Frau Reich Floyd, eine restriktivere Geldpolitik mit steigenden Zinsen verteuert den Immobilienerwerb. Warum jetzt REITs?
Claudia Reich Floyd: Immobilien werden zwar von der aktuellen Situation beeinflusst, weil Finanzierungskosten steigen. Gleichzeitig kommt es aber zu Mieterhöhungen und viele der Risiken wie steigende Zinsen und höhere Mieten sind bereits in den Immobilienaktien eingepreist. REITs haben einen größeren Puffer als andere Anlageklassen. Die möglicherweise bevorstehende Rezession beeinflusst Immobilien nicht so stark wie andere Wirtschaftsbereiche. Das hat übrigens auch eine Auswertung von 50 Jahren historischer Rezessionsdaten gezeigt, die wir gerade veröffentlicht haben. Unsere Aktien schütten weiterhin 3,5 Prozent Dividende pro Jahr aus, die Renditen von Staatsanleihen liegen weit darunter. Und es wartet sehr viel Cash, gerade von institutionellen Anlegern, an der Seitenlinie auf den Wiedereintritt in den Markt. Der REITs-Sektor dürfte in einem rezessiven Umfeld davon profitieren.
Was müssen Anleger über die Diversifizierung von REITs-Anlagen bei Hazelview Investments wissen?
Reich Floyd: Wir haben einen relativ starken Fokus auf Spezialsektoren. Ihre Einbindung in ein Portfolio bedarf ausgeprägter Management-Fähigkeiten: Versicherungen und Pensionskassen können den Markt mit internem Know-how nur sehr schwer selbst abbilden. Ein Beispiel: Das Segment „Self Storage“ – also die meist kurzfristige Einlagerung von Einrichtungsgegenständen, Möbeln usw. in Containern – ist ein relativ neuer Trend im Bereich Leben, Arbeiten und Wohnen. Self Storage bietet hohe Margen, wächst stark und ist nur in geringem Maß von Konjunkturzyklen abhängig. Außerdem setzen wir vorrangig auf Immobilien im Gesundheitswesen, Mobilfunktürme, Datenzentren, Wohnungen, Logistik- und Industrieimmobilien. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass sich eine breite Streuung im Markt auszahlt – wer nur auf die klassischen Segmente Wohn- und Gewerbeimmobilien setzt, verschenkt Renditepotenzial.
Wie sieht es generell mit der Liquidität aus?
Reich Floyd: Ich bin seit zehn Jahren für Hazelview Investments und über zwanzig Jahre in der Branche tätig und habe bereits einige Zyklen erlebt. Liquidität war auch in den schwierigsten Phasen am Aktienmarkt immer vorhanden. Portfolios von 50 Millionen US-Dollar innerhalb von ein oder zwei Tagen zu liquidieren, war auch dann kein Problem. Wir betreuen allein in Deutschland ein verwaltetes Vermögen von 2,5 Milliarden US-Dollar und gehen davon aus, dass sich bis zu 5 Milliarden US-Dollar managen lassen, ohne größere Marktbewegungen auszulösen.
Sie erwähnten eine durchschnittliche Dividendenrendite von 3,5 Prozent. Ist diese Rendite auch in schwierigen Marktlagen gewährleistet?
Reich Floyd: Weil wir unseren Fokus auf Spezialsektoren haben, die stark wachsen, liegt die Ausschüttungsquote eher im niedrigen Bereich. Es gibt REITs mit höheren Dividendenrenditen von 7 bis 8 Prozent; die darin enthaltenen Unternehmen wachsen allerdings deutlich weniger stark. Wir achten bei den von uns gewählten Aktien darauf, dass die Unternehmen ein gesundes Wachstum aufweisen und langfristig Dividenden zahlen.
Wie sieht es mit dem Wachstum in der Zukunft aus? Wie wird gewährleistet, dass die Dynamik im Portfolio anhält?
Reich Floyd: Wir gehen davon aus, dass durch die Inflation sowie das Thema Nachhaltigkeit der Neubau von Flächen auf dem Immobilienmarkt nicht allzu groß ausfallen wird. Wir erwarten Mietsteigerungen in Höhe von 2 Prozent ; allerdings sehen wir in Spezialsegmenten, beispielsweise bei Funktürmen, deutlich höhere Wachstumsraten. In manchen Märkten sind die verfügbaren Flächen extrem knapp, aber die Nachfrage ist hoch und dürfte auch über die kommenden Jahre anhalten. Mietsteigerungen von jährlich 5 Prozent sind da durchaus machbar. Wir haben das bei REITs in den USA in den vergangenen Jahren gesehen, eine ähnliche Entwicklung könnte auch in Europa und in Asien kommen.
Uns fällt darüber hinaus eine starke Polarisierung auf: Zwischen herausragender und schlechter Qualität tun sich riesige Unterschiede auf! Repräsentative Immobilien, die zugleich das ESG-Profil des Unternehmens widerspiegeln, sind von großer Bedeutung. Andere Flächen, die nicht mehr den regulatorischen Vorschriften entsprechen, werden indes zukünftig nicht mehr vermittelbar sein.
Was verändert sich durch den globalen Drang zu mehr Nachhaltigkeit in den REITs-Portfolios?
Reich Floyd: Wir legen auf ESG-Aspekte ein großes Augenmerk, sind aktiv dabei und sprechen mit Unternehmen über Verbesserungspotenzial. Fragen der Finanzierung werden ein Treiber hin zu einer nachhaltigen Entwicklung sein. Die Nachhaltigkeits-Ratings sind unserer Ansicht nach noch nicht optimal, weil dort viel zu wenig Detailwissen einfließt und die Immobilien pauschal beurteilt werden. Auch für uns als Spezialisten sind Beurteilungen oft schwierig, aber wir sind am nächsten dran am Markt. Unsere Erkenntnisse können wir dann sowohl an die Kunden als auch an die Immobilienbetreiber zurückgeben. Immobilienaktien stehen mit an erster Stelle, wenn es um die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit geht, weil hier fortlaufend die Informationslage eingepreist wird. Gerade in Europa wird es in den kommenden Jahren neue Regulierungsvorschriften beziehungsweise die Umsetzung von bereits beschlossenen Änderungen geben. Die USA liegen bei der ESG-Regulierung im Immobiliensektor indes noch zurück. In Asien sehen wir bislang noch eine gespaltene Lage: Immerhin orientieren sich Japan, aber auch China sehr stark an Europa und verstehen, wie wichtig der Fokus auf Nachhaltigkeit für die Allokation der Kapitalressourcen ist.
Wie verändert sich die Allokation von Hazelview Investments in Bezug auf Länder und Regionen?
Reich Floyd: Global schichten wir nicht um, aber innerhalb einzelner Regionen versuchen wir schon, Veränderungen anzustoßen. Wir schauen darauf, dass Immobilienunternehmen auf die Fragen der Zeit ernsthaft eingehen und echten Mehrwert schaffen. Wir geben dabei den Unternehmen, die noch ein Stück des Weges vor sich haben, Chancen zum Vorankommen. Unser Credo: Wenn etwas extrem billig ist, sehen wir uns genau an, ob sich mit engagierten Nachjustierungen möglicherweise gute Chancen nutzen lassen. Wir sagen nicht per se, dass ein Unternehmen, das Nachhaltigkeitskriterien noch nicht erfüllt, nicht investierbar ist. Das ist die falsche Herangehensweise. Man muss dem Markt die Freiheit geben, sich zu adjustieren. Ein Management, das spürt, dass das eigene Unternehmen immer mit einem Abschlag gehandelt wird, wird Schritte einleiten, um Abhilfe zu schaffen – auch wenn es manchmal einige Jahre dauern wird.