Interpretation der Bafin-Zahlen „Die Branche unabhängiger Vermögensverwalter stagniert nicht“

Michael Gillessen ist Leiter des Vermögensverwalter Offices bei Berenberg

Michael Gillessen ist Leiter des Vermögensverwalter Offices bei Berenberg

Eigentlich müsste es doch ganz einfach sein, ein Bild darüber zu bekommen, wie sich die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter entwickelt. Immerhin veröffentlicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf Ihrer Internetseite eine Liste der sogenannten „zugelassenen Finanzdienstleistungsinstitute“.

Zuletzt (Stand: 19. August 2015) waren es 689. Damit liegt es nahe, die 480 nicht konzernabhängigen, also unabhängigen Vermögensverwalter darin zu identifizieren und aus deren zahlenmäßiger Entwicklung über die Jahre einen Trend der Branche abzuleiten. So ist es zu erklären, dass verschiedentlich die Rede davon ist, es gäbe kaum Neugründungen und die Branche stagniere.

Spricht man mit einer Vielzahl von Vermögensverwaltern, zeigt sich schnell, dass dieses Bild täuscht. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Start unter Haftungsdach

Erstens verzichten derzeit insbesondere reine Fondsberater auf die Beantragung einer eigenen Lizenz und starten stattdessen unter einem Haftungsdach. Das nimmt ihnen vor allem viele organisatorische und regulatorische Themen ab. Erst wenn der beratene Fonds dann an Volumen gewonnen hat, wird der Schritt in Richtung einer eigenen Lizenz für die Finanzportfolioverwaltung angedacht.

Zweitens berichten die meisten der von uns betreuten Vermögensverwalter über zum Teil erhebliches organisches Wachstum. Gerade in den aktuell schwierigeren Börsenzeiten suchen Anleger vermehrt den Rat dieser Profis – nicht verwunderlich, denn eine gute Wertentwicklung bei vertretbarem Risiko ist heute nur noch mit deutlich aktiveren Anlagestrategien als früher zu erreichen.

Hinzu kommt, dass sich die Qualität sowohl bei existierenden Vermögensverwaltungsgesellschaften als auch bei Neugründungen erheblich verbessert. Die große Welle der Fondsauflegungen ohne Alleinstellungsmerkmale, getrieben lediglich durch steuerliche Überlegungen, ist längst abgeebbt. Wer heute einen neuen Private-Label-Fonds auflegt oder in die Selbstständigkeit geht, hat sich dieses meist sehr gut überlegt und auch von Anfang an mit Partnern gesprochen, die vertriebsunterstützend tätig werden.

Lizenzrückgaben sehen wir aktuell lediglich bei eher schlecht aufgestellten Gesellschaften ohne überzeugendes Geschäftsmodell und mit eher geringem Volumen. Der typische Newcomer im Markt ist deutlich besser qualifiziert und startet bereits mit höherem Volumen.

Fazit

Alles in allem kann man sagen, dass die deutschen unabhängigen Vermögensverwalter von solider Arbeit, beeindruckender Kundennähe, steigender Professionalität und innovativen Anlagekonzepten profitieren. An die von einigen Beobachtern seit Längerem prognostizierte große Marktkonsolidierung glauben wir nicht.

Im Gegenteil, wir gehen von einem anhaltend starken Wachstum aus. Immerhin stiegen die von den Vermögensverwaltern betreuten Vermögen auf Jahressicht um mehr als 10 Prozent an – Performance-bereinigt. Und der Ausblick bleibt positiv.


Über den Autor:
Der Autor Michael Gillessen leitet das Berenberg Vermögensverwalter Office seit Juli 2013. Seitdem hat sich das betreute Vermögen des Office mehr als verdreifacht. Der 52-Jährige war vor zwei Jahren von Hauck & Auffhäuser zu den Hamburgern gewechselt.

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