Die Komplexität der Besteuerung von Influencern und Content Creator wächst mit der Vielfalt neuartiger Einnahmequellen immer weiter. Während Influencer ursprünglich vor allem durch gesponserte Beiträge auf Plattformen wie Instagram oder Youtube Einnahmen erzielten, reicht das Spektrum heute von Livestreams und Abonnements über Affiliate-Marketing und eigene Produktlinien bis hin zu Kooperationen mit internationalen Marken. Zudem werden erzielte Einnahmen in Immobilien, Aktien, Kryptowährungen und mehr investiert. Ein Dauerbrenner ist auch das Thema Wegzug ins Ausland.
Parallel dazu wächst die Komplexität der steuerlichen Rahmenbedingungen – nicht nur seitens der Finanzbehörden, sondern auch für die Influencer und Content Creator selbst, die sich mit unterschiedlichen Pflichten auseinandersetzen müssen. In diesem Artikel werden anhand von drei praxisnahen Szenarien wesentliche steuerliche Aspekte erläutert.
Nachfolgend sollen einleitend wesentliche Begrifflichkeiten und steuerliche Pflichten für Influencer erläutert werden:
Einkommensteuer: Eine Einkommensteuerpflicht besteht grundsätzlich, wenn der Gewinn über dem Grundfreibetrag liegt (2025: 12.096 Euro). Der Steuersatz ist progressiv und kann bis zu 42 Prozent betragen. Ab einem Jahreseinkommen von 277.826 Euro (für ledige Personen) greift die sogenannte Reichensteuer von 45 Prozent. Zusätzlich fallen (einkommensabhängig) der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent an sowie für Kirchenmitglieder die Kirchensteuer von 8-9 Prozent. Eine Einkommensteuerlast einschließlich Solidaritätszuschlag (ohne Kirchensteuer) könnte somit bis zu 47,5 Prozent betragen.
Gewerbesteuer: Fällt an, wenn die Tätigkeit als gewerblich eingestuft wird und der Gewerbeertrag 24.500 Euro jährlich übersteigt. Die Steuersätze variieren je nach Kommune. Es ist zu beachten, dass die gezahlte Gewerbesteuer grundsätzlich auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann, jedoch meist keine Vollanrechnung erfolgt.
Freiberufliche vs. gewerbliche Tätigkeit: Gewerbliche Einkünfte sind solche, bei denen (insbesondere) eine dauerhafte Gewinnabsicht besteht, zum Beispiel Werbeleistungen, Produktvermarktung. Freiberufliche Einkünfte sind beispielsweise kreative, künstlerische oder journalistische Inhalte. Im Falle freiberuflicher Einkünfte entfällt die Gewerbesteuerpflicht. Was viele nicht wissen: Auch der Verkauf von Gratisprodukten kann zu gewerblichen Einkünften führen
Betriebseinnahmen: Alle Einnahmen aus der Tätigkeit, zum Beispiel Werbeposts, Affiliate-Links, Sachzuwendungen.
Betriebsausgaben: Kosten zur Erzielung der Einnahmen, zum Beispiel Equipment, Reisekosten, Softwarelizenzen.
Sachzuwendungen: Gratisprodukte, Reisen, Hotelübernachtungen oder sonstige Dienstleistungen gelten als steuerpflichtige Einnahmen und müssen dem Finanzamt gemeldet werden. Die Höhe der Einnahme richtet sich dabei nach dem Verkaufs- beziehungsweise Angebotspreis. Ausnahmen können für Werbeartikel mit einem geringen Wert von unter 10 Euro gelten, oder wenn Produkte zeitnah wieder zurückgeschickt werden.
In diesen Fällen kann die Einkommensteuerpflicht, abhängig vom Einzelfall, entfallen. Gleiches gilt, wenn Unternehmen Produkte bereits pauschal versteuern und ein Gesamtwert von 10.000 Euro nicht überschritten wird. Entscheidend ist hier die richtige Dokumentation.
Umsatzsteuer: Sogenannte Kleinunternehmer brauchen keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Vorteile sind, dass der Influencer keine Umsatzsteuer erheben und abführen muss. Die Kleinunternehmerregelung stellt damit aufgrund des komplizierten Verfahrens eine erhebliche Erleichterung dar. Nachteil: Gleichzeitig haben Influencer, die als Kleinunternehmer gelten jedoch kein Recht zum Vorsteuerabzug.
Ab 1. Januar 2025 gilt, dass die Kleinunternehmerregelung dann angewendet werden kann, wenn der Umsatz im Vorjahr nicht über 25.000 Euro liegt und im aktuellen Jahr voraussichtlich 100.000 Euro übersteigt. Der Satz beträgt 19 Prozent für klassische Leistungen (beispielsweise Werbung) und kann auf 7 Prozent für bestimmte kreative Tätigkeiten reduziert werden.
Anmeldung beim Finanzamt: Influencer müssen sich beim Finanzamt anmelden. Die Anmeldung erfolgt durch den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung.
Quellensteuer: Sofern der Influencer in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig ist, sind von den Vergütungen, die aus Deutschland überwiesen werden, eine Quellensteuer von 15 Prozent einzubehalten. Die Abführung obliegt dem Zahlungsverpflichteten.
Szenario 1: Influencerin mit Wohnsitz in Deutschland
Profil:
Lisa (alleinstehend), eine Beauty-Influencerin aus München, arbeitet eng mit Kosmetikmarken zusammen, bewirbt Produkte und vertreibt ihre eigene Make-up-Linie.
Einkommensquellen:
• Gesponserte Beiträge auf Instagram
• Affiliate-Marketing
• Eigene Kosmetikprodukte
Die Einnahmen belaufen sich auf rund 80.000 Euro. Ihre steuerpflichtigen Einkünfte belaufen sich auf rund 60.000 Euro.
Einkommensteuer:
Lisas Einkünfte stellen gewerbliche Einkünfte dar, die der Einkommensteuerpflicht unterliegen. Zu beachten ist, dass auch geringe Einnahmen (beispielsweise bei Affiliate-Marketing häufig der Fall) steuerpflichtig sind und damit in der Steuererklärung anzugeben sind.
Gewerbesteuer:
Da ihr Gewinn 24.500 Euro überschreitet, fällt zusätzlich Gewerbesteuer an – abhängig vom Hebesatz der jeweiligen Kommune.
Besonderheiten:
• Gratisprodukte (Sachzuwendungen) gelten als Betriebseinnahmen und sind mit ihrem Marktwert zu versteuern.
• Betriebsausgaben wie Studiomiete, Technik und Reisekosten mindern den steuerpflichtigen Gewinn.
Umsatzsteuer:
Als Unternehmerin muss sie grundsätzlich Umsatzsteuer erheben. Die Umsätze im aktuellen Jahr belaufen sich auf unter 100.000 Euro. Sofern der Umsatz im Vorjahr zuzüglich Umsatzsteuer nicht mehr als 25.000 Euro betragen hat, kann sie von der Kleinunternehmerregelung profitieren und muss keine Umsatzsteuer erheben, allerdings auch keine Vorsteuer geltend machen.
Szenario 2: (Ehemalige) Influencerin investiert in Immobilien
Profil:
Julia, ehemals eine erfolgreiche Mode-Influencerin, hat nach intensiven Jahren im Social-Media-Geschäft den Schritt in Immobilieninvestitionen gewagt.
Einkommensquellen:
• Mieteinnahmen aus Wohnimmobilien in Deutschland und Dubai
• Gewinne aus dem Weiterverkauf renovierter Immobilien (Fix & Flip)
Einkommensteuer:
Die Mieteinnahmen unterliegen der Einkommensteuer in Deutschland mit dem individuellen Einkommensteuersatz. Es gilt das sogenannte Welteinkommensprinzip – das heißt auch die Einkünfte aus Dubai unterliegen in Deutschland der Besteuerung. Ein Doppelbesteuerungsabkommen, das die Besteuerungsrechte konkret dem einen oder anderen Land zuordnen existiert mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) nicht.
Gewinne aus der Veräußerung vermieteter Immobilien können steuerfrei sein, wenn diese mindestens 10 Jahre gehalten werden. Diese Steuerfreiheit gilt jedoch nicht, wenn ein sogenannter gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Die Prüfung im Einzelnen ist kompliziert – vereinfacht gesagt gelten Veräußerungen jedoch als gewerbliche Einkünfte, die stets steuerpflichtig sind, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als drei Objekte angeschafft und veräußert werden.
Gewerbesteuer:
Im Falle des gewerblichen Grundstückshandels fällt auch Gewerbesteuer an.
Umsatzsteuer:
Während die Vermietung von Wohnraum in der Regel umsatzsteuerfrei ist, können bei gewerblichen Immobilienprojekten umsatzsteuerliche Pflichten entstehen.
Tipp:
Sollte ein wiederholter Handel mit Immobilien beabsichtigt sein, ist zu überlegen, ob eine sogenannte Immobilien GmbH gegründet wird, über die der Handel erfolgt. Vorteil: Anstatt des Steuersatzes für Privatpersonen von bis zu 45 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) werden Gewinne auf Ebene der GmbH unter bestimmten Voraussetzungen nur mit 15 Prozent Körperschaftsteuer besteuert.
Szenario 3: Influencer zieht in die VAE
Profil:
Tom, ein Fitness-Influencer, verlegt seinen Wohnsitz von Deutschland in die VAE .
Einkommensquellen:
• Online-Trainingsprogramme
• YouTube-Werbeeinnahmen
• Sponsoring-Verträge mit deutschen Unternehmen
Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland:
Die tatsächliche Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland ist zentral. Solange ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt (6 Monate Aufenthalt in Deutschland) in Deutschland bestehen bleibt, unterliegt Tom weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht für sein weltweites Einkommen. Zu beachten: Bereits ein kleines 1-Zimmer-Apartment, eine Ferienwohnung oder sogar ein Zimmer bei den Eltern – über die er schlüssige Nutzungsrechte besitzt – kann ausreichen, um in Deutschland weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht zu unterliegen.
Folgen des Wegzugs:
Wenn sowohl Wohnsitz als auch gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland aufgegeben wurden, ändert sich die Besteuerung in Deutschland weitreichend, bspw.:
Wegzugssteuer/Entstrickungsbesteuerung:
Bei Wegzug ins Ausland können stille Reserven seines Unternehmens, insbesondere aus immateriellen Wirtschaftsgütern wie dem persönlichen Markennamen, besteuert werden. Mit anderen Worten: Im Zeitpunkt des Wegzugs wird ein Verkauf des Unternehmens fingiert, welcher der Besteuerung in Deutschland mit bis zu rund 28,5 Prozent unterliegt. Die Wertermittlung erfolgt entweder per Gutachten unter Einbeziehung zukünftiger Gewinnpotentiale oder anhand steuerlicher Verfahren. Aufgrund der potentiell tiefgreifenden steuerlichen Folgen ist die Hinzuziehung eines steuerlichen Beraters dringend zu empfehlen.
Quellensteuer:
Einnahmen, die Tom beispielsweise von deutschen Unternehmen erhält werden in der Regel einer Quellensteuer in Deutschland von 15 Prozent unterliegen.
Einkommensteuer:
Selbst nach Wegzug können bestimmte inländische Einkünfte – beispielsweise Erträge aus der Verwertung von Werbung oder Immobilieneinkünfte in Deutschland – steuerpflichtig bleiben.
Umsatzsteuer:
Die Erbringung der Online-Trainings an Endverbraucher in Deutschland gegen Entgelt, führt zu einer Umsatzsteuerpflicht in Deutschland. Ebenso werden die Leistungen an deutsche Unternehmen in Deutschland der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Eine umsatzsteuerliche Registrierung scheint mithin erforderlich.
Doppelbesteuerungsabkommen:
Es ist zudem zu prüfen, wie die sog. Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht zwischen Deutschland und dem Zuzugsland verteilt. Letztlich ist die Besteuerung nach dem Wegzug sehr einzelfallabhängig – abhängig von den erzielten Einkünften, der persönlichen Situation, dem Zuzugsland und dem individuellen DBA. Vorliegend im Falle des Wegzugs in die VAE erübrigt sich diese Frage mangels bestehendem DBA zwischen den VAE und Deutschland.
Fazit
Die Besteuerung von Influencern und Content Creator ist ein hochkomplexes Thema, das stark von individuellen Faktoren abhängt. Ob klassische Social-Media-Aktivitäten, internationale Tätigkeiten, Investitionen in Immobilien oder der parallele Betrieb freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeiten – jeweils müssen Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und gegebenenfalls Wegzugsbesteuerung berücksichtigt werden. Dies unterstreicht, wie essenziell eine individuelle, fundierte steuerliche Beratung in diesem zunehmend relevanten Themenfeld ist.
Über die Autoren:
Der Fokus von Stefan Bethlehem liegt in der steuerlichen Beratung von Familienunternehmen, deren Gesellschaftern und Family Offices. Mit seiner langjährigen Erfahrung aus Beratung und Industrie sucht er mit seinen Mandanten nach den besten Lösungen für die vielfältigen Themenstellungen. Ein besonderes Interesse habe ich dabei für Fragen zur vorweggenommenen Erbfolge, Steuerplanung für vermögende Privatpersonen, steuerliche Begleitung von Venture Capital Investments und Immobilientransaktionen.
Malte Shurety studierte Wirtschaftswissenschaften und absolvierte anschließend einen Master of International Taxation. Er ist Steuerberater sowie Fachberater für internationales Steuerrecht und seit zehn Jahren bei KPMG tätig, wo er als Manager Unternehmen und Privatpersonen zu grenzüberschreitenden Steuerfragen berät. Zu seinen Schwerpunkten zählen Fragen des Abkommensrecht, der Wegzugsbesteuerung, internationale Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Auslandsstiftungen und Trusts.