Interview mit Quellensteuer-Experten „Es wird nie eine hundertprozentige Harmonisierung geben“

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Von der Höh: Und deswegen ergibt es für Family Offices und Banken ökonomisch Sinn, diese Dienstleistungen über eine automatisierte Software wie Raquest anzubieten. Je weiter sie skaliert wird, desto mehr Kunden kann die Dienstleistung angeboten werden.

Welche Hürden müssen bei einer Rückforderung genommen werden?

Lerch: Die Erkenntnis, dass sich eine Rückforderung lohnt, ist die erste Hürde. Die zweite Hürde sind die sonst unterschiedlichen Kundentypen mit jeweils nach Land verschiedenen Regularien, dazu kommen diverse Domizile und Märkte. Die dritte Hürde ist, dass das Ganze nicht statisch ist, sondern die Regulatorik in den einzelnen Ländern sich regelmäßig ändert: neue Dokumente, neue Begleitdokumente, neue Regeln, neue Prozesswege. Zusätzlich gibt es ja nicht nur die Rückforderung, sondern auch die Vorabbefreiung von der Quellensteuer.


Von der Höh:
Lassen Sie mich zwei Beispiele geben: In Italien dauert es mindestens 10 Jahre, bis Sie nach einer Rückforderung Ihr Geld sehen. In Asien, Australien und Neuseeland ist dagegen eine Vorabbefreiung etabliert und ziemlich simpel. Wenn Sie allerdings eine Rückforderung anstreben, müssen Sie vor Ort sein, die Dokumente ins Japanische übersetzen und Anwälte kennen. Deswegen ist es so wichtig zu wissen, welches Verfahren für welchen Kunden wo am sinnvollsten ist.

Sie selbst haben bei Raquest eine Software entwickelt, die dieses Wissen aggregiert. Die OECD hat mit Trace zudem ein Verfahren vorgeschlagen, das die Quellensteuerrückforderungen digitalisieren soll. Hilft das?

Lerch: Bisher findet dieses Verfahren nur in Finnland Anwendung. Im Grunde lehnt sich dieses Prinzip an die klassische Vorabbefreiung an, die über Digitalisierung besser automatisiert werden soll. Die Depotbanken wirken aber noch zurückhaltend, weil sie sich im Rahmen dieses Programms als sogenannte Authorized Institutes registrieren lassen müssen. Nur: Die von den finnischen vorgegebenen Vorgaben für diese Institute sind relativ streng und gehen weiter als bisherige Verpflichtungen.

Klingt so, als würden analoge Probleme einfach digitalisiert werden. Sind die strengen Vorgaben der Grund dafür, dass das System nur in Finnland genutzt wird?

Von der Höh: Ich glaube nicht. In den USA wird bereits ein ähnliches System genutzt, das auch strenge Vorgaben für Intermediäre vorschreibt. Die Systematik ist also grundsätzlich bekannt. Im Moment gibt es neben dem Trace-Verfahren viele Digitalisierungsbestrebungen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, was die Bedürfnisse und Motive der Steuerbehörden sind. Denn die bringen solche Prozesse ja erst in Gang.

„Eine digitale Behörde ist gut – aber wenn eine andere nicht digital ist, verursacht das unnötige Prozesskosten.“

Lerch: Es sind aber eben auch eine Menge Teilschritte, die digitalisiert werden müssen: Signaturen, automatisierte Prüfungen und Clearing-Vorgänge, zudem ein einheitlicher Informationsaustausch. Die Schweizer Steuerbehörde hat etwa eine Machine-to-machine-Schnittstelle eingeführt, die theoretisch eine komplette Digitalisierung zulässt. Das Problem ist: Als Teil des Prozesses braucht der Antragssteller eine Wohnsitzbestätigung vom deutschen Finanzamt, wenn er hier ansässig ist. Da die deutsche Steuerbehörde dafür aber keine digitale Möglichkeit bereitgestellt hat, gibt es sofort einen Bruch im Prozess. Und genau das ist das Problem: Eine digitale Behörde ist gut – aber wenn eine andere nicht digital ist, verursacht das unnötige Prozesskosten. Wir haben als Softwareanbieter immerhin die Hoffnung, dass die Digitalisierung auch einen Trend zur Harmonisierung anstoßen kann.