Hussam Masri von der Dekabank „Die persönliche Beratung bleibt das Erfolgskriterium“

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Deutschland hat hier keinen leichten Stand.

Masri: Die deutsche Volkswirtschaft ist mit angezogener Handbremse in das neue Jahr gestartet: heftige Rückgänge der Umsätze im Einzelhandel, der Warenausfuhr, der Bauproduktion und der industriellen Erzeugung prägten das Bild.

Vor allem kleinere und mittelständische Betriebe sind stark betroffen. Sie benötigen besondere Unterstützung. In diesem Zusammenhang dürfte die ganzheitliche Betrachtungsweise, also die Einbeziehung des Gesamtvermögens in alle finanziellen Fragen und Strategien künftig immer mehr zu einem Erfolgstreiber im Private Banking und Wealth Management werden. Zur strategischen Vermögensplanung und -beratung sollten zahlreiche weitere Dienstleistungen hinzukommen.

Welche sind das?

Masri: Zu diesen Dienstleistungen zählen die Immobilien- und Finanzierungsberatung, Themen wie Stiftungsgründung oder Unternehmensnachfolge, die Verfügbarkeit eines breiten Netzwerkes zu anderen Experten wie Steuerberatern oder die Begleitung der Kunden durch turbulente Marktphasen.

Ganz klar, die Schwierigkeiten sind massiv. Aber es sollte doch auch Opportunitäten im aktuellen Marktumfeld geben, oder?

Masri: Die Kehrtwende in der Geldpolitik und die mit ihr verbundene Zinswende werden die Rahmenbedingungen für die Kapitalmärkte auf Jahre hinaus neu definieren. Unser Blick auf 2023 ist insgesamt vorsichtig optimistisch. Vieles deutet darauf hin, dass die Rezession sowohl in den USA als auch im Euroraum milder ausfällt als erwartet, die Arbeitslosigkeit nicht drastisch ansteigt und die Kapitalmärkte die starken Kursbewegungen ohne systemische Probleme bewältigen. Dabei dürfte die Wirtschaftsleistung in den Industrieländern 2023 nur geringfügig an Dynamik verlieren, und die Weltwirtschaft wird wohl nur um knapp 2 Prozent wachsen.

Die Startbedingungen in diesem Jahr unterscheiden sich erheblich von denen des letzten Jahres. Dennoch bleibt das Umfeld für die Unternehmen herausfordernd. Dementsprechend gilt es, auf zwischenzeitliche Stimmungskorrekturen vorbereitet zu sein.

Was heißt das konkret für die einzelnen Anlageklassen? Etwa für Anleihen?

Masri: Das Positive am zurückliegenden Zinssprung ist, dass das neue Zinsumfeld zu einem deutlich verbesserten Ertragsausblick an den Rentenmärkten für die kommenden Jahre führt. Die Ertragsaussichten hängen nun ganz entscheidend von der Höhe der Zinskupons ab. Kursschwankungen können durch die höheren Zinskupons wesentlich besser abgefedert werden, sodass sich trotz anhaltend hoher geldpolitischer Unsicherheit die Volatilität an den Zinsmärkten zurückbilden dürfte. Man kann also auskömmlichere Renditen erzielen; nicht nur in risikoreicheren Segmenten wie Hochzins- und Schwellenländeranleihen, sondern auch mit Staatsanleihen von guter und mittlerer Bonität.

 

Wie sieht es auf der Aktienseite aus?

Masri: Wir haben einen sehr guten Start der Aktienmärkte ins Jahr 2023 erlebt. Mögliche Kurskorrekturen sehen wir eher als gute Einstiegschancen. Insbesondere, sobald sich die Unternehmensgewinne stabilisiert haben, womit wir im ersten Quartal 2023 rechnen, kann der Aktienmarkt weiter eine nachhaltigere Erholungsbewegung fortsetzen. Die Unternehmen werden ihre hohe Anpassungsfähigkeit nutzen, um auf die sich verändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. Zudem sind höhere Inflationsraten ein Treiber für die Unternehmensgewinne und damit auch für die Aktienkurse. Allerdings sprechen die veränderten geopolitischen und geldpolitischen Rahmenbedingungen für erhöhte Schwankungen und eine moderatere Aufwärtsbewegung der Kurse. Es gilt, das Winterhalbjahr antizyklisch und regelmäßig zu nutzen, um an den verbesserten Perspektiven für 2023 und 2024 bestmöglich zu partizipieren.

Jetzt ist also die beste Zeit, um nach und nach wieder in den Markt einsteigen?

Masri: Mittelfristig profitieren Aktien vom globalen Wachstum und dem Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Natürlich ist angesichts der gestiegenen Zinsen Liquidität wieder attraktiver geworden. Man darf jedoch nicht vernachlässigen, dass die Inflationsraten auch mittelfristig über den Geldmarktzinsen verharren werden, sodass Liquidität weiterhin nur zum Zwecke eines notwendigen finanziellen Puffers zu empfehlen ist.

Wie stehen Sie zu Gold?

Masri: Gold wird aufgrund der unverändert hohen Gefahrenlage auf geopolitischer Ebene wie auch den vielen Unwägbarkeiten beim Verlauf der künftigen Notenbankpolitik unverändert als attraktiver Baustein zur Diversifikation angesehen.

Wo sehen Sie mögliche Risiken für die Märkte?

Masri: Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist in der Wahrnehmung der Kapitalmärkte etwas in den Hintergrund getreten. Doch es besteht das Risiko, dass Russland neue Eskalationsstrategien wählt, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen. Auch China gilt es im Blick zu halten. Pekings Verhältnis zum Westen ist nachhaltig beschädigt. Eine Zuspitzung der Auseinandersetzung um die Taiwan-Frage ist nicht Teil unseres Hauptszenarios, muss aber als Risikofaktor in Betracht gezogen werden.