Heiko Geiger von Vontobel „Die Eruptionen im Markt schüren das Bedürfnis nach Absicherungsstrategien“

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Mit den steigenden Zinsen hat auch die Unsicherheit an den Börsen zugenommen und damit auch die Anfälligkeit für größere Ausschläge. Welchen Einfluss hat eine höhere Volatilität auf Zertifikate?

Geiger: Die Volatilität kann anhand der tatsächlichen historischen Kursänderungen in einem bestimmten Finanzinstrument oder Markt gemessen werden – historische Volatilität – oder sie kann sich auf die erwartete zukünftige Volatilität beziehen – implizite Volatilität. Die implizite Volatilität ist damit zum Beispiel einer der Haupteinflussfaktoren auf den Preis einer Option über die Restlaufzeit. Ihr Einfluss auf den Preis der Option ist sowohl bei Call- / Kauf- Optionen als auch bei Put- / Verkaufs- Optionen gleich: Grundsätzlich gilt, dass eine steigende Volatilität die Preise von Optionsscheinen tendenziell verteuert, während ein Volatilitätsrückgang negativ auf den Preis eines Optionsscheins wirkt. Analog verhält es sich bei Anlageprodukten, die Optionen als Bausteine enthalten wie beispielsweise Discount-, Bonus- und Express-Zertifikate.


Wie können Vermögensverwalter, aber auch Privatanleger vielleicht von größeren Schwankungen profitieren?

Geiger: Besonders populär sind zurzeit Faktor-Zertifikate mit einem Hebel von eins oder minus eins bei inverser, das heißt, umgekehrter Partizipation, die ein lineares Investment in Volatilitätsindizes wie den VIX- oder VSTOXX-Index darstellen, beziehungsweise Faktor-Zertifikate mit einem moderaten Hebel von zwei oder drei. Da die genannten Produkte für die Partizipation bei steigender oder fallender Volatilität – je nach Richtung des Produkts – long oder short – ausgelegt sind, eignen sie sich nicht für Phasen gleichbleibend hoher oder niedriger Volatilität. Für abwechselnd steigende oder fallende Volatilität sind sie ebenfalls nicht geeignet. Allerdings bieten sie sich als kurzfristige, taktische Portfolio-Ergänzung bei starken Volatilitätsbewegungen an.

Welche Strategien könnten sich daraus ableiten?

Geiger: Als Klassiker unter den Optionsstrategien gilt der Long-Straddle, der auch mit Optionsscheinen einfach abgebildet werden kann. Der Straddle setzt sich aus einem Call-Optionsschein und einem Put-Optionsschein mit gleichem Basispreis und gleicher Laufzeit zusammen. Diese Strategie wird eingesetzt, um auf starke Bewegungen oder einem Anstieg der impliziten Volatilität zu setzen. Eine indirekte Möglichkeit, auf eine steigende Volatilität zu setzen, ist der Kauf eines Discount-Zertifikats. Durch die gestiegene Volatilität verbessern sich die Konditionen von Discountern, was zu einem größeren Rabatt auf den Basiswert führt. In der aktuellen Situation könnten somit Discount-Zertifikate als eine Art Aktienersatzprodukt eingesetzt werden, um somit ein attraktiveres Chance-Risiko-Profil für ein Portfolio zu gewinnen. Einen ähnlichen Effekt erhält man mit dem Einsatz von Aktienanleihen.

Wie könnte nun ein Vermögensverwalter einmal eines Aktienportfolios und eines gemischten Portfolios aus Aktien und Anleihen mit Zertifikaten auf steigende Zinsen reagieren, etwa zur Absicherung oder zur Renditesteigerung?

Geiger: Gerade bei Kapitalschutzzertifikaten sieht man das erhöhte Zinsniveau deutlich. Eine ganze Weile konnten in diesem Produktsegment aufgrund der tiefen Zinsen Kapitalschutzniveaus von beispielsweise nur 90 Prozent gezeigt werden. Derzeit sieht man bereits wieder vermehrt Produkte mit 100 Prozent Kapitalschutz im Angebot. Wie bereits erwähnt sinken durch das erhöhte Zinsniveau bei Short-Produkten die Finanzierungskosten. Dies macht Absicherungsstrategien reizvoll, da Short-Zertifikate und Puts günstiger erworben werden können. 

Gibt es Zertifikate beziehungsweise Hebelprodukte, mit denen Anleger direkt auf steigende Zinsen spekulieren können? Wenn ja, wie funktionieren diese Produkte?

Geiger: Anleger, die auf steigende Zinsen setzen möchten, können am Finanzmarkt zum Beispiel auf fallende Anleihekurse setzen. Am einfachsten bieten sich hierfür Hebelprodukte wie beispielsweise Optionsscheine, Turbos oder Mini Futures auf den Euro-Bund Future an. Einen einfachen Put oder Short, der von einem sinkenden Bund-Future profitiert, kaufen Anleger, wenn sie von steigenden Zinsen ausgehen. Einen Call oder Long auf den Euro-Bund Future hingegen, wenn sie künftig fallende Zinsen erwarten.

Über den Interviewten:
Heiko Geiger ist Leiter für die Distribution von Flow Products und maßgeblich für die Entwicklung der europäischen Zertifikate-Plattform von Vontobel verantwortlich. Er begann seine Karriere bei der Deutschen Börse ehe er zu Vontobel wechselte.

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