Stefan Hentschel im Gespräch „Wir werden aus der Risikokurve rausgetrieben“

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Welche Rolle spielt eine strategische Allokation gegenüber einem eher taktischen Vorgehen?

Hentschel: Die strategische Asset-Allokation ist grundsätzlich der mittelfristig orientierte Fahrplan. Sie ist eines der Schlüsselelemente, denn ohne strategische Asset-Allokation können wir kein Portfolio aufbauen. Nichtsdestotrotz wird natürlich von der strategischen Asset-Allokation taktisch abgewichen, wenn es opportun ist. Etwa wenn wir Asset-Klassen sehr interessant finden oder aber, wenn es Übertreibungen gibt. Wir haben etwa vor zwei Jahren relativ viele Aktien von Minenunternehmen gekauft.

Stichwort Übertreibungen: Das heißt aber auch, dass Sie etwa aus Hochzinsanleihen rausgehen, bis die Blase platzt, um dann vor der Tür einzusammeln?

Hentschel: Richtig. Allerdings treffen wir selten Null-eins-Entscheidungen. Wenn wir eine High-Yields-Vorgabe von 2 Prozent haben, bewegen wir uns auf der taktischen Seite zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Wir drehen nichts auf null. Denn sonst überschreiben wir zu sehr unsere strategische Asset-Allokation.

Was sind Themen oder Trends, die Sie besonders für die kommenden drei bis fünf Jahre oder kurzfristig aus Ihrem Horizont sehen?

Hentschel: Wir gucken uns nach wie vor illiquide Asset-Klassen an. Infrastruktur ist und bleibt für uns ein Thema, weil wir langfristig orientierte Anleger sind und diese Anlagen gut zu langfristigen Cashflows passen. Ein weiteres Thema ist Direct Lending. Wir sehen, dass es da bei Banken Engpässe gibt, und da wollen wir dazwischengrätschen und unsere Liquidität im Rahmen des rechtlich Zulässigen zur Verfügung stellen.

Wie stark sind Sie noch im klassischen Rentenmarkt unterwegs?

Hentschel: Klassisches Fixed Income ist für uns schon länger kein Thema mehr. Wir würden bei eventuellen Hickups wahrscheinlich wieder aktiv werden, etwa wenn EZB-Chef Mario Draghi sich zweideutig ausdrückt und die Märkte von 40 Basispunkten bei Bundesanleihen Richtung 100 Basispunkte marschieren würden. Aber das würden wir nur sehr situativ entscheiden. Ansonsten halten wir uns eigentlich bei den derzeitigen Rentenmärkten komplett raus. Wir kaufen in der Neuanlage Unternehmensanleihen, aber auch nur sehr selektiv.

Wie hat sich Ihre Allokation vor 10, 15 Jahren hin zu heute verschoben? Viel mehr Illiquidität, sprich Infrastruktur, Private Debt?

Hentschel: Genau. Das sind die großen Asset-Klassen. Immobilien sind für uns noch recht neu. Wir hatten vor der Finanzkrise keine Immobilien und sind dann ab 2009 das Thema angegangen. Das ist mittlerweile eine Asset-Klasse mit hohem Gewicht, insbesondere in der Pensionskasse. Da liegen wir so in Richtung 11 Prozent bei den Immobilien.

Machen Sie Immobilien alleine, oder stehen da auch Häuser zur Seite?

Hentschel: Wir haben keinen Direktbestand. Wir machen das sehr unterschiedlich. Core-Immobilien in Europa und den USA decken wir über einen Mehr-Anleger-Fonds ab. Dann haben wir noch Satellitenthemen um das Immobilienthema gespannt, wo wir dann Sonderthemen wie Parken, Wohnen, Niederlande aufbauen. Und wir gehen das Thema Spezialfonds verstärkt an, weil wir uns eigentlich nicht mehr mit anderen Anlegern abstimmen wollen. Wir haben dann Immobilien, die über einen Asset-Manager in unserem Namen gekauft werden.

Jetzt verwalten Sie das Kapital und Pensionsverpflichtungen von Mitarbeitern, die in der Spezialchemie arbeiten? Halten Sie sich daher aus Chemieanlagen oder Themen rund um Chemie raus?

Hentschel: Nein, da gibt es keine Spezifika und keine Evonik-Philosophie. Das einzige, was wir mal irgendwann analysiert haben, ist die Frage: Wer ist eigentlich Preissetzer, und wer ist Preisnehmer? Spezialchemie ist eher ein Preissetzer. Deshalb haben wir uns aus dem Inflations-Hedge ein bisschen rausgenommen.



Über den Interviewten:
Stefan Hentschel ist Leiter Pension Asset Management beim Essener Spezialchemieunternehmen Evonik Industries. Mit seiner Pensionstreuhand holte das Unternehmen 2016 bei den Institutional Awards den Sieg in der Kategorie „Bester Pensionsfonds/CTA“.

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