Insight Index, Teil 9 Technologie-Indizes und der Weg von Faang zu Fangman

Marc Decker von der Quintet Private Bank:

Marc Decker von der Quintet Private Bank: „Neben den Einflüssen der Inflation und den damit einhergehenden Zinserhöhungen sehen wir im weiteren Technologiesektor auch strukturelle Verschiebungen.“ Foto: Quintet Private Bank

Das Umfeld hat sich rasch gedreht. Noch bis vor einem Jahr wurde in Bezug auf Aktieninvestments immer wieder ein Glaubenssatz bemüht: Tina – „There Is No Alternative“. Gleichzeitig erfuhren durch die globale Geldschwemme die vielfältig auf Digitalisierung und Technologisierung ausgerichteten Business-Modelle massiven Rückenwind durch Investoren. Bekannt wurde vor allem das Fünfergespann unter dem Akronym Faang, also die Aktien der Tech-­Giganten Facebook, Amazon, Apple, Netflix und der Google-Mutter Alphabet.

Technologiewerte sind anfällig

In den vergangenen Monaten, als sich immer mehr eine deutlich restriktivere Geldpolitik vor allem durch die US-amerikanische Notenbank Fed abzeichnete, die Zinsen das ultraniedrige Niveau verließen und sich ein vier Jahrzehnte andauernder Zinsrückgangszyklus seinem Ende zuneigte, begann langsam die Luft aus den aufgeblasenen Vermögenspreisen zu entweichen. Eine Folge dieser Entwicklung ist auch eine Neubepreisung der Technologiewerte, denn diese sind besonders anfällig für Zinserhöhungen. Die Kurse fußen schließlich vor allem auf künftigen Gewinnen, und diese sind bei steigender Inflation und Zinsen heute weniger wert. 

 

Neben den Einflüssen der Inflation und den damit einhergehenden Zinserhöhungen sehen wir im weiteren Technologiesektor auch strukturelle Verschiebungen. Einige der Geschäftsmodelle konnten gerade während der Pandemie Stärken zeigen, die nun, wo das öffentliche Leben sich normalisiert hat, wieder etwas in den Hintergrund treten. Eine Konsequenz daraus ist, dass gerade Tech-Hardware-Namen sich, unterstützt von Problemen in den globalen Lieferketten, in der relativen Wichtigkeit bei Investoren zunehmend in den Vordergrund spielen konnten.

Software-Anbieter und Plattformbetreiber haben dagegen in der Tendenz Federn lassen müssen. 
Diese Entwicklung ist auch an einer Veränderung der Akronyme für die Tech-Giganten festzustellen. Nun wird nicht mehr von Faang gesprochen, sondern von Fangman, bei welchen neben den Faang-Aktien auch Nvidia und Microsoft in den Aktienkorb mitaufgenommen wurden. Durch die Aufnahme von Tesla und die Umbenennung von Facebook zu Meta kommen neue Akronyme in Umlauf: Maata, Atama oder Aaamt. 

Langfristiger Kontext

Viel mehr als eine Beschäftigung mit den immer neuen Akronymen lohnt ein Blick in die globalen Tech-Aktienindizes, um einerseits das Gewicht dieser Geschäftsmodelle in einer globalen und digitalen Gesellschaft zu sehen, andererseits jedoch auch das massive Klumpenrisiko zu beachten, das mit diesen Aktienwerten verbunden sein kann.

Eine gute Annäherung bietet der bekannte MSCI Word Information Technology Index, welcher seit dem Corona-Crash Mitte März 2020 bis Ende August 2022 eine Performance von rund 80 Prozent und bis zum bisherigen Allzeithoch Ende Dezember 2021 sogar eine Wertentwicklung von rund 143 Prozent aufweisen konnte – gerechnet in US-Dollar.

Diese Zugewinne müssen wir im Blick behalten, wenn wir den ebenfalls sehr deutlichen Kursrückgang seit Jahresbeginn um rund 26 Prozent anschauen.  Anders als der MSCI World IT Index gab der breite MSCI World Index nämlich ebenfalls um immerhin 19 Prozent seit Jahresanfang nach. Auch der auf Value-Werte fokussierte MSCI World Value Index verlor noch 12 Prozent. Ganz offensichtlich liegt der IT-Index besonders deutlich unter Wasser, doch angesichts des vorherigen massiven Aufschwungs sollte der Abschwung im längerfristigen Kontext gesehen werden.

 

Beachtlich am MSCI World Informa­tion Technology Index sind neben der Performance vor allem die Gewichtungen der Einzeltitel. So ist Apple mit fast 24 Prozent das absolute Indexschwergewicht, einigermaßen dicht gefolgt von Microsoft mit knapp 17 Prozent Gewichtung. Nvidia ist mit weniger als 3 Prozent als Drittplatzierter fast schon als abgeschlagen zu bezeichnen. Und obwohl es sich um einen globalen Aktienindex handelt, liegt der mit großem Abstand stärkste regionale Fokus des Index mit knapp 87 Prozent auf US-Technologieaktien. Mit Halbleiter-Schwergewicht ASML aus den Niederlanden ist nur eine Firma unter den Top-10-Anteilen nicht aus den USA.

In Bezug auf das Klumpenrisiko, welches mit der Investition in diesen Index einhergeht, lohnt sich eine kurze Performance-Betrachtung der Apple-Aktie, welche in den vorgenannten Betrachtungszeiträumen März 2020 bis Ende August 2022 um 180 Prozent und von März 2020 bis zum Allzeithoch Ende Dezember 2021 um satte 216 Prozent zulegen konnte. Seit ihrem Allzeithoch gab die Apple-­Aktie nun um knapp 12 Prozent nach. 

Hinkender Vergleich: Im Gegensatz zur Aktie des Technologieriesen Apple schneiden die Indizes schlecht ab, auch der MSCI World IT.
Hinkender Vergleich: Im Gegensatz zur Aktie des Technologieriesen Apple schneiden die Indizes schlecht ab, auch der MSCI World IT. © Morningstar / private banking magazin

Somit zeigt sich, dass die Index-Performance maßgeblich durch eine einzige Aktie, nämlich die von Apple, beeinflusst war. Ein Direktinvestment in den iPhone-­Hersteller in den vergangenen zwölf Monaten wäre jedoch sogar das bessere Investment in den Aufwärts- wie auch in den Abwärtsbewegungen gewesen. Dies soll kein Plädoyer für ein Investment in bestimmte Einzelaktien sein, jedoch sollte sich ein Investor das Klumpenrisiko bei der Wahl eines bestimmten Index und im Speziellen bei der Wahl dieses vermeintlich „breiten“ Technologieindexes bewusst machen. Breite Diversifikation innerhalb des Tech-Bereichs bekommen Anleger mit dem MSCI World Information Technology Index jedenfalls nicht. 

Tech-Firmen ziehen wieder Käufer an

Allerdings muss bei dieser Betrachtung berücksichtigt werden, dass Aktienwerte wie Amazon, Alphabet oder Tesla zwar gerne den Tech-Aktien zugeschlagen werden, tatsächlich jedoch per Definition andere Sektorzugehörigkeiten innehaben können. So gehört Alphabet laut MSCI-Sektorklassifizierung zum Sektor „Communication Services“ und Amazon sowie Tesla zum Sektor „Consumer Discretionary“. Dies erklärt wiederum die nochmals überproportionale Sektorgewichtung von Apple im Bereich Information Technology. Daher sollten Investoren bei der Wahl eines Technologie-Index eher auf eine breite, lockere Definition von Tech setzen als auf die offizielle IT-Sektor-Klassifikation.

 

Warum ist dies zum jetzigen Zeitpunkt relevant? Wir sehen derzeit, dass Wachstumsaktien im Allgemeinen und Tech-Werte im Besonderen bei Anlegern ziemlich aus der Mode sind. Die Marktstimmung dürfte sich jedoch in absehbarer Zeit wieder drehen oder zumindest moderater werden. Schon jetzt ziehen vergünstigte Bewertungen bei einigen Tech-Firmen wieder vermehrt Käufer an. Dieser Trend dürfte vor allem dann an Fahrt aufnehmen, wenn ein Ende des Zinsanhebungszyklus der Fed erkennbar wird, die Wachstumsaussichten klarer werden und einige der unter Beobachtung stehenden Tech-Firmen sich als krisenresistent erwiesen haben. Wenn diese Entwicklung sich beschleunigt, dann ist dies vor allem für diejenigen Investoren günstig, die sich rechtzeitig mit einer entsprechenden taktischen Sektor-Positionierung in Stellung gebracht haben. 

Für eine solche taktische Positionierung für den Tech-Sektor kann der erwähnte MSCI World IT Index jedoch nur bedingt die Grundlage sein. Zu abhängig ist er von einzelnen Unternehmen. Breiter aufgestellte Indizes können hier die bessere Wahl sein.


Über den Gastautor:
Marc Decker ist stellvertretender Leiter des Bereichs Aktien der Privatbank Quintet, die in Deutschland unter dem Markennamen Merck Finck auftritt. Mit seinem Team aus Analysten verantwortet er die Bestückung der hauseigenen Vermögensverwaltungsstrategien und Investmentfonds, zu denen auch der älteste Stiftungsfonds Deutschlands zählt. 

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