Klaus Naeve von Berenberg „Auch mittelgroße Privatbanken können international expandieren“

Klaus Naeve von Berenberg: „Vermögensverwalter mussten Kunden nach Nachhaltigkeitskriterien wie Artikel 6, 8 oder 9 fragen, bevor überhaupt ein breites Produktangebot bestand“

Klaus Naeve von Berenberg: „Vermögensverwalter mussten Kunden nach Nachhaltigkeitskriterien wie Artikel 6, 8 oder 9 fragen, bevor überhaupt ein breites Produktangebot bestand“ Foto: Thorben Lippert

private banking magazin: Bei unserem Gespräch zum Amtsantritt 2020 wollten Sie die Belegschaft vergrößern und verjüngen. Was haben Sie erreicht?

Klaus Naeve: Wir konnten den Altersschnitt in der gesamten Bank auf unter 40 Jahre senken. Wir haben junge Talente von außen geholt und unser erfolgreiches Graduate-Programm aus dem Investment Banking in London auf das deutsche Wealth & Asset Management sowie das Firmenkundengeschäft erweitert. Das ist ein voller Erfolg, denn fast alle jungen Mitarbeiter sind nach Abschluss des Programms bei uns geblieben. Die Anzahl der Mitarbeiter im Wealth & Asset Management haben wir um rund zehn Prozent gesteigert – und wir wollen weiterwachsen.

Bei den Nettomittelzuflüssen peilten Sie 2021 drei Milliarden Euro pro Jahr an. Wie sieht die Bilanz aus?

Naeve: Im Durchschnitt liegen wir knapp unter dieser Marke. Dabei muss man aber auch die schwierigen Marktbedingungen berücksichtigen: Corona, Zinsschock, Inflationsschock und Krieg in Europa. In solchen Phasen arbeiten wir eher an strukturellen Verbesserungen – und setzen uns neue Ziele.

Die da wären?

Naeve: Es ergibt dann mehr Sinn, in relativen, statt in absoluten Zahlen zu denken. Auf dieser Basis wollen wir die Nettozuflüsse im Wealth & Asset Management über die kommenden fünf Jahre hinweg jährlich um zehn Prozent steigern. Damit würden wir am Ende wieder bei unserem ursprünglichen Plan von drei Milliarden Euro Nettomittelzuflüssen pro Jahr landen.

 

Sie wollten 2021 auch die Produktwelt verändern...

Naeve: Vor 2017 hatten wir im Asset Management einen quantitativen sowie einen Overlay-Schwerpunkt. Inzwischen sind wir breit aufgestellt mit Aktien, Multi Asset, Fixed Income und Liquid Alternatives. Hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind bloß ESG-Produkte, bei denen sich klassische Privatkunden zurückhalten. Kunden im Wealth Management und im Wholesale-Segment stimmen ESG als grundsätzlichem Element in der Kapitalanlage nicht so stark zu wie damals prognostiziert. Auf der institutionellen Seite kommen wir dagegen ohne ESG in keine Ausschreibung.

Haben Sie eine Erklärung für die Zurückhaltung im Wealth Management?

Naeve: Vermögensverwalter mussten Kunden nach Nachhaltigkeitskriterien wie Artikel 6, 8 oder 9 fragen, bevor überhaupt ein breites Produktangebot bestand. Kunden wählten deshalb lieber die breite Produktwelt, statt Kompromisse einzugehen. Rückblickend hätte man es regulatorisch anders angehen müssen: Erst die Produktanbieter zu bestimmten ESG-Standards verpflichten und dann die Kunden fragen, wie viel sie davon umsetzen möchten. Die ESG-Quote in den Portfolios wäre heute deutlich höher.

Wie sieht Ihre Vorstellung von einer modernen Vertriebsstruktur aus?

Naeve: Wir betreuen heute deutlich mehr Zielgruppen. Unser Geschäft mit Single Family Offices haben wir ausgeweitet, aus dem reinen Fondsvertrieb ist ein deutschlandweites Wholesale-Geschäft geworden: Viele unserer Fonds haben Vertriebsreife erreicht, wir sprechen mit Dachfonds und IFAs. Der institutionelle Vertrieb ist nicht mehr nur auf stark regulierte Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen ausgerichtet, sondern auch auf weniger regulierte, zum Beispiel Unternehmen. Das sind große Investoren, zu denen wir durch das Firmenkundengeschäft und das Investment Banking bereits gute Kontakte haben. Wir haben sie nur nie gefragt, ob wir auch ihr Geld anlegen dürfen.

„Um die Kostenbasis nicht zu strapazieren, arbeiten wir mit Drittvertriebspartnern“ 

Sich breiteren Zielgruppen zu öffnen, liegt nahe. Welche Potenziale kann eine Privatbank wie Berenberg noch heben?

Naeve: Auch mittelgroße Privatbanken können international expandieren. Eine Internationalisierung funktioniert am einfachsten für liquide, später aber auch für illiquide Produkte. In Großbritannien haben wir etwa ein Produkt für die dortigen DC-Pensionskassen entwickelt. In der Schweiz betreiben wir Wholesale- und institutionellen Vertrieb. Künftig wollen wir dort auch Single Family Offices ansprechen. Zudem blicken wir nach Österreich und Frankreich. Nicht überall braucht es Personal: Um die Kostenbasis nicht zu strapazieren, arbeiten wir mit Drittvertriebspartnern in Süd- und Nordeuropa, Israel sowie Süd- und Mittelamerika zusammen – ein Modell, das Matthias Born schon bei Allianz Global Investors eingesetzt hat.