private banking magazin: Frau Budde, auf der Investmentexpo im vergangenen Jahr war die Stimmung eher gedrückt, derzeit macht es den Anschein, als gäbe es wieder vermehrt positive Meldungen für die Immobilienbranche, wie ist ihr Eindruck?
Anna-Lena Budde: Diesen Eindruck kann ich insgesamt bestätigen. Die Stimmung der letzten Veranstaltung war geprägt von einem sich grundlegend verändernden Umfeld durch die Zinsentwicklung und deren Folgen sowie dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den unmittelbaren Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft – etwa auf die Energiepreise und stark steigende Rohstoffkosten. Die Entwicklungen, die wir jetzt aktuell erleben, die sich vor allem durch die Zinsveränderungen für den Immobilienmarkt ergeben, warfen damals bereits ihre Schatten voraus. Teile der Immobilienbranche- und investments bewegen sich weiterhin in einem sehr herausfordernden Umfeld. Vollständig sind die Konsolidierungen nicht abgeschlossen, aber wir nähern uns zumindest der Talsohle. Denn es ist spürbar, dass sich die ersten Investitionsfreudigen wieder zurück an den Markt trauen. Außerdem sind am Zinsmarkt die lang erwarteten Stabilisierungen zu erkennen. Das nimmt dem Immobiliensektor zumindest einen Teil der Unsicherheiten. Es wäre wünschenswert, dass wir wegkommen, von dieser Zeit grundlegender Volatilität, hin zu planbaren, verlässlicheren Märkten.
Was erwarten Sie von der Investmentexpo?
Budde: Bei der Investmentexpo hat man als Investor die Möglichkeit, sich zwei Tage intensiv mit den Themen, die uns in der Branche gerade sehr umtreiben, auseinander zu setzen, alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Ich freue mich auf interessante Panels mit neuen Anregungen, aber auch auf intensive Gespräche mit Mitinvestoren und Anbietern. Es ist immer ungemein gewinnbringend, sich mit Mitinvestoren auszutauschen – da geht es um den Umgang mit der aktuellen Situation ganz allgemein und genauso um mögliche Änderungen in der strategischen Positionierung. Was können wir voneinander lernen und wie investieren wir in die/der Zukunft? Es sind doch diese Fragen, die uns alle um- und antreiben.
Warum sitzen Sie im Beirat der Investmentexpo?
Budde: So ein Sitz im Beirat gibt mir die Möglichkeit, mich aktiv an dem Inhalt der Veranstaltung und der Entstehung neuer Konzepte einzubringen. Es ist doch immer bereichernd, wenn man auch an einer solchen Stelle eine gestaltende Rolle mit einnehmen darf. Wir beschäftigen uns mit den aktuellen Themen der Branche und tauschen uns zu den unterschiedlichen Standpunkten aus. Und natürlich ist auch die weitere Netzwerkerweiterung ein reizvoller Bestandteil der Arbeit – das gehört natürlich dazu. Ich kann da nur Werbung machen: Die Beiratsfunktion ist in vielerlei Hinsicht horizonterweiternd.
Nach wie vor hohe Zinsen, geopolitische Konflikte, was ist 2024 die größte Herausforderung für institutionelle Investoren in der Immobilienbranche?
Budde: Hier hilft sicherlich erstmal der Blick in die Portfolio-Strukturen: In der Regel ist das Immobilienportfolio ein Bestandteil einer Asset Allocation der jeweiligen Kapitalsammelstelle mit entsprechenden passivseitigen Verpflichtungen. Die Zinsentwicklung hat nun ganz andere Assetklassen – und hier vor allem sämtliche Zinsträger im Vergleich zu den illiquiden Anlagen – wieder attraktiver werden lassen.
In der Vergangenheit war – neben der Diversifikation – auch die Generierung von Mehrertrag aus dem Immobilieninvestment einer der Haupttreiber für Investitionen. Das hat durch die veränderte Zinssituation und somit die wiedergewonnene Attraktivität der Zinsträger eine völlig neue Situation in der Bewertung der Rendite-/Risikoparameter geschaffen.
Wie sieht es konkret bei der NKVK aus?
Budde: Bei unseren bestehenden Immobilieninvestments sind aktuell die auslaufenden Finanzierungen mit den entsprechenden Liquiditätsanforderungen die größte Herausforderung. Hier zeigen sich Indikationen, wo und in welcher Höhe mögliche Bewertungsrisiken liegen – eben auch wo noch keine vergleichbaren Markttransaktionen vorliegen. Aktuell nehmen wir wahr, dass der Markt von den Investoren eher beobachtet wird. Daraus ergeben sich wieder naheliegenderweise Fragen: Wo ergeben sich neue Trends? Wie hoch ist der Einfluss von ESG und was kostet es? Welches Zinsniveau wird uns länger begleiten? Wie entwickeln sich die Preise von Rohstoffen? Und bei welchem Preis treffen sich Anbieter und Nachfrager? Sie sehen, das sind viele Variablen. Aber auch aus dieser vielleicht noch etwas erratischen Zeit werden sich wieder hervorragende, neue Investitionsmöglichkeit ergeben. Vielleicht ist da jetzt einfach noch etwas Geduld gefragt. Sicher ist und bleibt aber der Umstand, dass die Immobilie, in welcher Form auch immer, ein Bestandteil unseres Portfolios bleiben wird.
Was sind die neuen Trends in der Immobilienbranche, was halten Sie beispielsweise davon, Büro- in Wohnimmobilien umzuwidmen?
Budde: Bei den Trends im Immobilienbereich sind meines Erachtens drei Haupttreiber deutlich sichtbar. Zum einen sind es die Themen in Verbindung mit den ESG-Anforderungen. Darunter fallen beispielsweise nachhaltiges Bauen oder auch grüne Immobilien. Ein weiterer Treiber ist die technologische Weiterentwicklung – etwa hin zu Smart Homes und intelligenten Bürogebäuden. Und den dritten Bereich streifen Sie bereits und richtigerweise in der Frage. Das sind die nachfragebedingten Veränderungen oder eben auch Umwidmungen. Ganz sachlich, ökonomisch betrachtet ist eine Veränderung von etwas, das keine große Nachfrage mehr erfährt, hin zu etwas, wovon es viel zu wenig gibt, der normale Lauf der Dinge. Aus der Investorenperspektive stellt sich hier nur die Frage, ob es sich am Ende rechnet und ob ein solches Gesamtprojekt zu den Bedürfnissen der Kapitalverpflichtung passt.
Wie sieht das Immobilienportfolio der NKVK heute aus und wie soll es in 5 bis 10 Jahren aussehen?
Budde: Aktuell ist unser Portfolio eher europäisch geprägt mit einem höheren Anteil am Büro-Immobilien- Sektor. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich hier auf längere Sicht Verschiebungen ergeben werden. Dies ist der passivseitigen Verpflichtung und der demographischen Entwicklung unserer Versicherten geschuldet. Hier werden die Zielvorgaben gesetzt und daraus leitet sich ab, wie sich die Assetklassen zusammensetzen. Auch in Zukunft werden die Immobilie in der Asset Allocation eine wichtige Rolle spielen.
Was versprechen Sie sich von dem Thema nachhaltige Immobilien, grüne Infrastruktur und Wohnimmobilienmangel vom Regulator?
Budde: Gerade als kirchliches Haus, ist Nachhaltigkeit ein zentraler Bestandteil in unserem Portfolio. Weiterhin merken wir, dass die bürokratischen Zugangshürden bereits im europäischen Vergleich in Deutschland eine Rolle spielen. Wir betrachten vermehrt Investitionen, die uns als institutioneller Investor die Möglichkeit schafft, unseren Verpflichtungen nachzukommen und einen Beitrag zum Thema ESG zu leisten. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit auf lange Sicht echte Stabilität in die Portfolien bringt.
Von Seiten des Regulators würde ich mir insgesamt mehr Dynamik und weniger Bürokratie wünschen. Auch der Ansatz der ganzheitlichen Betrachtung nimmt meines Erachtens noch zu wenig Raum ein. Als Investor betrachten wir die Immobilie zwangsläufig in erster Linie als Ertragsquelle. Unter Umständen können umfangreiche, nachhaltige Sanierungen eine Immobilie unattraktiv in der Renditebetrachtung werden lassen. Hierfür brauchen wir gerade auch von Seiten des Gesetzgebers Antworten und eine klare Linie.
Über die Interviewte
Anna-Lena Budde ist seit 2015 in diversen Positionen bei der Norddeuten Kirchlichen Versorgungskasse (NKVK). Seit Anfang 2020 ist sie stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin der gut 2 Milliarden Euro schweren Kapitalanlage.