Flexibler Schutz gesucht Inflation? Deflation? Beides!

Thomas Kemmsies (l.) Tamara Trinh und Francesco Pozzi von Makrowerk Investment Management

Thomas Kemmsies (l.) Tamara Trinh und Francesco Pozzi von Makrowerk Investment Management: Die Anlagestrategen finden in puncto Inflationsschutz die Emerging Markets spannend Foto: Makrowerk

Es gibt viele Stimmen, die aktuell das Inflationsgespenst heraufbeschwören. Andere Stimmen wiederum sehen die steigenden Inflationsraten als eine vorrübergehende Übertreibung verursacht durch Corona-Sondereffekte. Beide Seiten der Inflations-/Deflationsdebatte werden recht behalten – und das ist das wahre Problem. Starke Schwankungen in den Inflationserwartungen können extreme Reaktionen an den Finanzmärkten auslösen: Panik in Erwartung eines deutlich höheren Inflationspfads – Entwarnung, wenn der Grundstein für einen Wiederanstieg des Preisdrucks gelegt wurde - Panik, wenn dieser sichtbar wird.

Ein Tauziehen extremer Kräfte: Starke Schwankungen voraus

Der Knackpunkt ist, dass äußerst gegensätzliche Kräfte auf die Preisbildung wirken: Einerseits haben sich Schuldenquoten im öffentlichen und privaten Sektor weltweit aufgebläht, während Sparquoten aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit stark angeschwollen sind und viele Firmen Kosten senken müssen. Dies hat einen deflationären Effekt. Andererseits werden inflationäre Kräfte bestärkt durch die rasante Ausweitung der Geldmenge, die Finanzierung öffentlicher Haushaltsdefizite durch Zentralbanken und die massiven Konjunkturprogramme. Zudem ist Inflation aufgrund von Handelsverflechtungen und internationalen Lieferketten ein globales Phänomen.


Unsere Prognosemodelle wiesen bereits Ende 2020 auf den jüngst wahrgewordenen rasanten Inflationsanstieg in den USA hin. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass der US-Preisdruck in der zweiten Jahreshälfte wieder stark abfallen wird. In der Eurozone erwarten wir einen ähnlichen Verlauf mit einer Verzögerung von cirka drei Monaten.

„Post-moderne“ Geldpolitik mit Interpretationsproblemen

Grundsätzlich wird es äußerst schwierig werden, die Inflationserwartungen in den USA oder Europa längerfristig auf ein stabiles Niveau von cirka 2 Prozent zurückzubringen. Denn haushaltspolitische Hemmschwellen sind gefallen. Gleichzeitig ist die Geldpolitik experimentierfreudiger, aber auch weniger transparent und damit anfälliger für Interpretationsprobleme geworden.

Mit „post-moderner Geldpolitik“ wurde vor 10 Jahren ein neues komplexes Rahmenwerk der türkischen Zentralbank bezeichnet, bei dem sie Zinsen senkte, um der Inflation Herr zu werden. Die Logik: Der Zustrom ausländischen Kapitals, das vom hohen türkischen Zinsniveau angezogen wurde und heimisches Wachstum und Preisdruck übermäßig anheizte, sollte gebremst werden. Damals dachte die Welt typisch Emerging Markets (EM) – heute könnte ein Konzept, welches Preisdruck mit lockerer Geldpolitik begegnet, fast schon visionär wirken.

Denn der Schwenk zu durchschnittlichen Inflationszielen, sogenannten „Average Inflation Targeting“ in den USA, über den die Europäische Zentralbank noch nachdenkt, bedeutet, dass die dortige Geldpolitik nun einer flexiblen Form eines durchschnittlichen Inflationsziels ohne genaue Zeitangaben und mit Blick in den Rückspiegel folgt. Das heißt: Selbst in einem Szenario, in dem sich die monatlichen Inflationsraten gegenüber dem 10-jährigen Durchschnitt im nächsten Jahr verdoppeln, würde die US-Notenbank Fed ihr Inflationsziel nach unten hin noch immer verfehlen.