Joseph Mehlman von Morgan Stanley „Trump misst seinen Erfolg an der Entwicklung der Aktienmärkte“

Joseph Mehlman von Morgan Stanley Investment Management

Joseph Mehlman von Morgan Stanley Investment Management: „Als Anleiheninvestoren sorgen wir uns ohnehin ständig um die Zukunft, das liegt in unserer DNA.“ Foto: Morgan Stanley

Trump, Zölle, steigende Inflation – droht dem Investment-Grade-Markt ein perfekter Sturm, Herr Mehlman?

Joseph Mehlman: Das sehen wir deutlich differenzierter. Unsere Investment-Strategie für US-Investment-Grade-Anleihen basiert darauf, dass wir von einer sanften Landung der US-Wirtschaft überzeugt sind. Auch wenn zwischenzeitlich schwache Arbeitsmarktdaten und das Timing der Fed die Spreads weiteten: Die Wirtschaftsdaten sind überraschend robust, das Wachstum stark und die Inflation bewegt sich in die richtige Richtung. Auch die Unternehmen sind gut aufgestellt.

Das klingt sehr optimistisch. Aber gerade die Unternehmen könnten doch unter Trumps angekündigter Zollpolitik massiv leiden?

Mehlman: Natürlich müssen wir die politischen Risiken ernst nehmen. Es gibt vier Hauptübertragungskanäle einer neuen Trump-Regierung, die Investment-Grade-Kredite beeinflussen können: Zölle, Einwanderung, Steuern und Deregulierung. Aber schauen Sie sich die Unternehmensbilanzen an: Nach Covid haben die Firmen sehr konservativ agiert, ihre Liquidität erhöht und auf aggressive M&A-Aktivitäten verzichtet. Sie sind also aus einer Position der Stärke aus in diese Phase gegangen.

 

Trotzdem spricht Trump von Zöllen von 60 Prozent auf chinesische Waren und 10 Prozent auf Importe aus anderen Ländern. Das würde doch viele Ihrer Portfolio-Unternehmen direkt treffen?

Mehlman: Man muss zwischen Wahlkampfrhetorik und umsetzbarer Politik unterscheiden. Ein realistischeres Szenario wären gezieltere Zölle. Möglicherweise belegt Trump bestimmte Warengruppen aus China mit 60 Prozent. Aber nicht alle Konsumgüter, da dies direkt die US-Verbraucher treffen würde. Vergessen Sie nicht: Trump misst seinen Erfolg stark an der Entwicklung der Aktienmärkte. Sehr aggressive Zölle würden diese belasten.

Sie klingen sehr zuversichtlich, dass sich nicht allzu viel ändert. Also haben Sie Ihr Portfolio bisher kaum umgeschichtet?

Mehlman: Unser Portfolio war für dieses Wahlergebnis bereits gut positioniert. Wir gewichten den Finanzsektor über – nicht wegen einer erwarteten Deregulierung, sondern wegen starker Performance, guter Gewinne und attraktiver Spreads über dem Indexniveau. Diese Position werden wir beibehalten. Auch regulierte Versorgungsunternehmen bleiben für uns interessant, sofern sie nicht zu stark von Änderungen der IRA-Subventionen betroffen sind.

„Deregulierung wird problematisch, wenn gelockerte Vorschriften zu riskanterem Verhalten führen“ 

Aber gerade der Finanzsektor könnte doch von einer aggressiven Deregulierung profitieren. Ist das nicht positiv für Ihre Anleihen?

Mehlman: Das ist ein Trugschluss. Eine Deregulierung erscheint oberflächlich betrachtet positiv. Sie wird aber problematisch, wenn gelockerte Vorschriften zu riskanterem Verhalten führen. Nehmen Sie die Banken: Eine Lockerung der Kapitalanforderungen hilft dem Aktienkurs. Aber aber als Anleihegläubiger mit begrenztem Aufwärtspotenzial – wir erhalten bestenfalls den Nennwert zurück – müssen wir sehr vorsichtig sein.

Wo sehen Sie denn die größten Risiken?

Mehlman: Das größte Risiko ist ein Stagflationsszenario. Wenn das US-Wachstum nachlässt und gleichzeitig der Inflationsdruck durch Zölle und eine restriktivere Einwanderungspolitik steigt, müsste die Fed ihren Kurs deutlich anpassen. Bei den aktuellen Spreads von etwa 80 Basispunkten gibt es dafür kaum Puffer. Das ist ganz anders, als wenn die Spreads über dem langfristigen Durchschnitt bei 150 Basispunkten lägen.

 

Apropos Fed. Trump hat sie zuletzt massiv unter Druck gesetzt. Erwarten Sie das, dass Trump die Notenbank bedrängen kann?

Mehlman: Die Fed unter Powell ist äußerst unabhängig und wird das verteidigen. Zwar kann Trump durch Nominierungen für den Fed-Vorstand und das FOMC Einfluss nehmen, aber das ist ein evolutionärer Prozess. Außerdem braucht er die Zustimmung des Senats. Ich beneide die Fed aber wirklich nicht. Ihre Aufgabe wird in Zukunft noch schwieriger, auch weil sie nicht auf Umfragen oder Ankündigungen reagieren kann. Kurzfristig erwarten wir also, dass die Fed ihren datenbasierten Ansatz fortsetzt. Heißt: Die Fed reagiert auch nur, wenn sie Tendenzen für höhere Inflationsraten in den Daten erkennt.