Fixed-Income-Portfolios Übergangsinstrument oder mehr? So will MSCI beim Thema ESG Mehrwert bieten

Jarrad Linzie und Marc Haede Fixed-Income-Spezialisten von MSCI.

Jarrad Linzie (l.) und Marc Haede von MSCI: „Die Anleger suchen nach Methoden, um ihre jeweiligen Übergänge zu glätten, daher muss die von ihnen verwendete Benchmark mit ihrer aktuellen Positionierung übereinstimmen.“ Foto: MSCI

Ein Portfolio nachhaltig ausrichten will durchdacht sein. Eine Vielzahl von Faktoren macht dies zu einer Herausforderung, beispielsweise das Risikos der Konzentration auf bestimmte Sektoren und Emittenten, Einschränkungen im Zusammenhang mit der Liquidität, dem Tracking Error im Vergleich zur Benchmark und den hohen Kosten im Zusammenhang mit der Umstellung bestehender Portfolios.

Darüber hinaus sieht sich eine beträchtliche Anzahl von Anlegern in der Verantwortung, den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren. Diese Wahrnehmung beruht auf der Erkenntnis, dass die Anleger eine zentrale Rolle bei der Umstellung auf nachhaltigere Praktiken spielen können.

Als Reaktion auf diese Herausforderungen sind Anleger auf der Suche nach Strategien und Lösungen, die sie durch diese komplizierte Landschaft führen können. Sie suchen nach Wegen, um ein Gleichgewicht zwischen dem Bedarf an finanziellen Erträgen und dem Bestreben, zu einer nachhaltigeren Zukunft beizutragen, herzustellen.

Lösung für festverzinsliche Wertpapiere: Ein neuer Ansatz

Das Glidepath-Konzept beruht auf der Reinvestition von Cashflows zur Ausrichtung eines Anleihenportfolios auf ein bestimmtes Ziel, beispielsweise Dekarbonisierung oder Verbesserung des ESG-Profils. Im Grunde genommen werden die Kerneigenschaften von festverzinslichen Wertpapieren genutzt, um ein Portfolio von seinem aktuellen Zustand auf die ideale Strategie oder die gewünschte Charakteristik umzustellen. Die Methodik des Glidepath-Index ist regelbasiert und vermeidet den Einsatz von Portfolio Optimierung.

In jedem Rentenindex werden laufend beträchtliche Zahlungsströme in Form von Kupons und Anleihefälligkeiten generiert, für die es eine Wiederanlageregel zu bestimmen gilt. In konventionellen Indizes werden die Cashflows proportional in alle Titel des Index reinvestiert. Die Glidepath-Indexmethodik hingegen unterteilt in einem ersten Schritt zunächst das Anlageuniversum in Dezile.

 

Diese Segmentierung erfolgt dabei entweder nach der Emissionsintensität, dem ESG-Rating, oder einer Kombination dieser beiden Eigenschaften. Danach werden alle Zahlungsströme ausschließlich in die obersten sechs Dezile reinvestiert, also in die Emittenten mit den besten Emissions- und ESG-Eigenschaften. Dies führt dazu, dass das Gewicht der obersten sechs Dezile im Zeitablauf wächst. Umgekehrt erhalten die Dezile 7 bis 10, die Emittenten mit hoher Emissionsintensität oder schlechten ESG-Ratings keine reinvestierten Kupon- und Nominalzahlungen. Folglich reduziert sich das Gewicht dieser Dezile von Monat zu Monat.

Der letzte Schritt des Glidepath-Overlays ist die Gewichtung neuer Wertpapiere, die für die Indexaufnahme in Frage kommen. Die Gewichtung neuer Emissionen variiert proportional zum Grad der Ausrichtung. Das Gewicht von Anleihen mit vorteilhaften Emissions- und ESG Eigenschaften erhält hierbei einen Skalierungsfaktor größer eins, umgekehrt werden solche Titel mit nachteiligem Profil mit einem Abschlag aufgenommen.

Abbildung 1: Alle Zahlungsströme werden ausschließlich in die obersten sechs Dezilen reinvestiert.

Die Glidepath-Indizes wurden über die vergangenen zehn Jahre in der ESG-Variante und für die vergangenen vier Jahre für Emissionen zurückgerechnet. Obwohl sich der Markt in einem Niedrigzinsumfeld befand, waren die Ergebnisse vielversprechend. Der Index hat sich in diesem Zeitraum deutlich dekarbonisiert und weist im Vergleich zum marktkapitalgewichteten Universum einen geringen Tracking Error auf. Es ist anzunehmen, dass die Strategie bei insgesamt höheren Zinssätzen und damit mehr Cashflows, die umgewidmet werden können, in Zukunft ein höheres Transitionstempo haben kann.

Es ist jedoch auch wichtig, auf eine gewisse Komplexität hinzuweisen. Wie bereits erwähnt, wurden historische Simulationen durchgeführt. Die Bedeutung der Historie bei der Einführung neuer Indizes kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ist für das Marketing, die Regulierung und für das Verständnis der Produktentwicklung von entscheidender Bedeutung, auch wenn die Renditen der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf die zukünftigen Renditen zulassen.

Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, das Startdatum des Index auf den 29. Dezember 2023 festzulegen. Dies mag ungewöhnlich erscheinen, aber es ist wichtig, den Kontext zu verstehen. Wenn wir eine Zusammensetzung anbieten, die einen eingebetteten Gleitpfad über die letzten 5 bis 10 Jahre hat, wird sich die Zusammensetzung natürlich von den aktuellen Beständen unterscheiden. Die Anleger suchen nach Methoden, um ihre jeweiligen Übergänge zu glätten, daher muss die von ihnen verwendete Benchmark mit ihrer aktuellen Positionierung übereinstimmen.

Der Einfluss von Cashflow-Reinvestitionen auf ESG und Emissionen

Eine entscheidende Frage lautet: Welche Auswirkungen hat dies in der Praxis? Insgesamt haben wir neun verschieden Strategien berechnet, nämlich a) ESG, b) Emissionen und c) ein 50/50 Mix aus Emissionen und ESG, und das für die drei Anlageuniversen US-Dollar IG Corporates, Euro IG Corporates und US-Dollar HY Corporates. In diesem Abschnitt nehmen wir die kleinste der drei Anlageklassen, US-Dollar HY Corporates unter die Lupe. Der Grund dafür ist die erhebliche Streuung zwischen ESG- und Emissionsdaten in diesem Bereich. Mit Blick auf die ESG-Charakteristik zeigt sich bei einer zehnjährigen Integration in die Gleitpfadstrategie ein erheblicher Anstieg des ESG-Scores von fast 90  Prozent (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: 90 Prozentiger Anstieg des ESG Scores im USD HY Glidepath Index über zehn Jahre © MSCI

Eine Untersuchung der Zusammensetzung zeigt, dass die ersten sechs Dezile zu Beginn der Simulationen 62 Pozent des Index ausmachten. Zehn Jahre später ist das Gewicht dieser sechs Spitzengruppen auf fast 80 Prozent angestiegen (Abbildung 3).  

Abbildung 3: Gewicht der Top sechs un circa 20 Prozent über zehn  Jahre
Abbildung 3: Gewicht der Top sechs un circa 20 Prozent über zehn Jahre © MSCI

Bei der Betrachtung der Emissionen ist es wichtig zu erläutern, dass wir über Scope-1, Scope-2 und Scope-3 Emissionsdaten für die vergangenen vier Jahre verfügen, daher der kürzere Simulationszeitraum. Über diese Phase gelang es, den Ausgangsindex um 53 Prozent insgesamt, beziehungsweise um circa 14 Prozent pro Jahr zu „dekarbonisieren“ (Abbildung 4). Die Gleitpfadstrategie erzwingt jedoch keine anfängliche fest definierte Dekarbonisierungsrate, wie sie im Rahmen der EU Taxonomie in den Paris-aligned (PAB) oder Climate-Transition (CTB) Konzepten vorgeschrieben ist (7 Prozent pro Jahr). Dies wäre im Zuge einer maßgeschneiderten Indexkonzeption möglich.

 
Abbildung 4: USD HY Glidepath decarbonization: 14 Prozent pro Jahr.
Abbildung 4: USD HY Glidepath decarbonization: 14 Prozent pro Jahr. © MSCI

Im Bereich der US-Dollar und Euro IG Corporates ist die Streuung der Datenpunkte für ESG-Ratings und Emissionen zwar deutlich geringer als auf dem Hochzinsmarkt. Dennoch zeigt das Glidepath Konzept auch hier Wirkung bei der Erreichung definierter Ziele. Konkret gab es einen Anstieg von 57 Prozent beziehungsweise 38 Prozent (Abbildung 5). Wenn wir uns die Details der Zusammensetzung ansehen, stellen wir fest, dass zu Beginn der Strategie die Gewichtung von ESG-Leaders Emittenten (ESG Rating AAA-AA) 17 Prozent und 33 Prozent in den IG-Benchmarks für die USA und den EUR ausmachte. Bis heute ist der Anteil der ESG-Leader in den beiden Indexprodukten auf 53,55 Prozent beziehungsweise 73,43 Prozent gestiegen.

Abbildung 5: US-Dollar und Euro IG Glidepath (ESG) Indizes

Fazit:

MSCI Glidepath ist eine Lösung am Markt für Rentenindizes und soll Investoren als Wegweiser dienen. Sie soll helfen, eine schrittweise Anpassung von Investmentstrategien mit den treuhänderischen Pflichten eines Anlegers in Einklang zu bringen. Dabei handelt es sich nicht um ein Angebot von der Stange, vielmehr ist das Konzept offen dafür, maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Anforderungen und Präferenzen zu bieten, wie beispielsweise die Anpassung der verwendeten Variablen, die Geschwindigkeit der Portfolioumgestaltung oder die Aufnahme von Sustainable Development Goals (UN SDGs), von zukunftsgerichteten Klimametriken wie Science Based Targets (SBTIs), und vielem mehr. Glidepath ist somit in unseren Augen nicht nur ein Übergangsinstrument ist, sondern auch ein kreativer Impulsgeber für differenzierte Ideen.

Über die Autoren

Jarrad Linzie ist Global Head of Fixed Income Index Research. Er ist verantwortlich für die Entwicklung der MSCI Fixed Income Produktpalette und die Strategie zur Steigerung des Marktanteils in diesem Bereich. Vor seiner Tätigkeit bei MSCI war Linzie als Geschäftsführer (Managing Director) bei J.P. Morgan tätig, bei der er als Global Head of Index Research Product Development arbeitete. Während seiner 26-jährigen Tätigkeit bei J.P. Morgan war er unter anderem an der Schaffung, Entwicklung und Strategie von Flagship Fixed Income Benchmarks beteiligt, darunter auch die Indizes für die Schwellenländer. Er bekleidete Indexpositionen sowohl in New York als auch in London.  

Marc Haede leitet das Fixed Income Index Geschäft bei MSCI weltweit, arbeitet eng mit den Bereichen Coverage, Research und Marketing zusammen, um ESG- und Klimalösungen im Bereich Fixed Income weiterzuentwickeln. Er kam 2003 zu MSCI und arbeitet seither mit Asset Managern, Vermögensverwaltern, Pensionsfonds und Versicherungen in den Bereichen Benchmark-Auswahl, Risikomanagement, Portfoliokonstruktion und Performance-Attribution zusammen. Bevor er zu MSCI kam, arbeitete Haede im Asset Management der Commerzbank als Fixed Income Portfoliomanager. Er verwaltete sowohl Publikumsfonds als auch institutionelle Mandate, die sich an Indizes für Staatsanleihen und Unternehmensanleihen orientierten. Davor war er bei der DWS in Luxemburg tätig.

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