Nachhaltige Kapitalanlage „Das ist ein Meilenstein für ESG-Investments“

Daniel Knörr

Daniel Knörr: Der Experte für nachhaltige Kapitalanlage des Versicherers Talanx spricht im Interview über die aktuelle und künftige Regulierung der Finanzbranche. Foto: Ampega Investment GmbH

private banking magazin: Laut Ihrer gemeinsamen Umfrage mit Sirius Campus im Versicherungsbereich spielt das Thema Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage immer noch eine untergeordnete Rolle. Wird es dabei wohl bleiben?

Daniel Knörr: Ja, tatsächlich waren die Ergebnisse auf den ersten Blick überraschend und standen nicht zwingend im Einklang mit der ein oder anderen Studie aus dem Bereich Asset Management. Bei den Endkunden spielt das Thema Nachhaltigkeit bei der Auswahl der Kapitalanlage noch immer keine tragende Rolle.
Das dürfte sich jedoch mit der verpflichtenden Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Kundenberatung ab dem 2. August dieses Jahres ändern. Das ist ein Meilenstein für ESG-Investments und dürfte als Game Changer wirken.

Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit Ihrer Ansicht nach heute in der Fondsbranche?

Knörr: Es ist für mich derzeit das zentrale Thema der Branche. Für viele Finanzintermediäre ist Nachhaltigkeit im Rahmen ihrer treuhänderischen Sorgfaltspflicht bereits seit Langem sehr wichtig. Inzwischen wirkt die Regulierung der EU als mächtiger Taktgeber für viele Änderungen in der Prozesslandschaft der Industrie.
Um beim Meilenstein Umsetzung der Markets in Financial Instruments Directive, kurz Mifid-II-Verordnung, im August zu bleiben: Die Voraussetzungen für die Gestaltung der vertrieblichen Beratungsstrecken sind die Daten, welche die Kapitalverwaltungsgesellschaften ab dem 1. Juni über das sogenannte European ESG Template, kurz EET, den Vertriebsstellen und Datenprovidern zur Verfügung stellen.

Wo steht die Branche bei der Umsetzung ihrer Aufgaben?

Knörr: Schwer zu sagen: Die Umsetzung der Vorgaben stellt für viele Akteure eine extreme Herausforderung an die Ressourcen- und Datenhaushalte dar. Zudem ist die Abdeckung mit den erforderlichen Daten ist noch nicht so, wie man sich das vorstellt. Der Umgang und die Verarbeitung von diesen nichtfinanziellen Daten erfordert zudem neue Denk- und Lösungsansätze in den Kontroll- und Prüfprozessen. Bis sich erste Marktstandards herausbilden, an denen man sich orientieren kann, wird noch etwas Zeit ins Land gehen.

Wie sieht der weitere Zeitplan konkret aus?

Knörr: Bis zum 1. Juni sollten den Vertriebsstellen und Datendistributoren alle geforderten Angaben vorliegen. Daran arbeiten auch wir als Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft für unsere Kunden mit Hochdruck. Hierfür werden unterschiedliche Datenkonzepte für die Sicherstellung der unterschiedlichen Anforderungen der Offenlegungsverordnung benötigt. Über diese Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz SFDR, hinaus müssen viele vorvertragliche Informationen und Jahresberichte der Spezial- und Publikumsfonds erweitert werden. 

Was halten Sie von dem Vorschlag, diesen Stichtag zu verschieben?

Knörr: Die Branchenverbände haben sich lange für die Zusammenlegung der Zieltermine der Verordnungen Mifid und SFDR Level II eingesetzt. Eine Synchronisierung der Umsetzungszeitpunkte hätte nicht nur zu einer deutlichen Entzerrung der Projektarbeiten geführt, sondern auch inhaltlich Sinn gemacht. Zum Beispiel sind sowohl im EET als auch bei WM Datenservice bestimmte Informationen einzuliefern, die sich aufgrund der Verschiebung der Level-2-Vorgaben erst ab dem 1. Januar 2023 in den Verkaufsprospekten wiederfinden werden.
Ein anderer Punkt ist das verzögerte Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive zur Nachhaltigkeitsberichterstattung: Hier stehen qualitativ hochwertige Daten aus der Realwirtschaft erst ab 2025 zur Verfügung. Auch hier die Folge: mangelnde Datenverfügbarkeit! Es hat sich dann jedoch Anfang des Jahres abgezeichnet, dass die Verschiebung politisch auf wenig Gegenliebe stößt. Wir nehmen das jetzt so, wie es ist, und machen das Beste draus.