamburger Woche der Pressefreiheit, Publix in Berlin oder dem grenzüberschreitenden Media Forward Fund insbesondere für Deutschland. Aber ich denke hier auch an Medienschaffende in Osteuropa, in Georgien oder Russland, die unter schwierigsten Bedingungen und Gefahr für Leib und Leben arbeiten. Auch hier setzen wir uns ein. Ein anderer Schwerpunkt ist die bereits erwähnte Förderung von Nachrichtenkompetenz, digital wie analog. Jeder Mensch muss in Zeiten von Desinformation in der Lage sein, falsche Meldungen von richtigen zu unterscheiden. Das geht nur über entsprechende Lehr- und Schulungsangebote. Medienbildung ist elementare Voraussetzung, um einen validen Faktencheck durchführen zu können.