George Muzinich von Muzinich & Co. „In Trümmern nach Werten suchen“

George Muzinich im Interview mit Malte Dreher vom private banking magazin

George Muzinich im Interview mit Malte Dreher vom private banking magazin: „Man muss einfach immer vorsichtig sein.“ Foto: Anna Mutter

private banking magazin: Sie sind seit über 50 Jahren im Geschäft. Können Sie sich an eine Zeit erinnern, in der realer Kapitalerhalt einfach war?

George Muzinich: Wir haben unsere Firma mit der Absicht gegründet, 5 Prozent reale Rendite zu erzielen, also 5 Prozentpunkte über der Inflation. Die Idee dabei war, dass man mit dem Kauf einer zehnjährigen Bundesanleihe oder eines zehnjährigen Schatzbriefs eine Rendite von 2 Prozent erzielen würde und wir den Rest bei geringem Laufzeitrisiko bieten könnten. In den vergangenen 30, 40 Jahren gab es eine ganze Reihe solcher Phasen. Damals war der Kauf von Staatsanleihen quasi risikolos. Das gibt es heute nicht mehr, und das ist ein echtes Drama. Denn jetzt steigen die Lebenshaltungskosten, es gibt Null- oder sogar Negativzinsen. Das macht diese Form der Geldanlage geradezu angsteinflößend.

Sie haben Ihr Unternehmen 1988 gegründet. Das ist ein super Timing – der Sweetspot der Rentenanlage.

Muzinich: Nicht ganz. Ideal wäre es im Nachhinein Anfang der 80er Jahre gewesen, als man zehnjährige Staatsanleihen mit einem Zins von 16 Prozent kaufen konnte. Aber auch 1990, als wir angefangen haben, war noch eine gute Zeit. Ende der 80er Jahre war der Markt für hochverzinsliche Wertpapiere zusammengebrochen, und unser Ziel war es, in den Trümmern nach Werten zu suchen. Die Idee dabei war: Wie können wir stabile Renditen erzielen, die attraktiv sind und gleichzeitig das Kapital erhalten? Diese Herangehensweise hat sich bewährt, auch wenn die Märkte sich natürlich verändern.

Wer der deutschen Regierung Geld für zehn Jahre leiht, bekommt minus 60 Basispunkte. Das ist doch verrückt, oder?

Wann begannen die Dinge am Anleihemarkt aus dem Ruder zu laufen?

Muzinich: Angefangen hat es vor zehn Jahren mit den Negativzinsen in Europa. Das war eine Fehlentwicklung. Noch nie in der Geschichte hatten wir negative Zinssätze. Dann kam 2014 die Bankenkrise in Europa, flankiert von Energieproblemen im Jahr 2018. Es ist also einiges schiefgelaufen, aber das Grundübel sind die Negativzinsen. Im Grunde bedeutet das, dass die Bank an Sie zahlt, wenn Sie eine Hypothek aufnehmen, und das ergibt keinen Sinn. Wer der deutschen Regierung Geld für zehn Jahre leiht, bekommt minus 60 Basispunkte. Das ist doch verrückt, oder?

Absolut.

Muzinich: Es hat eine Phase der Verzerrung und der künstlichen Preise gegeben. Das Coronavirus hat diese Entwicklung noch verstärkt. Man musste die Wirtschaft wieder ankurbeln und Geld für Menschen bereitstellen, die ihre Arbeit verloren haben oder nicht arbeiten gehen konnten. Wir haben also eine künstliche Periode der Hyperstimulation. Und was passiert, wenn Geld umsonst ist? Die Leute spekulieren. Wenn einem jemand etwas umsonst gibt, warum sollte man es nicht nehmen? Dann kann man spekulieren.


Wir sind in einer Spekulationsblase?

Muzinich: Ich kann die Entwicklung der Märkte nicht vorhersagen, aber ich meine, man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass wir uns in einer Phase überzogener Bewertungen befinden. Man muss sich Sorgen wegen einer Stagflation machen. Und eine solche Phase, wie wir sie gerade erleben, bringt Herausforderungen mit sich.