Hanno Roth von Rothschild & Co „Family Offices werden modularer“

Hanno Roth von Rothschild & Co: Er ist Managing Director und Mitglied der Geschäftsleitung.

Hanno Roth von Rothschild & Co: Er ist Managing Director und Mitglied der Geschäftsleitung. Foto: Rothschild & Co

private banking magazin: Herr Roth, Sie arbeiten schon 20 Jahre für Rothschild & Co in Deutschland. Was hat sich seitdem verändert? 

Hanno Roth: Auch wenn Sie es nicht glauben: Wir haben damals wie ein Start-Up losgelegt und erstmal die Leitlinien festgelegt. Und die funktionieren tatsächlich noch immer. 

Welche sind das?

Roth: Einer der wichtigsten Eckpfeiler unseres Geschäfts war von Anfang an der persönliche Kontakt zu unseren Kunden. Natürlich hat die Digitalisierung auch hier Veränderungen gebracht, gleichzeitig merken wir aber, dass der unmittelbare persönliche Austausch in den letzten Jahren sogar weiter an Bedeutung gewonnen hat. Was ebenfalls unverändert Bestand hat, ist unser Vermögensverwaltungsansatz, bei dem wir mit den Kunden die Eckwerte ihrer Anlagestrategie definieren und sie uns anschließend die Umsetzung anvertrauen. Ein wichtiges Element dabei ist unser Portfoliomanagement vor Ort in Frankfurt, welches eng mit den Kollegen in London, Paris und Zürich zusammenarbeitet.

 

Sie arbeiten dabei mit Family Offices zusammen, bieten aber selbst direkt keine Family Office-Dienstleistungen an. Wieso stand das nie zur Debatte?

Roth: Wir fungieren als Sparringspartner, das heißt, die Multi Family Offices betrachten uns als spannenden Partner. Unser Ansatz ist es, uns auf ein liquides Asset Management fokussieren. Dabei haben wir einen auf Fundamentalanalyse orientierten und konzentrierten Investmentansatz. Quasi ein Gegenentwurf zum ETF. Zudem können wir Kunden noch mit der engen Vernetzung zu unserer Investmentbanking-Sparte dienen. So werden wir von den Family Offices mandatiert. 

Sie sprechen es schon an: Die Anforderungen der verschiedenen Family Offices dürften variieren…

Roth: Kein Family Office ist wie das andere. Es ist ein sehr heterogener Markt, sowohl im Bereich der Single als auch der Multi Family Offices. Das hat einen simplen Grund: Als ich angefangen habe, gab es viele Großbanken, die Multi-Family-Office-Services angeboten haben. Sie sind aber überwiegend vom Markt verschwunden oder haben das Angebot deutlich reduziert. Trotzdem ist die Zahl der Anbieter insgesamt gewachsen, weil es quasi Spin-Offs gibt: Ehemalige Kollegen aus Großbanken finden sich zusammen, daraus entstehen dann drei oder vier neue Anbieter.

„Früher waren Multi Family Offices exotisch“

Haben all diese Anbieter eine Daseinsberechtigung?

Roth: Ja, weil die Zahl der Cash Events zugenommen hat. Wenn Gründer ihr Unternehmen verkaufen, verfügen sie plötzlich über sehr hohe liquide Mittel und werden von vielen verschiedenen Vermögensverwaltern angesprochen. Das stellt Unternehmer häufig vor neue Herausforderungen. Viele wenden sich in solchen Situationen an einen Profi – und da kommen Family Offices ins Spiel. Früher war die Zahl solcher Ausschreibungen viel geringer, heute entscheiden sich viele Ex-Unternehmer für ein Multi Family Office.

Was sind die Gründe dafür?

Roth: Früher waren Multi Family Offices exotisch, das Konzept stammt aus den USA. In Deutschland setzten die Unternehmer lange auf ihren Banker oder auf die Expertise von Bekannten, etwa eines ehemaligen Finanzvorstands, den sie mal kennengelernt haben. Aufgrund der Komplexität des Anlageumfelds stehen Vermögende heutzutage vor größeren Herausforderungen. Family Offices können dabei helfen, diese zu bewältigen, weshalb sie sich zunehmend etablieren und besser angenommen werden. 

Was genau macht das Geschäft komplexer?

Roth: In der Vergangenheit ging es meist nur um die Konsolidierung verschiedener Vermögensklassen, Konten, Bankverbindungen oder Mandate zu Vermögensverwaltern. Das ist heute EDV-technisch viel einfacher geworden. Die heutigen Mandanten von Multi Family Offices wollen aber lieber Inhalte sehen. Denn das Geschäft ist viel transparenter geworden, zu liquiden Anlageklassen sind zudem alternative Assets dazugekommen. Für immer mehr Vermögensinhaber gehören Private Debt und Private Equity zwingend dazu. Hier sind wir lieferfähig, einerseits durch die Rothschild & Co Merchant Bank und andererseits durch unsere unabhängige Beratung in diesem Bereich.

 

Warum werden diese Anlagen wichtiger?

Roth: Kleines Beispiel: Nehmen wir Start-Up-Gründer, die selbst schon einen Exit erfolgreich vollzogen haben. Diese haben gesehen, wie Private-Equity-Fonds, die an ihren Unternehmen beteiligt waren, einen attraktiven Profit erzielen konnten. Viele Unternehmer kennen sich in ihrer unternehmerischen Nische gut aus und möchten genau dort deshalb selbst in Private Equity investieren – ob über ein Fondsvehikel, mittels eines Co-Investments oder auch über eine direkte Investition.

Und woher kommt die zusätzliche Transparenz?

Roth: Junge Unternehmer sind exzellent vernetzt und haben Zugang zu wichtigen Informationen. Sie wissen, wer mit welchem Anteil wo beteiligt ist und welcher Private-Equity-Fonds zu welcher Bewertung wo eingestiegen ist. In ihren Netzwerken besprechen sie auch, auf welche Steuerberater, Vermögensverwalter oder Immobilieninvestoren die Kollegen setzen. Darauf muss sich die Family-Office-Branche einstellen. Kunden agieren in einigen Bereichen zunehmend auf Augenhöhe, recherchieren selbst und bringen eigene Vorschläge ein.

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Das klingt nach einem enormen Aufwand…

Roth: Das stimmt. Und das alles kann kein Multi Family Office in der gesamten Breite bieten. Deswegen müssen die Anbieter besser zusammenarbeiten. Fast jedes Single Family Office hat eine besondere Expertise und bringt sie nicht selten in Club Deals mit anderen Single Family Offices ein. Family Offices werden modularer, das heißt, spezialisierter auf bestimmte Mandantenbedürfnisse. Und: Die Grenzen bei den Family Offices verschwimmen. Das bedeutet: Kooperationen zwischen Multi Family Offices untereinander sowie zwischen Single und Multi Family Offices wird es in Zukunft häufiger geben. 

„Multi Family Offices müssen untereinander eine Art Maklersystem aufbauen“

Wie kann ein Multi Family Office dann konkurrenzfähig bleiben?

Roth: Es muss personell Expertise aufgebaut werden. Das kostet Geld. Um das effizient gestalten zu können, braucht es diese Kooperationen. Multi Family Offices müssen untereinander eine Art Maklersystem aufbauen: Wenn jemand nach Immobilien in Südeuropa sucht, sollte jedes Family Office einen Anbieter kennen, der das entsprechende Investment umsetzen kann. Und nicht nur bei den einzelnen Anlageklassen, sondern auch bei Themen wie ESG ist Expertise wichtig. Als Manager für liquide Vermögen bekommen wir immer häufiger individuelle Negativlisten, weil die jüngeren Generationen eigene und andere Ideen von Nachhaltigkeit haben, als zum Beispiel die großen Fondsanbieter. 

Werden Themen wie Nachhaltigkeit denn vom Markt oder von den jüngeren Generationen getrieben?

Roth: Sowohl als auch. Die jüngere Generation ist kritischer, möchte wissen, wie das Geld investiert wird und sich einbringen. Auf der anderen Seite sind Kunden von Multi Family Offices aber auch institutionelle Anleger, denen über die Schulter geschaut wird. Also stellen sie ebenfalls Ansprüche an Nachhaltigkeit. Entsprechende Vermögensanlagen finden häufig auch in Special Purpose Vehicles eine Heimat, in denen die Kapitalverwaltungsgesellschaften ein eigenes ESG-Tool im Hintergrund bieten. 

Haben Nextgens oder junge Unternehmer eine weniger emotionale Bindung zu ihren Unternehmen?

Roth: Die Beziehung ist zumindest flexibler geworden. Wenn ein Gründer die erste Firma mit Anfang 20 verkauft, die zweite und dritte dann folgt, dann ist das jeweils eher ein kurz- oder mittelfristiges Investment als ein auf Lebenszeit gebundenes Vermögen wie ein Familienunternehmen.

 

Wie erreichen Family Offices die jüngere Generation? Braucht es eine andere Ansprache?

Roth: Es braucht Digitalisierung. Wer bei einem Unternehmer, der durch ein rein digitales Geschäftsmodell vermögend geworden ist, mit einem Stapel Unterlagen auftaucht, der riskiert, dass er nicht ernst genommen wird. Diese Unternehmer wollen am Sonntagabend auf dem Sofa über eine App sehen können, wie ihr Gesamtvermögen aussieht – da gibt es erheblichen Aufholbedarf. Ein Brief auf Büttenpapier mit Wappen und Unterschrift aus dem Füllfederhalter kann auch bei manchen jüngeren Kunden noch gut ankommen – gleichzeitig sollte ein Family Office aber auch in den sozialen Medien gut agieren beziehungsweise sich positionieren können. Diese Art der Ansprache steckt aber meist noch in den Kinderschuhen.

Ist es bei jüngeren Kunden hinderlich oder hilfreich, wenn man ein traditionsreiches Haus wie Rothschild & Co hinter sich hat?

Roth: Sehr hilfreich. Einerseits wollen wir nicht verstaubt rüberkommen, andererseits verfügen wir über langjährige Erfahrung. Dazu haben wir eine Investmentbank, unter anderem ein Office im Silicon Valley, Lösungen für Private Equity und Private Debt, die ein gemeinsames Investieren mit der Familie und der Bank ermöglichen. Im Portfoliomanagement verfolgen eine eher konservative Anlagestrategie mit dem ultimativen Ziel des langfristigen Vermögenserhalts. Und das schätzen Unternehmer. Viele von ihnen sind mit ihrer Firma bereits durch Krisenzeiten gegangen. Deshalb setzen sie in der Anlage ihres liquiden Vermögens andere Schwerpunkte. Family Offices schätzen unsere Handschrift und Investmentphilosophie.

Was erwarten Kunden in Zukunft?

Roth: Dadurch, dass die Mandanten jünger werden, haben sie qualitativere Anforderungen an die Geldanlage. Es geht nicht mehr nur um Renditeoptimierung, sondern es geht auch um Sicherheit. Und die müssen Family Offices ihren Mandanten auf allen Ebenen bieten.

Über den Interviewten:
Hanno Roth ist Managing Director bei Rothschild & Co und Mitglied der Geschäftsleitung in Deutschland. Rothschild & Co unterhält hierzulande Niederlassungen in Düsseldorf sowie in Frankfurt am Main.

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